Katja Lückert: Eine Vortragsreihe des Kulturwissenschaftlichen Instituts in diesem Herbst wird von dem Philosophen, Schriftsteller und Autor Rüdiger Safranski bestritten. Im Rahmen der "Reden über den Humanismus", Menschlichkeit in den Konflikten der Gegenwart steht in diesem Jahr das Thema "Mensch und Zeit" im Mittelpunkt. Ein weites Feld, möchte man Ihnen nur zurufen, Rüdiger Safranski. Doch bevor wir ins Thema einsteigen, vielleicht die Frage: Wie viel Zukunft hat eigentlich diese alte humanistische Tradition des Redenhaltens noch, wer hat noch die Zeit, sich das alles anzuhören?, fragte ich Rüdiger Safranski.
Rüdiger Safranski: Na ja, es gilt immer noch das gesprochene Wort und der lebendige Austausch und die lebendige Begegnung. Mir geht es so, ich merke doch viel Neugier und Bereitschaft zu hören und auch zu reden, und ich mache das auch ganz gerne.
Lückert: Die Vortragsreihe, bestehend aus drei Teilen, hat am gestrigen Abend begonnen. Da ging es um die humanistische Kritik der bewirtschafteten und technisierten Zeit, also um gerade solche neuen Speichermedien, die das Vergangene bewahren und immer wieder abspielbar machen. Vielleicht einige Gedanken für die, die nicht in Essen sein konnten gestern Abend.
Safranski: Das Erstaunliche ist ja, dass wir … im Medienzeitalter können wir das Gefühl haben, dass wir die Zeit viel besser beherrschen können, weil wir Vergangenheit speichern können in Ton und Bild, und insofern ist es doch auch wieder sehr gut, sich klarzumachen, dass die Zeit etwas irreversibel Verstreichendes ist. Also die uralte Erfahrung, was aber ist die Zeit, damit habe ich auch angefangen, Augustin grübelt darüber nach und stellt fest, was wir heute auch feststellen können, dass wir sie nicht festhalten können.
Lückert: Heute Abend ist nun das Thema "Die beschleunigte Zeit", verschiedene gesellschaftliche Milieus mit verschiedenen Geschwindigkeiten – kann man das gewissermaßen als Antithese verstehen zum gestrigen Vortrag?
Safranski: Ja. Ich versuche ja dann zu zeigen, dass wir uns gesellschaftlich in einem Gehäuse befinden mit einer Eigenzeit im System. Und das ist nun eine unglaubliche Erfahrung, die man macht, diese Beschleunigung, in der wir drin stecken, die aber dann zu Konflikten führt. Die Natur hat ihre Eigenzeit, wir merken das an den fossilen Energiereserven, die sind in Jahrmillionen angespart worden und werden in kürzester Zeit verbraucht, das heißt, da stößt die beschleunigte Gesellschaftszeit des Industriesystems stößt zusammen mit der Naturzeit. Und den Kürzeren würden wir natürlich ziehen, wenn wir da nicht umstellen.
Das Zweite ist, dass auch die Systemzeit in der Wirtschaft, in der Ökonomie auch in Konflikt gerät mit der Eigenzeit, die jeder Einzelne von uns hat. Wir haben ja unseren Biorhythmus, wir haben unsere psychische Verarbeitungskraft, wir sind also auch von Zumutungen umgeben, in denen man eine Balance finden muss. Und das werden die großen Aufgaben der Zukunft sein.
Lückert: Wenn man den dritten Teil der Reihe ein wenig als Synthese verstehen will, wo lauern die Lösungen für die Zeitparadoxie des modernen Menschen, die ja darin besteht, dass eigentlich alles immer schneller geht und trotzdem jeder gefühlt immer weniger Zeit hat?
Safranski: Also da werden wir noch sehr viel Fantasie brauchen, um Entschleunigungsinseln zu schaffen, um andere Rhythmen zu schaffen. Die Gesellschaft hat ja uralte Erfahrungen damit, auch mit der Entschleunigung. Denken Sie einfach nur daran, Regeln und Institutionen und so weiter sind ja Versuche, etwas Wiederkehrendes zu erzeugen, auf das man sich verlassen kann. Das heißt, ohne dass man das früher so genannt hat, haben wir gewissermaßen Bremsen im System, haben wir Ruhepunkte. Es gehört dazu, die noch ganz anders zu nutzen und in ihrer Bedeutung zu entdecken.
Lückert: Für den französischen Philosophen Henri Bergson ist die Zeit in sich nicht homogen, sie ist ein mal schnelleres, langsameres Fließen und Werden, eine Erfahrung, die jeder selbst nachempfinden kann. Entspricht das Ihrem Begriff der existenziellen Zeit?
Safranski: Ja. Ich nehme auch auf Henri Bergson Bezug, und wir können da ganz seltsame Erfahrungen machen mit der Zeit. Ich werde über die Langeweile zum Beispiel sprechen, wo man auf einmal die Zeit pur spürt, ohne dass sie von Ereignissen voll ist – das kann aber auch eine sehr große Kraftquelle sein. Oder ich werde auch darauf eingehen, dass unsere Literatur in ihren großen Augenblicken auch voll ist von Angeboten, auch noch mal anders mit der Zeit umzugehen, also Marcel Proust, "Die Suche nach der verlorenen Zeit". Also in den Nischen und Ecken unseres kulturellen Lebens gibt es auch wiederum so viele Möglichkeiten, in der Zeit ein wunderbares Geheimnis zu entdecken, das auch noch mal ganz anders gehandhabt werden kann als einfach nur, wenn es ökonomisch oder sonst wie bewirtschaftet wird.
Lückert: Rüdiger Safranski war das.
Rüdiger Safranski: Na ja, es gilt immer noch das gesprochene Wort und der lebendige Austausch und die lebendige Begegnung. Mir geht es so, ich merke doch viel Neugier und Bereitschaft zu hören und auch zu reden, und ich mache das auch ganz gerne.
Lückert: Die Vortragsreihe, bestehend aus drei Teilen, hat am gestrigen Abend begonnen. Da ging es um die humanistische Kritik der bewirtschafteten und technisierten Zeit, also um gerade solche neuen Speichermedien, die das Vergangene bewahren und immer wieder abspielbar machen. Vielleicht einige Gedanken für die, die nicht in Essen sein konnten gestern Abend.
Safranski: Das Erstaunliche ist ja, dass wir … im Medienzeitalter können wir das Gefühl haben, dass wir die Zeit viel besser beherrschen können, weil wir Vergangenheit speichern können in Ton und Bild, und insofern ist es doch auch wieder sehr gut, sich klarzumachen, dass die Zeit etwas irreversibel Verstreichendes ist. Also die uralte Erfahrung, was aber ist die Zeit, damit habe ich auch angefangen, Augustin grübelt darüber nach und stellt fest, was wir heute auch feststellen können, dass wir sie nicht festhalten können.
Lückert: Heute Abend ist nun das Thema "Die beschleunigte Zeit", verschiedene gesellschaftliche Milieus mit verschiedenen Geschwindigkeiten – kann man das gewissermaßen als Antithese verstehen zum gestrigen Vortrag?
Safranski: Ja. Ich versuche ja dann zu zeigen, dass wir uns gesellschaftlich in einem Gehäuse befinden mit einer Eigenzeit im System. Und das ist nun eine unglaubliche Erfahrung, die man macht, diese Beschleunigung, in der wir drin stecken, die aber dann zu Konflikten führt. Die Natur hat ihre Eigenzeit, wir merken das an den fossilen Energiereserven, die sind in Jahrmillionen angespart worden und werden in kürzester Zeit verbraucht, das heißt, da stößt die beschleunigte Gesellschaftszeit des Industriesystems stößt zusammen mit der Naturzeit. Und den Kürzeren würden wir natürlich ziehen, wenn wir da nicht umstellen.
Das Zweite ist, dass auch die Systemzeit in der Wirtschaft, in der Ökonomie auch in Konflikt gerät mit der Eigenzeit, die jeder Einzelne von uns hat. Wir haben ja unseren Biorhythmus, wir haben unsere psychische Verarbeitungskraft, wir sind also auch von Zumutungen umgeben, in denen man eine Balance finden muss. Und das werden die großen Aufgaben der Zukunft sein.
Lückert: Wenn man den dritten Teil der Reihe ein wenig als Synthese verstehen will, wo lauern die Lösungen für die Zeitparadoxie des modernen Menschen, die ja darin besteht, dass eigentlich alles immer schneller geht und trotzdem jeder gefühlt immer weniger Zeit hat?
Safranski: Also da werden wir noch sehr viel Fantasie brauchen, um Entschleunigungsinseln zu schaffen, um andere Rhythmen zu schaffen. Die Gesellschaft hat ja uralte Erfahrungen damit, auch mit der Entschleunigung. Denken Sie einfach nur daran, Regeln und Institutionen und so weiter sind ja Versuche, etwas Wiederkehrendes zu erzeugen, auf das man sich verlassen kann. Das heißt, ohne dass man das früher so genannt hat, haben wir gewissermaßen Bremsen im System, haben wir Ruhepunkte. Es gehört dazu, die noch ganz anders zu nutzen und in ihrer Bedeutung zu entdecken.
Lückert: Für den französischen Philosophen Henri Bergson ist die Zeit in sich nicht homogen, sie ist ein mal schnelleres, langsameres Fließen und Werden, eine Erfahrung, die jeder selbst nachempfinden kann. Entspricht das Ihrem Begriff der existenziellen Zeit?
Safranski: Ja. Ich nehme auch auf Henri Bergson Bezug, und wir können da ganz seltsame Erfahrungen machen mit der Zeit. Ich werde über die Langeweile zum Beispiel sprechen, wo man auf einmal die Zeit pur spürt, ohne dass sie von Ereignissen voll ist – das kann aber auch eine sehr große Kraftquelle sein. Oder ich werde auch darauf eingehen, dass unsere Literatur in ihren großen Augenblicken auch voll ist von Angeboten, auch noch mal anders mit der Zeit umzugehen, also Marcel Proust, "Die Suche nach der verlorenen Zeit". Also in den Nischen und Ecken unseres kulturellen Lebens gibt es auch wiederum so viele Möglichkeiten, in der Zeit ein wunderbares Geheimnis zu entdecken, das auch noch mal ganz anders gehandhabt werden kann als einfach nur, wenn es ökonomisch oder sonst wie bewirtschaftet wird.
Lückert: Rüdiger Safranski war das.