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Zeitforscher Karlheinz Geißler
"Zeit mit mehr Liebe verrechnen"

Die Umstellung von Winter- auf Sommerzeit lenke das Bewusstsein auf Phänomene wie Beschleunigung oder Zeitdruck. Zeit werde in der heutigen Zeit besonders mit Geld verrechnet, sagte der Zeitforscher Karlheinz Geißler im Dlf. Dabei gebe es auch andere Möglichkeiten, damit umzugehen.

Karlheinz Geißler im Gespräch mit Britta Fecke |
    Die beiden stehen engumschlungen inmitten der verkohlten Überreste. Im Hintergrund unscharf weitere Menschen mit Atemschutzmasken.
    Gordon Easter und seine Verlobte Gail Hale küssen sich am 20.10.2017 in Coffey Park bei Santa Rosa (USA) neben den Überresten ihres durch einen Waldbrand zerstörten Hauses in Coffey Park bei Santa Rosa/Kalifornien. (Kent Porter / The Press Democrat / AP / dpa)
    Gerät unsere innere Uhr durch die willkürlich festgelegte Zeitumstellung aus dem Takt? "Die bringt uns relativ wenig aus dem Takt", meint Autor und Zeitforscher, Professor Karlheinz Geißler im Dlf. Denn die Bevölkerung sei das gewohnt. Allerdings werde den Menschen diese Umstellung autoritär vorgegeben. "Das plötzlich jemand in unserer Zeit rumfummelt, das bringt uns aus dem Takt", sagt er. Denn eigentlich seien wir es gewohnt, selbst flexibel über Zeit zu bestimmen. "Es regt uns auf, dass das plötzlich der Staat macht."
    Der Mensch sei natürlich auch abhängig von Zeitentscheidungen anderer, aber Arbeitsverhältnisse, Lebensverhältnisse und auch die Ladenöffnungszeiten seien entscheidend flexibler geworden.
    Ein Burn-Out sei eine typische "Zeit-Krankheit"
    Obwohl es in westlichen Zivilisationen noch nie so viel freie Zeit gegeben hat, lenken die vorgestellten Zeiger das Bewusstsein aber auch auf andere Zeitphänomene wie Beschleunigung oder Zeitdruck. "Wir verrechnen Zeit in Geld. Dann müssen wir immer schneller werden, um aus Geld noch mehr Geld zu machen", sagt Geißler. Weil immer mehr Wohlstand gewollt ist, gerate man immer mehr unter Druck. "Dabei kann man Zeit auch mit Natur, Erfahrungen und süßen Dingen verrechnen", schlägt der Autor des Buches "Time is Honey" vor. "Man kann Zeit auch mit mehr Liebe verrechnen."
    Dann sei der Wohlstand zwar nicht so hoch, aber das Wohlergehen in der Zeit würde wachsen. Ein Burn-Out, zum Beispiel, sei nichts anderes als sich in der Zeit verloren haben, sagt er. Das sei eine typische Zeit-Krankheit.
    Zum Müßiggang gehöre eine Umgebung, die Müßiggang für etwas Positives oder Kreatives hält. "Heutzutage haben wir das verlernt", sagt Geißler. "Wir bekommen es immer wieder als Angebot - aber als geldwertes Angebot. Wir müssen heute in den Wellness-Oasen für den Müßiggang bezahlen."