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Zeitreise auf Samoa

In der Nacht vom 29. auf den 30. Dezember hat der Inselstaat einen gewaltigen Sprung über die Datumsgrenze gemacht und ist in eine andere Zeitzone gewechselt. Werner Schreckenberg, ehemaliger Honorarkonsul auf Samoa, erläutert den Sinn dieser ungewöhnlichen Zeitreise.

Werner Schreckenberg im Gespräch mit Anne Raith |
    Anne Raith: Wer heute auf Samoa Geburtstag hat, der ist gewissermaßen gekniffen, denn der Inselstaat im Pazifik hat beschlossen, dass es in diesem Jahr den heutigen Tag, also den 30.12., nicht geben wird. Nach dem 29. kommt dann direkt der 31. Dezember. Bisher war der Inselstaat das letzte Land auf der Erde, in dem die Sonne untergeht, ab heute also gehört Samoa dann zu den Ländern, wo die Sonne als erstes aufgeht. Und auf Samoa erreichen wir den ehemaligen Honorarkonsul Werner Schreckenberg, einen schönen guten Morgen!

    Werner Schreckenberg: Ja, guten Morgen!

    Raith: Was steckt hinter der Entscheidung, einen Tag zu überspringen?

    Schreckenberg: Erst mal muss ich vorausschicken, dass … 1892 waren wir auf der anderen Seite, da hatten wir mehr Handel mit USA und so weiter, also wir sind praktisch knapp 120 Jahre auf dieser Seite der Datumsgrenze gewesen, und das hat der Premierminister auch benutzt und sagte, es ist ja eigentlich nur eine Wiedergutmachung, dass wir da jetzt gehen. Der eigentliche Grund, was er sagt, ist: Unsere Haupthandelspartner sind Neuseeland und Australien, und wenn hier Sonntag ist, also wenn wir zur Kirche gehen, sagt er, dann also sitzen die schon in ihren Büros, und da wollte man jetzt in Zukunft, dass man eine Fünf-Tage-Woche hat.

    Raith: Das heißt, die Samoanische Regierung erhofft sich jetzt erst einmal mehr Handel, mehr wirtschaftliche Beziehungen?

    Schreckenberg: Ja, da wird nicht viel mehr sein und das wird keine große Veränderung geben, aber es wird bestimmte Dinge erleichtern, das stimmt schon.

    Raith: Inwiefern denn?

    Schreckenberg: Ja, dass man eben eine volle Fünf-Tage-Woche hat, während in der Vergangenheit … Neuseeland hatte also schon Sonnabend, während wir hier noch Freitag hatten, man konnte also dann nicht mehr telefonieren, Büros und so weiter. Da wir sehr viele Leute, Samoaner haben, die in Neuseeland und Australien leben und Geld schicken und so weiter, Überweisungen und alles und besuchen und so, sollte das vereinfacht werden.

    Raith: Aber es gibt dann ja jetzt immer noch Amerikanisch-Samoa, das nicht mit Ihnen die Zeitzone wechselt. Wie soll das funktionieren?

    Schreckenberg: Genau, und das ist auch etwas, was auch unsere Touristenleute sagen. Amerikanisch-Samoa ist eine Flugstunde weg, und das ist eine unserer größten Touristengruppen, die kommen, und die haben auch Geld, die haben den Dollar als Währung und stehen irgendwie besser da. Das wird sich ein bisschen ändern. Also wie sich das auf die Dauer auswirkt, muss man sehen. Und jetzt hat also Amerikanisch-Samoa den Ruf, wo die Sonne als letztes untergeht in der Welt. Da sagen unsere Tourismusleute wieder: Jetzt können wir wieder keine Reklame damit machen. Also es sind so ein paar gemischte Gefühle da. Der Premierminister hat auch eben noch gesagt, die Touristen, die aus Neuseeland kommen, die haben öfter die Flüge verpasst, weil die mit dem Unterschied nicht zurechtkamen. Er hat auch gesagt, er hat alle konsultiert – er hat gesagt, vom ersten Tag an, das wird so gemacht, und dann wurde konsultiert.

    Raith: Sie sagen es, er hat es einfach entschlossen, Sie haben auch gesagt, es gibt gemischte Reaktionen. Wie haben denn die Bewohner Samoas auf diese Ansage reagiert, dass nun ein Tag ausfällt?

    Schreckenberg: Vor zwei Jahren hat er uns gesagt: Ihr fahrt jetzt auf der linken Seite. Da waren Riesen-Demonstrationen und Protestaktionen und so weiter. Da hat er aber auch vom ersten Tag an gesagt: Jetzt wird links gefahren, fertig. Und dieses ist gar nicht so durchgekommen. Gut, die Handelskammer auch, ein paar haben gesagt, das ist eigentlich nicht nötig, die mehr mit USA handeln oder so waren auch etwas dagegen, aber im Prinzip ist diese Sache eigentlich schon stärker anerkannt worden. Eine andere Sache ist vielleicht, das ist eine kleinere Sache, die Sieben-Tage-Adventisten-Kirchen, und das ist weltweit, die haben ihren Sonntag am Sonnabend. Die haben sich jetzt hier in Samoa schon gespalten, weil die eine Gruppe sagt, wir machen weiter am Sonnabend, jetzt haben wir Sonntag, und die andere sagt, wir bleiben bei dem alten – also das ist noch ein bisschen durcheinander.

    Raith: Durcheinander, Sie sagen es. Sie haben auch die Entscheidung vor zwei Jahren angesprochen, wo dann von Rechts- auf Linksverkehr umgeschaltet wurde, da haben wir auch damals im Deutschlandfunk mit Ihnen darüber gesprochen. Haben sich die Samoaner denn an diese Entscheidung inzwischen gewöhnt?

    Schreckenberg: Da hat man sich dran gewöhnt. Wir haben jetzt tausende von alten Autos, bis zu 14 Jahre alt, hier rumlaufen, und das hatte damals der neuseeländische Transportminister schon gesagt: Samoa wird zum Autofriedhof von Samoa. Anstatt dass die in Neuseeland entsorgt werden, bringen die samoanischen Familien aufs Schiff und sagen, ihr kriegt ein Auto, und das ist also … Es haben mehr Familien Autos hier, aber das hat der Umwelt nicht gut getan und allem möglichen anderen auch nicht.

    Raith: Der ehemalige Honorarkonsul Werner Schreckenberg auf Samoa im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Der Inselstaat passt sich seinen Handelspartnern an: Nach dem Umschalten von Rechts- auf Linksverkehr vor zwei Jahren überspringt Samoa heute Vormittag deutscher Zeit die Datumsgrenze vom 29. gleich auf den 31. Dezember.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.