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Zeitschrift "Die Literarische Welt"
Kurzer Ruhm

Ob Stefan Zweig, Thomas Mann oder Robert Musil: Sie alle schrieben für die Zeitschrift "Die Literarische Welt". Von einem 34-jährigen Provinzler gegründet, belebte sie acht Jahre lang das deutsche und europäische Geistesleben. Heute vor 90 Jahren erschien die erste Ausgabe.

Von Eva Pfister |
    Der Herausgeber der "Literarischen Welt", Willy Haas, im Jahr 1961, Schwarz-weiß-Bild, auf einem Sessel sitzend
    Der Herausgeber der "Literarischen Welt", Willy Haas, im Jahr 1961 (dpa/picture alliance/Lothar Heidtmann)
    Die Idee stammte von dem Verleger Ernst Rowohlt, das Vorbild war die französische Zeitschrift "Les Nouvelles Littéraires":
    "Eine wöchentliche Literaturzeitung, ausdrücklich als Zeitung, nicht als Zeitschrift aufgemacht, die neben Informationen über moderne Literatur und Kunst auch Interviews mit Schriftstellern über aktuelle Themen, Rundfragen, Essays, Karikaturen und Fotos bringen sollte."
    Und er war der Herausgeber: der 34-jährige Willy Haas aus Prag, der in Berlin bis dahin vor allem als Filmkritiker und Drehbuchautor sein Geld verdiente. Er prägte "Die Literarische Welt", die ab dem 9. Oktober 1925 acht Jahre lang jede Woche das deutsche und europäische Geistesleben reflektierte und belebte. Jahrzehnte später erinnerte sich Willy Haas:
    "Ich war dazu die denkbar ungeeignetste und unerfahrenste Person. Ich war ein Provinzler, aus Prag stammend, der vor allen Größen der damals modernen reichsdeutschen Literatur - von Thomas Mann über Leonhard Frank bis Alfred Döblin und Gottfried Benn - vorerst einen ungeheuren Respekt hatte."
    Entsprechend kritisch wurde das Produkt dieses Außenseiters zu Beginn vom Literaturbetrieb wahrgenommen. Willy Haas jedoch ließ sich nicht beirren:
    "Da mir niemand riet, niemand half, so machte ich die "Literarische Welt" ganz einfach genau so, wie sie mir gefiel."
    Konträre Meinungen prallten aufeinander
    Bald schrieben all die "Größen der Literatur", vor denen er so viel Respekt hatte, für "Die Literarische Welt": Thomas und Heinrich Mann, Stefan Zweig und Robert Musil, Hugo von Hofmannsthal und Walter Benjamin, dessen Essay über Marcel Proust sich über mehrere Nummern erstreckte:
    "Darüber hinaus wünschte ich mir Interviews oder persönliche Bekenntnisse, unveröffentlichtes, charakteristisches Material. Das alles war damals unschwer zu beschaffen. Mein Freund Ivan Goll war mit Joyce befreundet und interviewte ihn für uns."
    Ein anderer Freund trieb in Paris ein unveröffentlichtes Manuskript von Marcel Proust auf, und für den 1924 verstorbenen Franz Kafka gab Haas eine Gedenknummer heraus mit Texten von Max Brod und vielen unveröffentlichten Manuskripten. Gerne ließ Willy Haas in der "Literarischen Welt" auch konträre Meinungen aufeinanderprallen.
    "Zu wichtigen Gedenktagen großer Männer ließ ich nicht einen Mann schreiben, sondern eine ganze Reihe repräsentativer Köpfe. Zu Stefan Georges 50. Geburtstag schrieben zum Beispiel Martin Buber, Walter Benjamin unter anderem begeisterte Artikel. Bert Brecht dagegen einen völlig ablehnenden."
    Sprachrohr für den Rowohlt Verlag
    Oft publizierte "Die Literarische Welt" auch Rundfragen unter den Autoren, zum Beispiel: "Darf der Dichter in seinem Werk Privatpersonen porträtieren?" oder "Entsprechen die 10 Gebote noch den moralischen Bedürfnissen unserer Zeit?" Martin Buber zerbrach sich darüber ebenso den Kopf wie George Bernhard Shaw. Den Zeitumständen entsprechend traten Ende der 20er-Jahre zunehmend politische Themen in den Vordergrund.
    "Da war zum Beispiel eine Nummer, die ganz der Untersuchung der wahren, geistig-politischen Gruppierung der Jugend um 1930 gewidmet war, und an der junge Schriftsteller aller möglichen Schattierungen teilnahmen. Von der äußersten Rechten, die durch Ernst Jünger vertreten war, bis zur äußersten Linken, repräsentiert durch den Kommunisten Johannes R. Becher."
    1930 hatte "Die Literarische Welt" eine Auflage von 20.000 Exemplaren erreicht. Bei aller Vielfalt war sie stets auch ein Sprachrohr für den Rowohlt Verlag, der sie finanzierte. Als im Januar 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen, gab Willy Haas die Leitung ab und emigrierte nach Prag, später nach Indien. Am 17. März 1933 erschien die letzte von ihm verantwortete Ausgabe.
    "Und das war das Ende meiner "Literarischen Welt", obwohl das Blatt, dessen bloßer Anblick mich nun mit Ekel und Verachtung erfüllte, unter fremder Leitung noch eine Zeit lang in Berlin und München weiter erschien."
    1948 kehrte Willy Haas nach Deutschland zurück. Er lebte bis zu seinem Tod 1973 in Hamburg und schrieb hauptsächlich für die Tageszeitung "Die Welt".