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Zeitschriften in der Corona-Krise
Gefragt und doch in der Not

Informationen und journalistische Inhalte sind in der Corona-Krise zwar stark nachgefragt. Doch viele Verlagshäuser geraten jetzt in wirtschaftliche Not - vor allem weil das Anzeigengeschäft einbricht. Der Verband der Deutschen Zeitschriftenverleger zieht eine durchwachsene Bilanz.

Von Michael Meyer |
Etliche Zeitschriften und Magazine liegen in einem Kioskregal aus
Auch die Zeitschriftenbranche spürt die Corona-Krise (imago/ Manfred Segerer)
"Alles gleich, nicht mehr und nicht weniger." - "Schlecht. Ja, also Zeitungen gehen einigermaßen, aber Zeitschriften bis auf vielleicht 'SPIEGEL' und 'ZEIT' gehen schlecht. Die Leute lesen nicht mehr in der Zeit, jedenfalls nicht bei mir." - "Ich lese so wie immer, ist bei mir immer gleich, ich lese zwei Tageszeitungen pro Tag und am Wochenende kommt noch eine dritte hinzu, aber das hat sich aufgrund der Situation jetzt nicht geändert, das ist immer so." - "Das gebe ich durchaus zu, ich lese die Zeitungen intensiver, und nehme mir jetzt mehr Zeit für das Zeitunglesen."
Eine Zufallsumfrage unter Kioskbesitzern und Kunden zeigt: eine Trendwende nach oben scheint es bei den Auflagen der gedruckten Zeitungen und Zeitschriften nicht zu geben. Jedoch ist der Trend nicht einheitlich, ein Kioskbetreiber in einem Westberliner Wohngebiet stellt dann doch fest: "Zur Zeit läuft Tagespresse deutlich besser als sonst. Und Zeitschriften genauso. Aber das hängt damit zusammen, dass der Bahnhof nicht funktioniert. Dass kein Mensch im Bahnhof seine Zeitung kauft, sondern jetzt zu Hause das kauft, da wo er wohnt halt."
Anzeigengeschäft bricht ein
Was die Kioskbesitzer erzählen, deckt sich mit den ersten Daten des Zeitschriftenverlegerverbands, die heute vorgestellt wurden. Die Auflagen gehen, bis auf wenige Ausnahmen bei Nachrichtenmagazinen wie "ZEIT" oder "SPIEGEL", kaum nach oben. Das Problem ist: Vor allem die Werbeeinnahmen brechen den Verlagen weg. Je nach Verlag und Sparte seien laut aktueller Branchenumfrage Rückgänge bis zu 40 Prozent zu verzeichnen. VDZ-Geschäftsführer Stephan Scherzer:
"Wir werden Monate haben, in denen wir über 80 Prozent reden, das ist die Größenordnung, über die wir im Anzeigenbereich reden, und das trifft ja nicht nur unsere Fachzeitschriften und Publikumstitel, sondern auch die Tageszeitungen, die Anzeigenblätter, und natürlich auch die audiovisuellen Medien, und übrigens auch das Digitalgeschäft."
Besonders Zeitschriften wie Stadtmagazine, Sportzeitschriften, Kinomagazine sind schwer getroffen von der Krise. Ebenfalls weggebrochen sind den Verlagen manche Zusatzeinnahmen, wie etwa das Veranstaltungsgeschäft. Der VDZ geht davon aus, dass mindestens die Hälfte der Einnahmen aus den Veranstaltungen in diesem Jahr nicht hereinkommen wird.
Besser sieht es für die Verlage bei den Einnahmen aus den Verkaufserlösen. Zwar sind acht Prozent aller Verkaufsstellen geschlossen, im Bahnhofsbuchhandel ist es sogar jede fünfte, aber dennoch gebe es hier und da Lichtblicke, so Stephan Scherzer: "Es gibt durchaus Buchhandlungen im Bahnhof, die gut frequentiert sind, wo die Leute auch so zum Einkaufen gehen, aber es gibt eben auch die anderen. Betroffen davon ist die gesamte Presse, vor allem aber auch die Special-Interest Titel."
VDZ für "Unterstützung der Medienlogistik"
Viele Zeitschriften mit größeren Auflagen sind nach wie vor auch in den Supermärkten zu bekommen - immerhin. Doch die Krise lässt ein Thema wieder aufkommen, über das schon seit Jahren diskutiert wird und den Verlegern sehr wichtig ist: Staatliche Hilfen für die Zustellungen. Die deutsche Bundesregierung plant seit längerem, die Zustellung von Zeitungen und Anzeigenblättern finanziell zu unterstützen. Auch für den Zeitschriftenbereich hält VDZ-Vizepräsident Philip Welte das Thema "Staatliche Unterstützung der Medienlogistik" für hochaktuell.
"Ich habe gesagt, dass ich für ganz entscheidend halte, dass die Politik sich mit der Post und mit uns an einen Tisch setzt und diesen Teil der Medienlogistik einmal mit uns diskutiert. Wie schaffen wir es, diese hunderte von Millionen von Zustellungen von gedruckten Medien, die über die Post laufen, die auch in Zukunft sicherzustellen, zu wirtschaftlich erträglichen Preisen."
Kurzarbeit in einigen Redaktionen
In ihrer Not setzen eine Reihe von Verlagen auf Kurzarbeit, auch Tageszeitungen wie die "Süddeutsche Zeitung", "der Tagesspiegel" oder "DIE ZEIT". Der VDZ gebe den Verlagen zwar keine Empfehlungen, wie sie Markt agieren sollen, sagt Stephan Scherzer. Aber "das Kurzarbeitsmittel ist ein erprobtes Mittel in Krisen, das wissen wir aus der Lehmann-Krise. Wir liegen bei etwa 17, 18 Prozent der befragten Verlage, die sagen: Wir brauchen gar keine Kurzarbeit, wir sind in spezifischen Segmenten. Und das gilt für die Fachpresse wie für die Publikumstitel. Die anderen 80 Prozent machen das in unterschiedlicher Ausprägung."
Etwa werden Redakteure aus der Sport- oder Kulturredaktion auf Kurzarbeit gesetzt, sofern sie nicht in anderen Bereichen eingesetzt werden. Eine jener Redaktionen, die bislang noch keine Kurzarbeit verhängt hat, ist die "FAZ". Der Vorsitzende Geschäftsführer der "FAZ", Thomas Lindner, meinte in einem Interview des Fachmagazins "HORIZONT": "Es geht uns nicht so schlecht, wir schlagen uns tapfer." Und doch: das Jahr 2020 wird für Zeitschriften und Zeitungsverlage in jedem Fall ein sehr schwieriges werden.