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Zeller: Vorerst wird Berlusconi noch im Parlament bleiben

Silvio Berlusconis Verurteilung wird ihn nicht von der Politik abhalten, sagt Karl Zeller, Fraktionschef der Südtiroler Volkspartei im italienischen Senat. Erst wenn Berlusconi von der Bildfläche verschwunden sei, könne seine Partei einen Nachfolger stellen.

Karl Zeller im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Mit Silvio Berlusconis Einzug in die Politik wurden Körperregionen für das politische Leben erschlossen, die dort bislang – jedenfalls offiziell – nichts zu suchen hatten, Stichwort Bunga, Bunga. Dieser Teil seiner politischen Vita ist für den Cavaliere auch noch nicht zu Ende: Im sogenannten Ruby-Prozess um sexuelle Beziehungen zu minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauch wurde er in erster Instanz schuldig gesprochen; im Herbst erwartet ihn ein Verfahren wegen Bestechung eines Senators. Das Problem dabei: Ministerpräsident Enrico Letta und seine demokratische Partei sind auf die Koalition mit Berlusconis PdL angewiesen. Deshalb wurde das Urteil, das das Kassationsgericht gestern verkündet hat in Rom, mit großer Spannung erwartet, und auch die Antwort des Betroffenen. Tilmann Kleinjung.

    Tilmann Kleinjung berichtete, und in Rom sind wir mit Karl Zeller verbunden, Mitglied des italienischen Senats und dort Fraktionschef der Südtiroler Volkspartei. Guten Morgen!

    Karl Zeller: Guten Morgen!

    Heinemann: Herr Zeller, ist die Ära Berlusconi beendet?

    Zeller: Nein, das glaube ich auf keinen Fall. Berlusconi hat ja bereits erklärt, dass er nicht aufgeben wird und dass er seinen Kampf gegen die Justiz fortsetzen wird, und wir haben ja bereits ein weiteres prominentes Beispiel, das auch ___ [Anm. d. Redaktion:Wort nicht verständlich] Parlaments die italienische Politik stark bestimmt und den Komiker Beppe Grilloder ja die drittstärkste Fraktion sozusagen von außen dirigiert.

    Heinemann: Gerät Italien mit dem gestrigen Urteilsspruch in eine Regierungskrise?

    Zeller: Das ist jetzt zu sehen, ob Berlusconi zu seinem Wort steht, dass seine Justizprobleme nichts mit der Unterstützung der Regierung Letta zu tun haben und ob diese Unterstützung weiterhin da ist. Ich kann mir vorstellen, dass gerade im Herbst doch eine recht spannungsgeladene Situation auftreten wird, da auch der Koalitionspartner Partito Democratico nach diesem Urteil noch nervöser geworden ist und in den Startlöchern bereits der Jungstar Matteo Renzi, der Bürgermeister von Florenz, steht, der unbedingt Neuwahlen möchte, um ans Ruder zu kommen. Also hier, glaube ich, steht uns ein sehr turbulenter Herbst bevor.

    Heinemann: Und daran ändert auch nichts, dass Italien im nächsten Jahr die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen wird?

    Zeller: Das spielt sicher eine Rolle, was den Wahltermin angeht. Da Italien sehr viel Wert auf diese Präsidentschaft legt, ist es sicher so, dass, wenn es zu Neuwahlen kommt, das im Herbst passieren wird oder gleich Anfang des Jahres, sodass Mitte Juni bereits eine neue Regierung dann stehen kann. Ich hoffe, dass das nicht geschieht.
    Ich hoffe, dass das Verantwortungsbewusstsein der politischen Kräfte so weit geht, nicht auf die eigenen Interessen zu schauen, sondern auf die des Landes, und das wäre sicherlich mit der Großen Koalition und der Unterstützung von der Regierung Letta wäre das sicher das Beste für das Land. Aber das ist in Italien nicht immer der Gradmesser.

    Heinemann: Herr Zeller, wenn ich das richtig verstanden habe, wird der Senat, werden Sie darüber abstimmen, ob Berlusconi seinen Sitz im Parlament verliert oder behält. Kann er als verurteilter Steuerstraftäter noch Volksvertreter sein?

    Zeller: Vorerst bleibt er das noch, denn in einem Punkt hat das Höchstgericht die Verurteilung aufgehoben, nämlich was die Nebenstrafen angeht. Das Oberlandesgericht Mailand hatte Berlusconi ja für fünf Jahre von den öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, und hier hat das Kassationsgericht gesagt: nein. Paradoxerweise für Steuerstrafen ist das Höchstausmaß für diese Nebenstrafe, also Ausschluss von öffentlichen Ämtern, nicht fünf Jahre für gewöhnliche Verbrechen, sondern nur drei Jahre. Also in dem Punkt wird das Urteil neu zu formulieren sein und das wird einige Monate dauern. Aber das ist nur eine Schonfrist, und dann kommt es sicher zum großen Crash im Parlament, wo wir ja nicht anders können, als Berlusconi für unwählbar zu erklären und ihn aus dem Senat zu entfernen – was eher eine politische Geste ist, denn im Senat lässt er sich ja nie blicken, er hat ja eine große Missachtung eigentlich gegenüber dem Parlament, er kommt vielleicht dreimal im Jahr und dann auch nur, wenn es eben um irgendwelche persönlichen, strafrechtlichen Dinge Vertrauter oder von ihm selbst geht. Es ist mehr das politische Zeichen, dass hier die Koalition nicht gemeinsam stimmt, sondern ein Teil, auch die Partito Democratico wird sicherlich für den Ausschluss und für die Umsetzung des Urteils stimmen.

    Heinemann: Sind, Herr Zeller, die italienischen Richterinnen und Richter politisch beeinflusst?

    Zeller: In Italien ist es grundsätzlich so, dass die Richterschaft unabhängig ist, es ist ja eine dritte Gewalt, und auch die Staatsanwälte, das ist der Unterschied vielleicht zu Deutschland. Wo überhaupt keine Möglichkeit der Exekutive ist, die Staatsanwaltschaft zu beeinflussen, und hier gibt es schon eben eine gewisse Verpolitisierung. (Leitung unterbrochen)

    Heinemann: Hallo?

    Zeller: Ja, ich höre Sie wieder.

    Heinemann: Wunderbar, wir hatten gerade …

    Zeller: Die Richterschaft ist unabhängig. Das ändert aber nichts daran, dass innerhalb der Gerichtsbarkeit es sehr viele politische Strömungen gibt. Es gibt eine Zentrumsströmung, eine rechte und eine linke Strömung. Und da gibt es vereinzelt schon Fälle, wo Richter eben sehr durch die parteipolitische Brille das Ganze sehen. Aber das ist mehr eigentlich bei den Staatsanwaltschaften so. Das, was Berlusconi sagt, das kann auch in seinem Fall - da glaube ich nicht, dass das alles nur Kommunisten waren, denn die Dinge, die er irgendwie angestellt hat – das kann nicht nur alles Schuld von kommunistischen Richtern sein.

    Heinemann: Herr Zeller, welche Zukunft sehen Sie seiner politischen Partei oder seiner politischen Bewegung oder Richtung voraus? Wird seine Tochter Marina das übernehmen, wird der Innenminister Alfano vielleicht jetzt aufgebaut oder will Berlusconi selber weitermachen?

    Zeller: Berlusconi muss selbst weitermachen. Das ist eine Einmannpartei mehr oder weniger, es gibt ja hier nur ihn, und diese Partei steht und fällt mit Silvio Berlusconi. Er ist die Marke. Das wäre, wie wenn man Nutella verkaufen wollte und den Namen Nutella wegnimmt, dann ist das nunmehr ganz eine gewöhnliche Schokolade.
    Berlusconi, das wissen alle und deswegen erklärt sich daher wirklich auch dieser blinde Gehorsam seiner Leute, sie wissen, nur Berlusconi kann ihnen den Wiedereinzug ins Parlament ermöglichen, und er ist ihr gefeierter Star und es gibt niemanden, der ihm auch nur annähernd das Wasser reichen kann, auch Vizepremier und Innenminister Alfano ist viel zu schwach, um hier in seine Fußstapfen treten zu können. Er würde auch von von den anderen nicht anerkannt. Er ist nur dort, weil Berlusconi das will. Einzig und allein Berlusconi, und in sofern, diese Anomalie in Italien wird sich erst ändern, wenn Berlusconi einmal völlig von der Bildfläche verschwunden ist, und dazu reicht dieses Urteil sicher nicht aus.

    Heinemann: Karl Zeller, der Fraktionschef der Südtiroler Volkspartei im italienischen Senat. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Zeller: Danke Ihnen, auf Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.