Mit voller Wucht steigt Zemlinskys Musik quasi auf dem erotischen Höhepunkt des ehebrecherischen Liebesrausches zwischen Bianca und ihrem weißen Prinzen Guido in das Geschehen der florentinischen Tragödie ein. Jan Philipp Gloger lässt die hoch intensiven Sängerdarsteller Ausrine Stundyte und Nikolai Schukoff in enger Umklammerung über die rotierende weiße Schräge im schwarzen Weltenraum des Amsterdamer Opernhauses rollen. Unten erscheint der betrogene Ehemann, den John Lundgren mit herrlich klangvollem Wotan-Bariton überragend singt und in seiner Undurchsichtigkeit faszinierend verkörpert.
Dieser Mann scheint lieber lukrative Geschäfte mit dem reichen Liebhaber seiner Frau machen zu wollen, als den Nebenbuhler auszuschalten. Harte Schwarzweiß Kontraste, die sich ständig verändernde Dreieckskonstellation der Figuren auf der schwankenden, schwebenden weißen Bühnenraute und der enorme musikalische Sog , den Marc Albrecht mit dem Niederländischen Philharmonischen Orchester aus dem Graben entfaltet, lassen die erste Hälfte des Amsterdamer Doppelabends unter Hochspannung wie im Flug vergehen.
Magnetische Kraft selten gespielter Opern
Und dann offenbart der wieder geöffnete Vorhang einen so krassen Wechsel in Raimund Orfeo Voigts Bühnenbild, dass das Publikum Szenenapplaus spendet: Ein Lichtdurchfluteter hoher Raum mit einem riesigen Gemälde an der Wand: Es zeigt Florenz. Über zwei großen Zimmertüren steht: "Sein Geist ist immer auf dem Markt" und "Sein Herz schlägt nur fürs Geld". Um das geht es hier auch, denn die zahlreiche Verwandtschaft des Verstorbenen Buoso hat gegen alle Erwartungen nicht geerbt. Gloger zeigt die falsche Trauer und die Geldgier dieser Sippe mit feinem Sinn für richtig gute Komik, ohne zu überzeichnen.
Den bekannten Hit der Oper, die Arie der Lauretta, singt Mariangela Sicilia bezaubernd und in einer starken Szene: Der junge Rinuccio bittet den künftigen Schwiegervater Gianni Schicchi, seiner geprellten Familie zu helfen. Der tut das nach ihrer innigen Bitte in dieser Arie - aber wirklich nur ihr zuliebe. Als Testamentsfälscher schlüpft Schicchi in die Betrügerrolle und bei Gloger in denselben goldbestickten Mantel, der bereits in der florentinischen Tragödie als Symbol für die Habgier zu sehen war. Am Ende hat der elegante Raum merklich Schräglage und Schicchi sich einen guten Teil des Erbes selbst unter den Nagel gerissen. Zu seiner finalen Rechtfertigungsansprache vereinen sich alle Solisten auf der wieder frei im schwarzen Raum schwebenden Schräge und tragen goldene Masken. An diesem packenden Doppelabend in Amsterdam beweisen sowohl Regisseur Jan Philipp Gloger als auch Dirigent Marc Albrecht ihre Vielseitigkeit und ein hervorragendes Gespür für die magnetische Kraft dieser beiden selten gespielten Opern.