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Zensur oder Segen?

Kann man mit dem Sperren von Internetseiten die Kinderpornografie effektiv bekämpfen? Ja, meint die schwedische EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström und stellte in Brüssel einen entsprechenden Vorschlag vor, der die EU-weite Einführung sogenannter Internetfilter vorsieht. Kritiker solchen Tuns sprechen bereits von Internetzensur.

Von Agnes Bühring |
    In Schweden ist der Besitz von kinderpornografischen Dateien verboten. Polizei und Internet-Provider arbeiten bereits seit einigen Jahren gemeinsam an einer Sperrliste für Seiten mit kriminellem Inhalt. Björn Sellström ist Leiter der Ermittlungsgruppe gegen Kinderpornografie bei der Stockholmer Kriminalpolizei. Mit seinem Team geht er Hinweisen aus der Bevölkerung nach, schaut sich die entsprechenden Seiten an, prüft, ob es sich um Kinderpornografie handelt:

    "Es gibt drei Kategorien von Bildern. An die Schnappschüsse kann man sich gewöhnen. Bei den Filmen wird es schon unbehaglich, mit Ton geht einem das unter die Haut und ist schwer zu ertragen. Doch wir haben das wichtige Ziel vor Augen: Es geht uns vor allem darum, den Zugriff schwedischer User auf das Material zu erschweren, erst danach geht es um die Strafverfolgung."

    Tauchen Bilder von sexuellen Übergriffen auf, leiten Sellström und seine Kollegen die Web-Adressen an die Provider weiter. Dort werden die Kinderporno-Seiten durch den Eintrag in eine Liste gesperrt. Wer die Seite ansteuert, wird dann auf das Stoppschild umgeleitet. Doch Fahnder Sellström macht sich wenig Illusionen: Nur für technisch unbedarfte Nutzer seien die Dateien nach der Sperrung tatsächlich nicht mehr sichtbar. Für die kriminelle Klientel sei es ein Leichtes, die Filter zu umgehen:

    "Nach unserer Statistik werden täglich 50 000 Anzeigen von Kinderporno-Seiten durch die Web-Sperre verhindert. Solche Zahlen sind immer mit Vorsicht zu genießen. Tatsache ist aber, dass die Produzenten des Materials eine Menge Geld verdienen. Wir tun, was wir können, um die Verbreitung zu verhindern."

    Das ist eine moderne Form der Zensur, wettert der Chef der schwedischen Piratenpartei, Rick Falkvinge. Weil beim schwedischen Modell die Liste der gesperrten Seiten geheim und auch nach der Sperrung keine richterliche Prüfung vorgesehen ist, sieht Falkvinge Grundrechte wie die Informationsfreiheit verletzt:

    "Das ist kein Filter, das ist Zensur. Man kommt nicht an die Täter heran, wenn man ihre Taten verbirgt. Auch den Kindern ist damit nicht geholfen. Eine solche vorauseilende Zensur steht in keinem Verhältnis und ist ein klarer Verstoß gegen die Europakonvention."

    Die Zweifel der Piraten teilen im Ansatz auch schwedische Branchengrößen wie das Telekomunternehmen TeliaSonera. Zwar habe man sich freiwillig der Initiative angeschlossen, um die Kundschaft vor illegalen Inhalten zu schützen. Von Anfang an habe man aber auch die mangelnde Transparenz und die fehlende Rechtssicherheit angemahnt, sagt Konzernsprecher Patrik Hiselius:

    "Es besteht das Risiko, dass der Sperrmechanismus auf andere Bereiche übertragen wird, etwa, wenn man unliebsames Material blockiert haben will. Die Plattenindustrie etwa bat uns etwa vor einiger Zeit, gewisse Seiten zu blockieren, damit dort Musik, die sie auch vertreibt, nicht heruntergeladen werden kann. Das haben wir natürlich nicht gemacht. Wir blockieren Bilder von sexuellen Übergriffen, sonst nichts."

    Ob das schwedische Beispiel ein Vorbild für Europa sein kann, wird sich zeigen. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström rechnet mit einer Entscheidung nicht vor dem nächsten Jahr.