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Zentralafrikanische Republik
Chaos und lynchender Mob

Derzeit flammt die Gewalt in der rohstoffreichen, aber völlig verarmten Zentralafrikanischen Republik erneut auf. Mehr als 7.000 afrikanische und französische Soldaten bekommen die Lage nicht in den Griff. Das Elend wird immer größer.

Von Wim Dohrenbusch |
    Brutale Szenen in Bangui. Mehrere Dutzende Menschen schauen zu, wie ein wütender Mob zwei Muslime lyncht. Die Opfer werden niedergeschlagen und -getreten. Die Angreifer stechen mit Buschmessern auf sie ein. Dann schleifen sie die Toten durch die Straßen und zünden die Leichen mit Autoreifen an.
    "Wir werden weiter machen so lange die Muslime uns angreifen", sagt ein Mann anonym in der Menge.
    Auch am Flughafen von Bangui offenbart sich das konzentrierte Elend. Rund 100.000 Flüchtlinge campieren am Rand der Hauptstadt, in Zelten oder auf Strohmatten unter freiem Himmel. Ihre Lage spottet jeder Beschreibung, sagt Clement Chauvel von der Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen".
    "Die Lebensbedingungen im Camp sind furchtbar. Wasser, Essen und medizinische Versorgung reichen nicht aus. Die Leute brauchen dringend Hilfe zum Überleben."
    Vor den wenigen Wasserstellen bilden sich endlose Schlangen. Die Flüchtlinge kommen mit Kanistern, Flaschen und Schüsseln, in der Hoffnung ein paar Liter zu bekommen.
    "Anfangs funktionierte es noch ganz gut", erzählt eine Frau. "Aber jetzt gibt es immer wieder Engpässe und wir müssen lange warten. Sauberes Wasser gibt's nur hier."
    Die Krankenstation im Flüchtlingslager ist völlig überlaufen. Tessy Fautsch aus Luxemburg hat die medizinische Verantwortung. Für ihre erste Diagnose bleiben oft nur Sekunden.
    "Was ist das Problem", fragt sie die Mutter eines Babys. Der Kleine hat Durchfall, wie viele Kinder hier. Die Ärztin fühlt seine Stirn.
    "Wir schauen nur schnell, wer noch Fieber hat, der kann noch reinkommen. Und all die anderen sollen wenn möglich morgen wiederkommen."
    Die Kinder zeigen erste Anzeichen von Unterernährung. Viele kommen mit Schusswunden oder Verbrennungen. Die "Ärzte ohne Grenzen" sind am Rande ihrer Möglichkeiten, sagt Tessy Fautsch.
    "Für komplizierte Fälle haben wir einfach das Material nicht. Wir sind kein richtiges Krankenhaus. Es ist hier wie ein Zeltlager."
    Jeder Fünfte ist auf der Flucht
    Frieden und Sicherheit haben die knapp fünf Millionen Einwohner der Zentralafrikanischen Republik eigentlich nie gekannt. Doch seit dem letzten Putsch vor einem Jahr eskaliert die Lage. Jeder Fünfte ist auf der Flucht vor den Kämpfen zwischen christlichen und muslimischen Rebellen. Besonders auf dem Land herrscht Chaos, sagt John Ging, der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe.
    "Die Leute sagen, sie haben zwei Möglichkeiten. Entweder sie verstecken sich im Busch und sterben an Hunger und Krankheiten. Oder sie gehen in ihre Dörfer zurück und werden von den Milizen ermordet. Sie haben alles verloren, das Ausmaß der Zerstörung ist unvorstellbar."
    Die Ursachen für die Spirale der Gewalt sind vielschichtig. Es ist nicht nur ein Konflikt zwischen Religionen, sondern auch zwischen verschiedenen Volksgruppen, zwischen Ackerbauern und Viehzüchtern. Ein Verteilungskampf unter Opfern in einem Land ohne rechtsstaatliche Strukturen, aber reich an Bodenschätzen. Beide Seiten meinen, dass ihnen das größere Leid angetan worden sei und sie deshalb Rache üben müssten, sagt der Führer der muslimischen Gemeinschaft, Omar Kobine Layama.
    "Der Konflikt in der Zentralafrikanischen Republik ist nicht religiös. Unsere Gemeinden sind zwischen die Fronten von Milizen und Rebellen geraten, die um die Macht kämpfen. Wir wollen nicht, dass Religion missbraucht wird, um das Land in eine Katastrophe zu führen."
    In der Hauptstadt hat sich die Lage etwas beruhigt, seitdem Catherine Samba-Panza, die frühere Bürgermeisterin von Bangui, im Januar zur Übergangspräsidentin ernannt wurde. Ein Himmelfahrtskommando, wie sie inzwischen wohl erkannt hat.
    "Ich appelliere an die Internationale Gemeinschaft, uns zu unterstützen. Es fehlt an allem. Ich habe nicht einmal eine Verwaltung, weil sich die Beamten die Busfahrt ins Büro nicht leisten können. Helfen sie uns, wenigstens das Nötigste wieder ans Laufen zu bringen."
    Rund 7.000 afrikanische und französische Soldaten waren bisher nicht in der Lage die Konfliktparteien in Schach zu halten.