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Zentralafrikanische Republik
Gewalt zwischen Muslimen und Christen eskaliert

Muslime und Christen in der Zentralafrikanischen Republik bekriegen sich unerbittlich, begehen grausame Verbrechen. Die grassierende Gewalt habe längst den Charakter einer "ethnischen Säuberung", schreibt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in einem Bericht.

Von Bettina Rühl |
    Französische Soldaten in einem gepanzerten Fahrzeug bei einer Patrouille am 26. Dezember 2013 in Bangui in der zentralafrikanischen Republik.
    Zentralafrikanische Republik: Französische Soldaten in einem Panzerfahrzeug patroullieren in der Hauptstadt Bangui. (picture alliance / dpa / ECPAD)
    Bangui, Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik. Aus einem halb zerstörten Haus am Rande einer der wenigen asphaltierten Straßen sind dumpfe Schläge, gelegentlich hellere, metallische Töne zu hören. Plünderer sind gerade dabei, die letzten Bauteile aus dem zerschlagenen Gebäude zu stehlen: Mit ihren Macheten lösen sie die Bodenfliesen heraus, zerschlagen die Dachbalken. Das Haus gehörte einem Muslim, dem ehemaligen Minister Joseph Kalité.
    "Wir hassen die Muslime, deshalb plündern wir ihren Besitz. Die Muslime haben unsere Familien getötet, jetzt rächen wir uns."
    Politiker zu Tode gehackt
    Der junge Mann hat Rasta-Locken und gerötete Augen, er scheint unter Drogen zu stehen. Der Eigentümer des Hauses, Joseph Kalité, wurde vor einer Woche von einer Meute zu Tode gehackt. Eine schaulustige Menge sah johlend zu und applaudierte. Die meisten Toten bleiben für die Öffentlichkeit namenlos, aber dieser Fall machte Schlagzeilen, weil es sich um einen prominenten Politiker handelte.
    Kalité gehörte zur Regierung von Übergangspräsident Michel Djotodia, der sich im März letzten Jahres an die Macht geputscht hatte. Djotodia stand an der Spitze der überwiegend muslimischen Rebellenkoalition "Séléka". Der Putsch beschleunigte den Verfall des seit Jahren kaum noch existenten zentralafrikanischen Staates dramatisch.
    Die muslimischen Rebellen begingen schwere Kriegsverbrechen an der mehrheitlich christlichen Bevölkerung. Die bildete daraufhin ihrerseits bewaffnete Gruppen. Unter dem Namen "Anti-Balaka", "Gegen die Macheten", fanden sich lokale Milizen, Deserteure der Armee und Banditen zusammen, die seither grausame Verbrechen an den Muslimen begehen und immer hemmungsloser plündern. Der Mann mit den Rasta-Locken ist gerne bereit zu erzählen, was er mit seiner Machete sonst noch so vorhat.
    "Wenn ich einen Muslim sehe, hacke ich ihn in Stücke. Und am Ende esse ich ihn. Ich habe kein Mitleid mit Muslimen. Muslime sind dumm."
    Unter den Plünderern sind auch eine Frau und ein Junge. Der sagt, er sei elf Jahre alt. In der Hand hält er eine Axt in Miniaturformat.
    "Die Muslime haben viele Menschen getötet, jetzt müssen wir sie auch töten."
    Plötzlich Aufregung, die ersten Plünderer rennen weg.
    Soldaten der französischen Militärmission "Sangaris" nähern sich mit mehreren Panzern und Militärfahrzeugen. Ein halbes Dutzend schwer bewaffneter Soldaten stürmt in die Ruine.
    Kein kurzer Einsatz für französische Soldaten
    Alltag in Bangui - mit französischem Militär
    Alltag in Bangui - mit französischem Militär (picture-alliance / dpa)
    Frankreichs Präsident François Hollande entsandte die 1.600-köpfige Militärmission "Sangaris" Anfang Dezember in die ehemals französische Kolonie. Der UN-Sicherheitsrat hatte der Mission vorher zugestimmt. Die französischen Soldaten sollen die inzwischen 5.000-köpfige afrikanische Eingreiftruppe MISCA unterstützen und "eine menschliche Katastrophe verhindern", wie Hollande formulierte. Hollande versprach die Entwaffnung der Kämpfer und einen "kurzen Einsatz". Gut zwei Monate später ist klar: Die Hau-Ruck-Befriedung ist gescheitert.
    Stattdessen bekriegen sich nun Muslime und Christen unerbittlich, begehen grausame Verbrechen. Die grassierende Gewalt habe längst den Charakter einer "ethnischen Säuberung", schreibt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in einem Bericht von dieser Woche. Weil die Muslime in der Minderheit sind, sind zurzeit vor allem sie die Opfer. Thierry Virocoulon arbeitet für die "International Crisis Group".
    Gewalt läuft aus dem Ruder
    "Die Struktur der Gewalt hat sich geändert, vor allem in Bangui. Anfangs waren die zur Séléka gehörenden bewaffneten Gruppen das Problem. Sie waren aus dem Nordwesten gekommen, gebärdeten sich in Bangui wie eine Besatzungsarmee und misshandelten die Bevölkerung. Aber jetzt haben wir es immer mehr mit einer Gewalt zwischen den beiden Religionsgruppen zu tun, also zwischen den Muslimen und den Christen. Denn neben der Séléka gibt es inzwischen christliche Milizen, die aus dem Nordwesten in die Hauptstadt kamen und sehr anti-muslimische Propaganda verbreiten. Sie werden hinter den Kulissen von Politikern manipuliert. In Bangui läuft die Gewalt immer mehr aus dem Ruder, ein regelrechter Aufstand gegen die Muslime droht, deren systematische Verfolgung."
    Dass der Hass derzeit mit solcher Wucht explodiert, hat mehrere Gründe. Weil der zentralafrikanische Staat schon lange nicht mehr funktioniert, sind viele Menschen verarmt. Vor allem die Jugend ist ohne Bildung, ohne Arbeit und ohne Zukunft. Viele arbeitslose junge Männer sehen in der Krise ihre Chance, durch geradezu hemmungsloses Plündern endlich an Geld zu kommen. Um freie Hand zu haben, bringen sie die bisherigen Besitzer im Zweifelsfall kurzerhand um. Ein handfestes Feindbild macht so etwas leichter, sagt Thierry Virocoulon.
    "Meiner Ansicht nach wurde das bisher angeblich friedliche Zusammenleben zwischen Muslimen und Christen viel zu positiv beschrieben. Es gab schon lange Ressentiments zwischen beiden Religionsgruppen."
    Explodierender Hass
    Nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung in der Zentralafrikanischen Republik sind Muslime.Dass sie, die in den Städten vor allem als Händler lebten, oft wirtschaftlich erfolgreich waren, schürte Neid und Missgunst. Der von den Séléka-Rebellen im März 2013 gestürzte christliche Präsident François Bozizé goss zusätzlich Öl ins Feuer: In seinen Reden hetzte er gegen die muslimische Minderheit.Bozizé gehört einer der vielen freikirchlichen Glaubensgemeinschaften an, deren Zahl und Einfluss nicht nur in der Zentralafrikanischen Republik zunimmt, sondern in vielen afrikanischen Ländern auch.
    Der gestürzte Präsident floh nach Kamerun und steuert nunvon dort aus einen Teil der christlichen Milizen. Bozizé will die Macht ganz offensichtlich noch einmal an sich reißen. Massive Gewaltausbrüche gibt es auch in den ländlichen Regionen.Die Muslime gehören fast alle zum Volk der Peul und sind Hirten. Die meisten Bauern sind dagegen Christen.
    Rivalität um knappe Ressourcen
    Thierry Virocoulon:
    "Die beiden Gruppen rivalisieren um Weideland, Ackerflächen und Wasser. Diese Rivalität hat in den letzten Jahren zugenommen, weil immer mehr Hirten vor allem aus dem Tschad mit großen Herden hierher kamen. Das liegt am Klimawandel. Viele Hirten sind gezwungen, vor der Trockenheit nach Süden zu fliehen, in die Zentralafrikanische Republik."
    Diese Rivalität um knappe Ressourcen vermischt sich mit der Not in einem Staat, der seiner Bevölkerung schon lange nichts mehr bietet. Dabei hat die Zentralafrikanische Republik viele Bodenschätze, vor allem Diamanten und Uran. Aber die Vorkommen werden aufgrund der chaotischen Zustände nicht gefördert, nur ein paar Diamantenschürfer suchen mit bloßen Händen in den Flüssen ihr Glück.
    Alle, die die gegenwärtige Krise in der Zentralafrikanischen Republik zu beschreiben versuchen, ringen um die richtigen Worte. Auch Abdou Dieng, UN-Koordinator der Hilfsaktionen in der Zentralafrikanischen Republik.
    "Was hier passiert ist schockierend, verstörend und furchtbar. Ich habe ja schon in vielen Krisenregionen gearbeitet, aber die Situation hier empfindet man selbst mit dieser Erfahrung als schlimm. Der Staat existiert nicht mehr, die Verwaltung ist aufgelöst. Die Kinder gehen nicht mehr in die Schule, die Menschen haben nichts zu essen, keinen Zugang zu medizinischer Hilfe und kein sauberes Trinkwasser. Alle Alarmsignale stehen auf Rot."
    Lynchmorde an der Tagesordnung
    Die UN geht von bereits rund 2.000 Toten beider Konfessionen seit Beginn der Krise aus. Und es werden täglich mehr. Der Mob ist entfesselt; in Bangui sind grausame Lynchmorde alltäglich, oft unter dem Applaus der Schaulustigen.
    Szenenwechsel. Im Krankenhaus von Bangui hocken Frauen auf dem Boden vor einfachen Feuerstellen. Sie kochen Reis oder Bohnen - zu mehr reicht das Geld nicht. Die Frauen versorgen ihre Angehörigen, die hier behandelt werden mit Essen, denn eine Krankenhausküche gibt es nicht. - Felix Moek arbeitet hier für die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen".
    "Seit fünf Tagen ungefähr gibt es wieder stetig Patienten und auch relativ viel Gewalt.
    Auch im Krankenhaus hier außen rum, also es passiert relativ häufig in den letzten Tagen, dass wir in so eine Art Schutzraum gehen, immer dann wenn man Schüsse hört bzw. wenn sie zu nahe sind, dann geht man in so eine Art Schutzraum für ein paar Minuten bis man Bescheid bekommt, dass es wieder sicher ist. Und das ist in den letzten fünf Tagen wieder mehr geworden."
    Die Hilfsorganisation hat einen Teil des Krankenhauses übernommen. Die Intensivstation befindet sich im Hauptgebäude, die Kranken liegen in mehreren Zelten. Etwa 60 bis 70 sind es immer, je nach Gefechtslage auchmehr.
    "Also die Verletzungsmuster sind Wahnsinn. Gestern ist ein Patient gekommen, der hatte einen Machetenschlag auf den Nacken bekommen, und da konnte man praktisch bis auf die Wirbelsäule runterschauen, die war auch gebrochen, und einem anderen wurde die Luftröhre aufgeschnitten, da konnte man in die Luftröhre reinschauen. Beide haben glücklicherweise überlebt, aber Wahnsinn. Auch teilweise alte Leute, wo man eigentlich davon ausgehen könnte, das sind mit Sicherheit keine Kämpfer, aber auf die wird trotzdem eingeschlagen. Schwer nachzuvollziehen."
    In den Zelten liegen sie alle zusammen: Christen und Muslime, Milizionäre und Zivilisten.
    "Viele Patienten haben Knochenbrüche oder sind auf jeden Fall nicht mobil, und dementsprechend sind sie auf gegenseitige Hilfe angewiesen. Manche haben Familie, andere aber auch nicht. Und jeden Abend appellieren wir: Bitte helft Euch gegenseitig, hier seid ihr alle Patienten und hier seid ihr alle gleich. Und das funktioniert relativ gut. Die Stimmung ist eigentlich gut, es wird viel gelacht, und das sind eigentlich die nettesten Menschen auf der Welt, so ungefähr."
    Doratien Degon sitzt vor dem Operationssaal und wartet, bis er an der Reihe ist. Sein rechter Arm endet kurz unter dem Schultergelenk, der Stumpf ist dick verbunden. Die Wunde muss noch einmal operiert werden. Der 21-Jährige wurde nicht in Bangui verletzt, sondern in einem der Dörfer:
    "Das waren die Kugeln der Séléka. Das Geschütz war auf ein Fahrzeug montiert. Sie haben auf mich gezielt, als sie an mir vorbeifuhren. Ich rannte vor ihnen weg, aber im Laufen schwang meine Hand, und die haben sie getroffen. Meine Hand war sofort völlig zerfetzt."
    Degon verlor viel Blut. Mit letzter Kraft schleppte er sich zur Krankenstation des Dorfes. Von dort wurde er vom Internationalen Roten Kreuz mit einem Flugzeug nach Bangui evakuiert. Er ist glücklich, dass er überlebt hat. Aber wie er sein anstehendes Abitur bestreiten kann, weiß er noch nicht.
    "Ich bin Rechtshänder, und jetzt kann ich nicht mehr schreiben, und das, da ich doch Schüler bin. Der Unterricht wird bald wieder beginnen. Ganz kurze Texte kann ich auch mit links schreiben, aber keine komplette Abschlussprüfung. Ich weiß nicht, wie das jetzt gehen soll."
    Neben der Sorge um seine Zukunft hat Degon noch ein ganz aktuelles Problem.
    "Wenn wir in der Nacht in den Krankenzelten liegen, haben wir Angst. Man hört ständig Schüsse. Ich habe nicht vor den Patienten Angst, aber vor den Bewaffneten in der Stadt. Sie haben mit niemandem Mitleid. Sie können jeden Moment ins Krankenhaus stürmen, in einem anderen Krankenhaus in der Stadt haben sie das schon gemacht. Sie haben die Angehörigen einiger Patienten an Ort und Stelle getötet! In diesem Land haben wir nicht einmal im Krankenhaus Frieden!"
    Ismaila ist fast genauso alt wie Degon. Ismaila ist Muslim und verdient sein Geld als Händler. Sein linker Arm ist dick bandagiert, er trägt ihn in einer Schlaufe. Auch er wartet auf eine weitere Operation.
    "Ich war am vergangenen Mittwoch in der Stadt, in einem der muslimischen Viertel, und habe meine Waren verkauft. Plötzlich haben uns die Anti-Balaka angegriffen. Die Franzosen sind gekommen und haben die Kämpfer der Anti-Balaka zurückgedrängt. Wir hatten uns hinter den französischen Panzern versteckt, um aus der Schusslinie zu sein. Auf einmal kamen von hinten noch mehr Muslime, und die Franzosen haben angefangen auf uns zu schießen. Einer von uns war sofort tot. Die französischen Militärs haben mit ihrem Geschütz erst auf die anderen Muslime geschossen, dann haben sie ihr Geschütz gedreht und auf mich gezielt. Ich wollte fliehen, aber ehe ich das konnte, traf mich eine Kugel in die Hand."
    Jetzt will Ismaila nur noch weg, die Zentralafrikanische Republik so schnell wie möglich verlassen. Er traut hier niemandem mehr. Seit dem Morgen ist Ismaila in großer Unruhe.
    "Ich habe meine Mutter heute Morgen angerufen und sie hat gesagt, dass sie in ihrem Viertel ständig Schüsse hören. Sie und meine jüngere Schwester halten die Angst nicht mehr aus, sie wollen so schnell wie möglich weg."
    Vor wenigen Minuten war seine Mutter im Krankenhaus und erzählte, der Lkw, mit dem sie in den Tschad fliehen könnten, werde für heute Abend oder morgen früh erwartet. Sie selbst und Ismailas jüngere Schwester würden auf jeden Fall fahren.
    "Ich möchte jetzt unbedingt entlassen werden, noch heute Abend, oder spätestens morgen früh. Ich will nicht, dass meine Familie ohne mich flieht und mich hier alleine zurücklässt."
    Dabei müsste seine Wunde noch einmal operiert werden. Außerdem kann sie sich auf der langen, staubigen Flucht leicht entzünden. Und im Tschad wird Ismaila vermutlich erst einmal keine ärztliche Versorgung erhalten. Doch das alles ist dem jungen Mann egal – er will nur noch weg.
    40.000 Muslime auf der Flucht
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Zentralafrikanische Republik: Flüchtlinge in einer improvisierten Behausung in Bangui, Januar 2014 (picture alliance / dpa)
    Nach Angaben von Hilfsorganisationen konnten in den letzten Wochen rund 30.000 Muslime in den Tschad fliehen, 10.000 weitere nach Kamerun. Die ehemals muslimischen Viertel in der Hauptstadt Bangui sind inzwischen verwaist.
    Das gilt auch für das muslimische Viertel PK5.
    Nur vormittags wird hier noch ein bisschen gehandelt, aber weder Käufer noch Verkäufer sind Muslime: Es sind Christen aus anderen Stadtgebieten, die am Straßenrand einige Waren ausbreiten: Tomaten, Papaya, Bananen. Eier sind schon knapp, denn die kommen aus Kamerun, und viele Lastwagenfahrer trauen sich nicht mehr ins Land. Fleisch ist knapp, weil viele Hirten geflohen sind. Mehl und Zucker sind teuer geworden. Gegen Mittag verschwinden die Händler und Kunden aus den anderen Vierteln.
    Anschließend wirkt das Viertel wie ausgestorben. Leere Marktstände, verlassene Hütten - die meisten Muslime sind aus dem Viertel geflohen, ihre Geschäfte und Häuser wurden geplündert. Nur ein paar von ihnen sind noch geblieben, um ihren letzten Besitz zu bewachen. Brahim Boucho Brahim hat auf seinem Stand noch ein paar Kleinigkeiten ausgebreitet: Bonbons, Kekse, Streichhölzer.
    "Die Situation wird immer schlimmer. Weder die Militärs von der MISCA, noch die Franzosen von der Sangaris tun etwas für uns. Die Französen beschützen nur die Anti-Balaka. Wir sind der Gnade Gottes überlassen."
    Ein paar Meter entfernt, stoppt ein Panzer der afrikanischen Eingreiftruppe MISCA.
    "Die sind nur hier, um einzukaufen, die sind gleich wieder weg. Wir haben die Hoffnung aufgegeben, dass die uns beschützen. Wenn was passiert, stehen die nur daneben und greifen nicht ein. Das gilt auch für die Franzosen. Wir können dieses Viertel hier nicht verlassen, weil die Anti-Balaka überall sind. Sie töten jeden Muslim, den sie sehen. Wir leben hier wie in einem Gefängnis.Und was macht die Internationale Gemeinschaft? Sie guckt nur zu und hofft, dass Frankreich es richtet. Aber Frankreich kämpft auf der Seite der Anti-Balaka."
    Racheschwüre gegen Franzosen
    Die Männer reden alle durcheinander, wiederholen immer wieder denselben Vorwurf: Die Franzosen seien parteiisch, gingen nur gegen die muslimischen Rebellen vor und ließen den Anti-Balaka ihre Waffen. Die Franzosen würden sogar noch Waffen an die christlichen Milizionäre verteilen. Dann drängt sich ein junger Mann mit Spitzbart vor.
    "Wir sind bereit, uns im Namen des Islam in die Luft zu sprengen, um möglichst viele Franzosen mit in den Tod zu nehmen. Weil sie nichts für uns tun, uns nicht beschützen. Ich erkläre Frankreich den Krieg. Und ich appelliere an alle Muslime, einen Jihad gegen die Franzosen zu führen. Wir sind bereit, uns im Namen des Islam zu töten. Und zwar hier in Bangui."
    Ein anderer fuchtelt mit einer blitzenden, nagelneuen Machete durch die Luft - die habe er extra für die Franzosen gekauft, sagt er. Wir schwören "den Franzosen" Rache.
    "Mesdames et messieurs, bonjours! Je suis le General Soriano, je commande la mission Sangaris depuis le 5 decembre... Je commande la mission Sangaris"
    General Francisco Soriano, Oberbefehlshaber der Französischen Militärmission Sangaris, hat die Presse ins französische Hauptquartier am Flughafen von Bangui geladen. Vor dem Zelt dröhnt ein Generator. Zum ersten Mal wendet er sich an die einheimischen Journalisten. Er hat von den Vorwürfen gegen Frankreich gehört und will die Öffentlichkeit beschwichtigen.
    "Die Mission Sangaris ist hier, um für alle Zentralafrikaner ein Minimum an Sicherheit zu schaffen. Und ich kann ihnen versichern, dass wir schon Mitglieder der unterschiedlichsten Gruppen entwaffnet haben. Wir haben viele Kriegswaffen beschlagnahmt, aber auch einfache Jagdgewehre und 4.000 Stichwaffen, also Macheten und Messer. Jeder weiß, dass die Anti-Balaka vor allem diese Waffen benutzen. Außerdem haben wir auch einige hundert Jagdgewehre beschlagnahmt. Sie werden wohl verstehen, dass wir in einer Stadt wie Bangui nicht in allen Gassen präsent sein können. Und dass wir nicht hinter jedes Haus einen Soldaten stellen können."
    Das aber wäre, nach Lage der Dinge, derzeit nötig. Nun soll eine 600köpfige EU-Mission die 1.600 französischen und rund 5.000 afrikanischen Blauhelme verstärken. Ein Tropfen auf den heißen Stein. Übergangspräsidentin Samba-Panza hat die Vereinten Nationen deshalb um die Entsendung von mindestens 10.000 Blauhelmen gebeten. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon erklärte schon vor Monaten, er halte eine große und robuste UN-Mission für nötig.