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Zentralafrikanische Republik
Zunehmende Spannungen zwischen Christen und Muslimen

Spätestens seit März ist die humanitäre Katastrophe offenbar: In der Zentralafrikanischen Republik jagte die Rebellentruppe Seleka den ebenfalls an die Macht geputschten Präsidenten außer Landes. Es kam zu Plünderungen und Mordanschlägen. Doch der Konflikt hat noch eine religiöse Dimension erhalten.

Von Antje Diekhans |
    Behelfsmäßige Zelte ziehen sich um die Kirche von Bossangoa. Planen wurden über Stöcke gespannt. Zwischen Bäumen haben Frauen eine Kochstelle eingerichtet. Etwa 40 Tausend Menschen haben sich in den vergangenen Tagen in die kleine Stadt geflüchtet. Viele konnten gerade noch ihr Leben retten, als Milizen ihre Dörfer überfielen.
    "Die Seleka-Kämpfer haben mein Haus geplündert, erzählt eine Frau. Sie haben meinen Mann und mein Kind getötet. Ich bin jetzt seit knapp zwei Wochen hier.“
    Die Seleka gibt es eigentlich gar nicht mehr. Anfang des Jahres hatte der Zusammenschluss mehrerer Rebellengruppen die Macht in der Zentralafrikanischen Republik übernommen. Anführer Michel Djotodia erklärte sich zum Präsidenten. Doch seitdem ist die Allianz auseinandergebrochen. Geblieben sind die muslimischen Kämpfer, die jetzt die christliche Bevölkerung terrorisieren. Viele von ihnen sollen aus den Nachbarländern Tschad und Sudan kommen.
    "Das ist ein Söldnerheer, das auf Mördern besteht, sagt ein Lehrer in Bossangoa. Sie bringen Frauen, Kinder und Männer um. Sie denken, jeder wäre Anti-Balaka.“
    So wiederum nennen sich die christlichen Dorfbewohner. Sie bewaffnen sich, um ihrerseits gegen Muslime vorzugehen. In einem Ort auf dem Weg von Bossangoa zur Hauptstadt haben sich die Farmer alte Gewehre umgehängt. Sie patrouillieren in kleinen Gruppen.
    "Wir schützen unsere Dörfer, sagt einer der Männer. Wenn die Seleka-Kämpfer kommen, unsere Häuser ausrauben und unsere Familien vertreiben wollen, schlagen wir zurück. Ich habe dreimal die Seleka angegriffen. Wir haben sogar ihren Laster verbrannt.“
    Auch vor diesen Auseinandersetzungen sind schon viele geflüchtet. Sie campieren in anderen Lagern. Durch Bossangoa zieht sich eine Trennlinie zwischen den Religionen. Wer sie überschreitet, riskiert sein Leben. Auf der muslimischen Seite berichten die Flüchtlinge genau wie im christlichen Teil von schrecklichen Erfahrungen.
    "Sie haben Muslime getötet und Moscheen zerstört, klagt ein Mann. Die Anti-Balaka haben sogar unser Brot mitgenommen und uns nichts gelassen. Ein Muslim kann sich nicht mehr sicher bewegen.“
    Beide Seiten rüsten offenbar weiter auf. Es gibt Berichte, dass auf offener Straße Macheten verteilt werden. Der französische Außenminister Laurent Fabius warnte, die Zentralafrikanische Republik bewege sich auf einen Völkermord hin. Die frühere Kolonialmacht will ein paar Hundert zusätzliche Soldaten in das Krisenland schicken. Bisher sichern rund 450 Kräfte den Flughafen in der Hauptstadt Bangui.
    "Wir warten noch eine Resolution der Vereinten Nationen ab, sagte Fabius. Die sollte in der kommenden Woche fallen. Sobald wir die Zustimmung der internationalen Gemeinschaft und der zuständigen Stellen in der Zentralafrikanischen Republik haben, werden wir unseren Einsatz verstärken.“
    Neben den Franzosen versuchen bisher etwa 2.500 afrikanische Soldaten, die Region zu stabilisieren. Doch die Truppe kann kaum etwas ausrichten in dem Land, das etwa doppelt so groß wie Deutschland ist. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon hat die Entsendung von Blauhelmen in Aussicht gestellt. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen könnte die Krise ohne rasches Eingreifen unkontrollierbar werden.
    "Die Sicherheitslage ist katastrophal, erklärte der stellvertretende UN-Generalsekretär Jan Eliasson. Die Bevölkerung leidet in einem Ausmaß, das wir uns kaum vorstellen können. Kinder werden zu Soldaten gemacht und die sexuelle Gewalt nimmt zu."
    Insgesamt sollen etwa 400 Tausend Menschen auf der Flucht sein. Viele verstecken sich im Busch. Hilfsorganisationen befürchten, dass sich hier schnell Krankheiten ausbreiten.
    "Die Menschen haben keinen Schutz – nicht vor dem Regen und nicht vor Moskitos, sagt ein Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen. Es gibt kein sauberes Wasser und nicht genug zu essen. Zu vielen Regionen haben wir gar keinen direkten Zugang. Wir können nur vermuten, dass es den Menschen sehr schlecht geht und dass viele sterben.“
    In Bouca, nicht weit von Bossangoa, drängen sich die Flüchtlinge bei strömendem Regen unter dem Vordach einer Schule. Auch die paar Habseligkeiten, die ihnen geblieben sind, versuchen sie hier in Sicherheit zu bringen. Die Zentralafrikanische Republik hat seit ihrer Unabhängigkeit von Frankreich schon viele Staatsstreiche erlebt. Die Menschen sind es fast gewohnt, dass Milizen sie terrorisieren und die reichhaltigen Bodenschätze wie Gold, Diamanten und Uran plündern. Doch diesmal wird der Konflikt nicht nur von der Gier befeuert. Ein Händler sagt, jetzt gehe es vor allem darum, Christen und Muslime gegeneinander aufzuhetzen.
    "Diese Verbrecher, die unser Dorf angegriffen haben, wollten nichts anderes. Sie wollen die Gemeinschaften zerstören und die Menschen in den Krieg treiben. Bisher haben Christen und Muslime friedlich in unserem Land zusammengelebt. Wir sind gemeinsam aufgewachsen und zur Schule gegangen. Soll uns das nun auseinander bringen?"