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Zentralrat der Juden über Ruhrtriennale-Intendantin
"Wir würden es begrüßen, wenn Frau Carp abgelöst würde"

Der Start der Ruhrtriennale wird überschattet von einer Antisemitismus-Debatte. Abraham Lehrer vom Zentralrat der Juden hat nun die Absetzung von Intendantin Stefanie Carp gefordert. Die Absage von NRW-Ministerpräsident Laschet für das Festival habe sie sich selber eingebrockt, sagte Lehrer im Dlf.

Peter Sawicki im Gespräch mit Abraham Lehrer |
    Abraham Lehrer, Vizepraesident des Zentralrats der Juden in Deutschland, "Gemeinsam fuer gelebte Demokratie" - Kongress der Allianz fuer Weltoffenheit im Maternushaus Koeln, 04.05.2017 Â | Verwendung weltweit
    Fordert Konsequenzen im Ruhrtriennale-Streit: Abraham Lehrer vom Zentralrat der Juden (SVEN SIMON / picture alliance)
    Peter Sawicki: Es kommt bestimmt nicht häufig vor, dass ein Kunstfestival von so scharfen politischen Debatten verfolgt wird, noch bevor es überhaupt losgegangen ist. Im Fall der Ruhrtriennale ist das jetzt so. Sie startet heute in Duisburg, und nicht mit dabei ist Ministerpräsident Armin Laschet. Er hat seinen Besuch abgesagt, weil, so die Begründung, die Intendantin Stefanie Carp ursprünglich eine israelkritische Band aus Schottland eingeladen hatte. Daran stören sich auch die jüdischen Verbände in Nordrhein-Westfalen. Und sie kritisieren außerdem, dass eine Podiumsdiskussion zum Thema "Freiheit der Künste" Mitte August zu unausgewogen besetzt ist. Über diese gesamte Thematik haben wir vor der Sendung mit Abraham Lehrer gesprochen. Er ist im Vorstand der Synagogengemeinde in Köln. Die erste Frage an ihn war, ob er Herrn Laschet dankbar ist.
    Abraham Lehrer: Wir sind Herrn Ministerpräsidenten Laschet sehr dankbar, dass er diese Entscheidung, die er uns schon vor einiger Zeit angekündigt hat, auch tatsächlich umgesetzt hat und seine Präsenz auf der Ruhrtriennale auf null zurückgefahren hat. Es tut mir irgendwo leid um die Ruhrtriennale. Es tut mir nicht leid für die Intendantin, die das Ganze sich, glaube ich, selber eingebrockt hat. Bei einem ganz anderen Umgehen mit diesem Thema, glaube ich, wäre das alles nicht passiert, hätte man das alles viel schöner lösen können.
    Sawicki: Lassen wir uns auf Frau Carp gleich hier zu sprechen kommen. War es aber trotzdem notwendig von Seiten des Ministerpräsidenten, den Auftakt des Festivals so zu politisieren?
    Lehrer: Ich glaube ja, ich glaube, dass das der richtige Schritt ist, es ist ein ganz deutliches Signal. Die Landesregierung NRW unter seiner Führung sagt ganz klar, BDS-Organisationen werden von der Landesregierung nicht unterstützt, nicht geduldet. Und auch Einrichtungen oder Dinge, die unter der Regie fast der Landesregierung stehen, sollten sich an die Vorgaben der Landesregierung halten, auch wenn die Ruhrtriennale mit einem Partner organisiert wird, auch wenn die Ruhrtriennale eine Intendantin hat, die unabhängig von der Landesregierung agiert.
    Sawicki: Ja, aber diese Unabhängigkeit wird doch damit infrage gestellt.
    "Man hätte Schaden von der Ruhrtriennale abwenden können"
    Lehrer: Natürlich wird sie damit infrage gestellt, aber ich sage noch einmal: Wenn die Intendantin sich das etwas anders überlegt hätte, etwas anders eingestielt hätte, hätte man viel Schaden von der Ruhrtriennale abwenden können. Es ist halt so: Wenn wir ein Unternehmen haben, wie heißt es so schön, derjenige, der bezahlt, der legt die Regeln im Normalfall auch fest, die Grundregeln, und wenn die Frau Carp sich an diese Grundregeln nicht halten mag, muss sie in Kauf nehmen, dass der Ministerpräsident, dass die Landesregierung so reagiert.
    Sawicki: Lassen Sie uns das nochmal einordnen. Also es geht ja um eine schottische Band, die der BDS-Bewegung, die Sie gerade erwähnt haben, nahesteht. Übersetzt heißt das: Boykott, Desinvestition, Sanktionen - und richtet sich gegen die israelische Regierung, und dieser Bewegung steht die Band nahe. Trotzdem sagt auch Frau Carp, diese Band ist schon bei anderen Festivals aufgetreten, da hat sich niemand darüber aufgeregt. Und sie ist auch nicht damit aufgefallen, bislang antisemitische Texte zu veröffentlichen. Also wird da nicht auch mit zweierlei Maß gemessen?
    Lehrer: Nein. Es geht darum, dass BDS mittlerweile in Deutschland eine Organisation ist, die von der Mehrheit der Öffentlichkeit der Gesellschaft abgelehnt wird. Und ich wiederhole nochmal: Ich glaube, es ist an Frau Carp selber, sich den Spiegel vor die Nase zu halten und zu sagen: Wenn ich als nordrhein-westfälische Kultureinrichtung mit so einem gestandenen Namen auf einmal einen Paradigmenwechsel, was BDS angeht, vornehme, dann muss ich damit rechnen, dass ich Gegenwind bekomme. Dann muss ich damit rechnen, dass es auch Kritik an ihrer Person gibt, dann muss ich auch damit rechnen, dass der Ministerpräsident Konsequenzen zieht.
    Kritik an Podiumsdiskussion mit BDS-Unterstützern
    Sawicki: Und was hätte Frau Carp dann konkret anders machen sollen?
    Lehrer: Nachdem die Geschichte mit dem Einladen, Ausladen, Einladen erledigt war, jetzt nun auf Schabat, auf einem Samstag eine Podiumsdiskussion anzusetzen, wo die jüdische Gemeinschaft zum großen Teil, sofern sie ein bisschen traditionell oder religiös ausgerichtet ist, nicht teilnehmen kann, weil es halt der Schabat ist, weil Frau Carp eine Podiumsdiskussion in völliger Unausgewogenheit ansetzt … also auf dem Podium von ihr vorgesehen sind Vertreter, BDS-Befürworter, die überhaupt keinen Hehl daraus machen, dass sie BDS unterstützen und dass sie, wie Sie selber mit Ihren Worten anfangs gesagt haben, BDS ist Kritik an der israelischen Regierung, das war es vielleicht anfangs mal, aber mittlerweile ist das eine Ablehnung auf breiter Front des Staates Israel, und es ist eine Ablehnung seiner Bewohner, und es trifft auch seine Bewohner. Und da kann die jüdische Gemeinschaft in NRW oder in ganz Deutschland, kann die nicht schweigen, und deswegen haben sie auch dazu aufgerufen, die Podiumsdiskussion quasi zu boykottieren.
    Sawicki: Aber Frau Carp sagt ja selber, sie hatte den Botschafter Israels in Deutschland und den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Herrn Schuster, ja eingeladen, und die haben abgesagt. Und wenn Sie jetzt sagen, Sie haben aufgerufen, das Ganze zu boykottieren, entziehen Sie sich damit aber nicht auch einer offenen, einer kritischen Diskussion?
    Lehrer: Nein, wir sind ja zu der Diskussion prinzipiell bereit.
    Sawicki: Wenn Sie das boykottieren, sind Sie es ja offenbar nicht.
    Lehrer: Wir nehmen grundsätzlich am Schabat, am Samstag keine Termine, keine Aktivitäten wahr. Der Zentralrat der Juden, dessen Vizepräsident ich bin, ist eine Einheitsorganisation aller Ausrichtungen, Ausprägungen jüdischen Lebens in Deutschland. Und mit Respekt auf unsere religiösen, sehr traditionellen Juden ist es so: Am Schabat werden keine Termine wahrgenommen. Das hat die Frau Carp vom Präsidenten des Zentralrats mitgeteilt bekommen. Sie hätte schon längst den Termin für diese Podiumsdiskussion verändern können. Das, sage ich mal, erscheint mir so, als ob sie das gar nicht will, weil dann müsste sie nämlich auch anfangen, die Besetzung des Podiums nochmal zu überdenken oder zu verändern, und so kann sie bei dem bleiben, wirklich wie sie es geplant hat. Es ist ein völlig unausgewogenes Podium zugunsten der BDS-Unterstützer.
    Zentralrat fordert Bestandsaufnahme - und Carps Ablösung
    Sawicki: Ja, aber wir können ja jetzt natürlich auch nicht Frau Carp befragen, ob das überhaupt möglich gewesen wäre, tatsächlich den Termin dann kurzfristig zu verändern. Aber es stellt sich ja trotzdem auch die Frage, Herr Lehrer, bei allem Respekt vor Ihren Bräuchen, vor Ihren Traditionen, ob das dann nicht auch ein bisschen zu penibel ist, wenn Sie sagen, dass Sie grundsätzlich an einem solchen Termin nicht zur Verfügung stehen oder Vertreter Ihrer Gemeinden.
    Lehrer: Also die Anfrage an den Zentralrat, an den Präsidenten des Zentralrats, ist schon einige Wochen her. Und die Antwort ist relativ zeitnah erfolgt, und da hätte Frau Carp ohne Probleme drauf reagieren können und die Podiumsdiskussion verlegen können. Das hat sie nicht gemacht. Da kann ich nur draus schließen, sie wollte es nicht machen.
    Sawicki: Fordern Sie jetzt Frau Carps Absetzung?
    Lehrer: Ich glaube, dass es an der Zeit ist, dass die Aufsichtsgremien, die die Ruhrtriennale finanzieren und beaufsichtigen, dass die sich nach Abschluss der Ruhrtriennale zusammensetzen und eine Bestandsaufnahme machen von all dem, was die Frau Carp, ich sage mal: in meinen Augen verbockt hat, und wir würden es begrüßen, wenn sie abgelöst würde.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.