Der Berliner Schauspieler Alfred Balthoff trat fast nur in Nebenrollen auf - im Film, auf der Bühne und war doch unvergesslich – ein kleiner Herr mit zerknittertem Gesicht, mit Falten, die ein Schicksal gezogen hatte und mit Augen, die viel Leid gesehen hatten. Der jüdische Schauspieler Alfred Balthoff musste sich im Dritten Reich Alfred Berliner nennen. Da er nicht fliehen konnte und nicht fliehen wollte, versteckte er sich nach der Auflösung des jüdischen Kulturbundes vier Jahre lang in Berlin.
Das Wunder des Überlebens muss es gewesen sein, das ihm die Kraft gab, nach dem Krieg eine Karriere zu beginnen, der er nur seine Stimme, nicht aber seine Gestalt lieh. Er wurde einer der bekanntesten Synchronsprecher Deutschlands. Don Camillo – also den Schauspieler Fernandel – sprach er genauso wie den hinterhältig-verschlagenen Edward G. Robinson oder auch Charles Chaplin.
Alfred Balthoffs Leben und Schicksal ist in dem Buch "Zwischen Bühne und Baracke" von Kay Weniger nachgezeichnet, das jene Theater-, Film- und Musikkünstler nennt, die nicht während des Dritten Reiches emigrieren konnten, sondern in Deutschland blieben und mit dem Terror eines Regimes leben mussten, das keinen Widerspruch duldete.
Außerdem Schauspieler wie Ernst Busch, Werner Finck, Erwin Geschonnek, Friedrich Joloff, Henny Porten, Günther Lüders; Autoren wie Axel Eggebrecht, Erich Kästner, Ephraim Kishon; Regisseure wie Falk Harnack, Imo Moskowicz oder Wolfgang Langhoff - um einige derjenigen zu nennen, denen es gelang, nach dem Krieg eine zweite, eine neue Karriere zu beginnen.
Dieses Lexikon kann nur mit immer wieder neuem Erschrecken gelesen werden. Denn es nennt nicht nur die Schikanen, Verurteilungen und Verfolgungen, denen Künstler im Dritten Reich ausgesetzt waren, es nennt auch die Namen jener, die von den Nazis getötet wurden. Der Drehbuchautor Kurt Alexander kam 1943 im KZ um, der Komiker Kurt Gerron starb 1944 im Lager Auschwitz, der Schauspieler Ernst Arndt überlebte das Lager Treblinka nicht, die Sängerin Dora Gerson starb in Auschwitz.
500 Biografien über zerbrochene und ausgelöschte Künstlerleben, ruinierte Karrieren, zugrunde gerichtete Existenzen – dieses Lexikon benennt schonungslos, was einige Künstler im Dritten Reich erdulden und ertragen mussten. Und als wäre es nicht schon genug, findet sich im letzten Kapitel die Biografie eines Walter Zerlett-Olfenius, der den Regisseur Herbert Selpin 1941 denunzierte, weil der angeblich am Endsieg gezweifelt hatte. Selpin wurde noch im gleichen Jahr umgebracht. Der Denunziant selber lebte jedoch bis 1975 in Füssen.
Der Autor dieses Lexikons, Kay Weniger, hat mit kühlem Sachverstand die biografischen Details auch von Künstlern zusammengetragen, die uns heute nicht mehr geläufig sind. Und so widerfährt auch Menschen eine späte Gerechtigkeit, über deren Namen und Leistungen sich langsam die Patina des Vergessens legt. Doch genau gegen dieses Vergessen stemmt sich dieses Buch.
Allerdings enthält es auch Biografien, die nur noch einmal zusammenfassen, was allgemein bekannt ist. Den Lebensläufen des Filmproduzenten Arthur Brauner, der Schauspielerin Inge Meysel oder des Regisseurs Roman Polanski fügt das Buch nichts Neues hinzu. Und manchmal fragt sich der Leser, wie wohl ein Eintrag wie der von Veruschka von Lehndorff zustande gekommen ist, die 1939 geboren wurde und bei Kriegsende gerade sechs Jahre alt war.
Bei all dem massiven Terror, den das Regime auf Einzelpersonen ausübte, kommt auch die Frage auf, wie es denn eigentlich jene Künstler gehalten haben, die von den Nazis hofiert wurden, die im Dritten Reich reüssierten. Gilt es denn noch, dass die Lebensläufe eines Heinz Rühmann oder Hans Albers unberührbar sind?
Eine der ergreifendsten Biografien dieses Buches gehört der Intendantin und Schauspielerin Ida Ehre. Die jüdische Künstlerin lebte im Dritten Reich in ständiger Furcht, wurde denunziert, eingesperrt und überlebte. So war es eine Geste, als der Bundestag Ida Ehre zum 50. Jahrestag des Pogroms der Reichskristallnacht im November 1988 bat, aus der Todesfuge von Paul Celan zu lesen.
Kay Weniger: Zwischen Bühne und Baracke. Lexikon der verfolgten Theater-, Film- und Musikkünstler 1933 - 1945
Metropol Verlag, 447 Seiten, 28,00 Euro
Das Wunder des Überlebens muss es gewesen sein, das ihm die Kraft gab, nach dem Krieg eine Karriere zu beginnen, der er nur seine Stimme, nicht aber seine Gestalt lieh. Er wurde einer der bekanntesten Synchronsprecher Deutschlands. Don Camillo – also den Schauspieler Fernandel – sprach er genauso wie den hinterhältig-verschlagenen Edward G. Robinson oder auch Charles Chaplin.
Alfred Balthoffs Leben und Schicksal ist in dem Buch "Zwischen Bühne und Baracke" von Kay Weniger nachgezeichnet, das jene Theater-, Film- und Musikkünstler nennt, die nicht während des Dritten Reiches emigrieren konnten, sondern in Deutschland blieben und mit dem Terror eines Regimes leben mussten, das keinen Widerspruch duldete.
Außerdem Schauspieler wie Ernst Busch, Werner Finck, Erwin Geschonnek, Friedrich Joloff, Henny Porten, Günther Lüders; Autoren wie Axel Eggebrecht, Erich Kästner, Ephraim Kishon; Regisseure wie Falk Harnack, Imo Moskowicz oder Wolfgang Langhoff - um einige derjenigen zu nennen, denen es gelang, nach dem Krieg eine zweite, eine neue Karriere zu beginnen.
Dieses Lexikon kann nur mit immer wieder neuem Erschrecken gelesen werden. Denn es nennt nicht nur die Schikanen, Verurteilungen und Verfolgungen, denen Künstler im Dritten Reich ausgesetzt waren, es nennt auch die Namen jener, die von den Nazis getötet wurden. Der Drehbuchautor Kurt Alexander kam 1943 im KZ um, der Komiker Kurt Gerron starb 1944 im Lager Auschwitz, der Schauspieler Ernst Arndt überlebte das Lager Treblinka nicht, die Sängerin Dora Gerson starb in Auschwitz.
500 Biografien über zerbrochene und ausgelöschte Künstlerleben, ruinierte Karrieren, zugrunde gerichtete Existenzen – dieses Lexikon benennt schonungslos, was einige Künstler im Dritten Reich erdulden und ertragen mussten. Und als wäre es nicht schon genug, findet sich im letzten Kapitel die Biografie eines Walter Zerlett-Olfenius, der den Regisseur Herbert Selpin 1941 denunzierte, weil der angeblich am Endsieg gezweifelt hatte. Selpin wurde noch im gleichen Jahr umgebracht. Der Denunziant selber lebte jedoch bis 1975 in Füssen.
Der Autor dieses Lexikons, Kay Weniger, hat mit kühlem Sachverstand die biografischen Details auch von Künstlern zusammengetragen, die uns heute nicht mehr geläufig sind. Und so widerfährt auch Menschen eine späte Gerechtigkeit, über deren Namen und Leistungen sich langsam die Patina des Vergessens legt. Doch genau gegen dieses Vergessen stemmt sich dieses Buch.
Allerdings enthält es auch Biografien, die nur noch einmal zusammenfassen, was allgemein bekannt ist. Den Lebensläufen des Filmproduzenten Arthur Brauner, der Schauspielerin Inge Meysel oder des Regisseurs Roman Polanski fügt das Buch nichts Neues hinzu. Und manchmal fragt sich der Leser, wie wohl ein Eintrag wie der von Veruschka von Lehndorff zustande gekommen ist, die 1939 geboren wurde und bei Kriegsende gerade sechs Jahre alt war.
Bei all dem massiven Terror, den das Regime auf Einzelpersonen ausübte, kommt auch die Frage auf, wie es denn eigentlich jene Künstler gehalten haben, die von den Nazis hofiert wurden, die im Dritten Reich reüssierten. Gilt es denn noch, dass die Lebensläufe eines Heinz Rühmann oder Hans Albers unberührbar sind?
Eine der ergreifendsten Biografien dieses Buches gehört der Intendantin und Schauspielerin Ida Ehre. Die jüdische Künstlerin lebte im Dritten Reich in ständiger Furcht, wurde denunziert, eingesperrt und überlebte. So war es eine Geste, als der Bundestag Ida Ehre zum 50. Jahrestag des Pogroms der Reichskristallnacht im November 1988 bat, aus der Todesfuge von Paul Celan zu lesen.
Kay Weniger: Zwischen Bühne und Baracke. Lexikon der verfolgten Theater-, Film- und Musikkünstler 1933 - 1945
Metropol Verlag, 447 Seiten, 28,00 Euro