"Hier haben wir heute Geschichte geschrieben", rief ein freudestrahlender Luigi Di Maio in der Nacht nach dem 4. März 2018 vor jubelnden Anhängern. Nicht einmal zwei Jahre ist es her, dass seine Fünf-Sterne-Bewegung in der Parlamentswahl triumphierte. Heute zerbröselt die einst stärkste Protestpartei Europas. Für Schlagzeilen sorgen nicht mehr Erfolge, sondern interne Richtungskämpfe. Senator Gianluigi Paragone wurde Anfang des Jahres wegen abweichenden Stimmverhaltens aus der Partei ausgeschlossen - und attackierte anschließend in einer öffentlichen Schlammschlacht Parteichef Luigi Di Maio. Gianluigi Paragone:
"Diese Nullnummern werfen mich raus. Es war die Stärke der Fünf-Sterne-Bewegung gegen Ungerechtigkeiten im Land zu sein. Das verteidige ich noch immer. Und wenn ihr Nullnummern Angst habt, dann haut doch Ihr ab!"
Der Fall Gianluigi Paragone macht deutlich, dass Fünf-Sterne-Chef und Außenminister Luigi Di Maio seine Partei immer weniger im Griff hat. Der ausgeschlossene Senator erhielt trotz seines verbalen Amoklaufs Unterstützung von einem Teil des Parteiestablishments. Alessandro Di Battista, neben Luigi Di Maio prominentester Fünf-Sterne-Politiker, ließ per Facebook wissen, seiner Ansicht nach stehe Gianluigi Paragone, der Di-Maio-Kritiker, für die Werte der Partei.
Die Protestbewegung im parteiinternen Guerilla-Kampf
Die interne Atmosphäre der Protestpartei - sie erinnert an einen Guerilla-Kampf. Viele an der Basis halten der Parteiführung vor, sie würde in der Regierung zu viele Kompromisse machen. Luigi Di Maios politische Lebensversicherung ist bislang Beppe Grillo. Der Parteigründer, immer noch der entscheidende Mann im Hintergrund, hält die schützende Hand über seinen politischen Zögling. Luigi Di Maio selbst gibt sich zäh und kämpferisch:
"Es gibt Momente, da habe ich es satt, dass irgendwer im Hintergrund rumschlendert und dann plötzlich nach vorne kommt - aber nicht um mit Dir zu kämpfen, sondern um dir ein Messer in den Rücken zu stechen. Wer aber glaubt, ich könne der Fünf-Sterne-Bewegung überdrüssig werden, der hat sich geirrt."
Proportional zu den sinkenden Umfragewerten steigt die Nervosität innerhalb der Partei und die Unzufriedenheit mit Luigi Di Maio. Auch weil Luigi Di Maio als Außenminister - Markenzeichen: mangelnde Englischkenntnisse - bislang keine gute Figur abgibt. Zwei G20-Treffen hat Luigi Di Maio geschwänzt, war stattdessen unter anderem auf Wahlkampfterminen in Italien unterwegs. Bei den Versuchen, die derzeitige Libyen-Krise zu lösen, blieb Italien, auch wegen seines schwachen Außenministers, überwiegend in einer Zuschauerrolle.
16 Parlamentarier haben die Fünf-Sterne-Bewegung verlassen
16 Parlamentarier haben die Fünf-Sterne-Bewegung mittlerweile verlassen, weitere Abgänge könnten im Senat die Mehrheit für die Regierung gefährden. Der ehemalige Bildungsminister Lorenzo Fioramonti, kurz vor Silvester aus der Fünf-Sterne-Bewegung ausgetreten, hat die Vereinigung Eco gegründet. Diese soll sich, so Fioramontis Wunsch, im Parlament parteiübergreifend für Ökologie und nachhaltiges Wirtschaften engagieren:
"Diese Themen fehlen heute in Italien, während sie in anderen europäischen Ländern eine große Rolle spielen. Ich würde mich freuen, wenn es durch die kulturelle Vereinigung Eco gelingt, Parlamentarier anderer Parteien dazu zu bringen, sich in ihren Fraktionen für eine Agenda einzusetzen, die fortschrittlich, ökologisch, wirklich modern ist."
In italienischen Medien wird darüber spekuliert, Eco könne über kurz oder lang eine Partei und damit zum Sammelbecken enttäuschter Fünf-Sterne-Anhänger werden. Umweltschützer Lorenzo Fioramonti, der unter anderem in Deutschland studiert hat, dementiert dies. Den Fünf Sternen hatte er sich ursprünglich angeschlossen, sagt er, weil diese für das Thema Ökologie und ökologisches Wirtschaften standen. Lorenzo Fioramonti:
"Leider sind viele dieser Werte mit der Zeit verloren gegangen. Ich glaube, das hat mit dazu beigetragen, dass die Zustimmung für die Fünf-Sterne-Bewegung zurückgegangen ist."
In der Parlamentswahl 2018 erreichte die Fünf-Sterne-Bewegung knapp 33 Prozent der Stimmen. Derzeit liegt die Partei in Umfragen bei nur noch rund 15 Prozent.