In den Hochwassergebieten zum Beispiel in Rheinland-Pfalz sind nicht nur zahlreiche Wohnhäuser von Wasser und Schlamm zerstört worden, betroffen sind auch Schulgebäude. Um sich ein erstes Bild von der Lage zu machen, hat sich Kultusministerin Stefanie Hubig mit Schulleitungen aus dem Kreis Ahrweiler getroffen.
Das persönliche Leid bei den Schulleiterinnen und Schulleitern sei groß, berichtet sie. "Es geht wirklich auch um die Frage, wer hat überlebt, finde ich die Vermissten, Angehörigen, Freundinnen und Freunde, und auch die Frage, wie geht es unseren Schülerinnen und Schülern", sagte sie im Dlf. Etliche Schulgebäude seien zerstört, eine Schulleiterin habe berichtet, dass durch das Gebäude ein sieben Meter tiefer Strom geflossen sei.
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Das komplette Interview im Wortlaut:
Regina Brinkmann: Frau Hubig, wie haben Sie den Austausch erlebt, welche Fragen oder Sorgen haben die Schulleitungen mitgebracht?
Stefanie Hubig: Das war ein Austausch, wie man ihn natürlich noch nie erlebt hat. Es war sehr erschütternd, eine Teilnehmerin brachte es, glaub ich, damit sehr gut auf den Punkt: "Das Elend ist sehr groß." Die Menschen, die Schulleiterinnen und Schulleiter, die gekommen sind, haben viele Sorgen und zwar auch viele Sorgen und Nöte in ihrem privaten Bereich. Eine Schulleiterin hat ihr Haus verloren, die Kollegen sind zum Teil bis zu einem Drittel vom Hochwasser betroffen.
Das heißt, es geht wirklich auch um die Frage, wer hat überlebt, finde ich die Vermissten, Angehörigen, Freundinnen und Freunde, und auch die Frage, wie geht es unseren Schülerinnen und Schülern. Das ist die menschliche Dimension, die die Schulleiterinnen und Schulleiter ungeheuer, ja, beschäftigt. Gleichzeitig haben wir natürlich dann auch über die Situation der Schulen gesprochen, wie der Grad der Zerstörung ist und wie wir dann auch gemeinsam nach guten, flexiblen, unbürokratischen Lösungen für das neue Schuljahr suchen können. Sechs Wochen Ferien hören sich immer lang an, aber in dieser Zeit sind fünf oder sechs Wochen am Ende eine sehr kurze Zeit, um solche Gebäude irgendwie wiederherstellen zu können.
14 Schulen nach den Ferien nicht mehr nutzbar
Brinkmann: Was wissen Sie denn inzwischen über den Zustand der Schulen in dieser Hochwasserregion Ihres Bundeslandes?
Hubig: Wir haben im Kreis Bad Neuenahr-Ahrweiler 14 Schulen, die durch das Hochwasser so in Mitleidenschaft gezogen worden sind, dass sie zum Schuljahresbeginn garantiert nicht als Schulgebäude funktionieren können. Als ich mich mit den Schulleiterinnen und Schulleitern unterhalten habe, das war ja Anfang der Woche, war zum Teil noch gar nicht klar, die Statikerinnen und Statiker waren noch nicht da, die Schulen hatten Betretungsverbote, sodass der genaue Zustand der Schulen im Moment erhoben wird.
Eine Schulleiterin berichtete, das quasi durch das komplette Schulgebäude, das Schulgelände ein sieben Meter tiefer Strom geflossen ist. Ich glaube, da kann man sich ungefähr vorstellen, was am Ende dann übrig ist. Ein Gebäude, eine Förderschule, die einstöckig ist, die eben keinen einzigen Raum mehr hat, in dem das Wasser nicht quasi bis zur Decke gestanden ist – und das mit einer enormen Geschwindigkeit und einer enormen Kraft, die durch diese Räume geflossen ist. Also, da wird eben jetzt erhoben, wie geht es überhaupt weiter, aber klar ist, die werden nicht zum Schuljahresbeginn wiederhergestellt sein diese 14 Schulen.
"Es gab Aufrufe, sich zu melden"
Brinkmann: Das heißt, Sie planen mit Ausweichquartieren?
Hubig: Ja, wir haben gemeinsam einfach auch einen Austausch gemacht, um zu gucken, was sind überhaupt Alternativen. In so einer Situation möchte natürlich die Schulgemeinschaft auch gerne zusammenbleiben, das ist klar, aber wir müssen gleichzeitig auch gucken, wie wir Alternativen finden, die auch der fehlenden Infrastruktur gerecht werden. Straßen sind weg, es sind Brücken weggerissen, die Bahn hat gesagt, dass sie erst in zwei Jahren die Schienen wieder alle komplett wiederherstellen können.
Das heißt, es wird auch enorme Beeinträchtigungen im öffentlichen Personennahverkehr geben, auch noch auf längere Zeit, sodass wir eben da einfach überlegen müssen, wie wir auch mit Blick auf das unterschiedliche Alter, wir haben ja von den Grundschulkindern bis zu den Berufsschülern wirklich alle Altersgruppen, alle Richtungen dabei, wie wir da gute, flexible und auch passgenaue individuelle Lösungen finden.
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Brinkmann: Jetzt sind ja gerade Ferien in Rheinland-Pfalz. Gibt es irgendeinen Austausch, einen Kontakt auch zu den Schülerinnen und Schülern, sie haben eben auch viel von den Schicksalen der Lehrkräfte gesprochen, gibt es einen Austausch zum Beispiel zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern?
Hubig: Ja. Allen Schulleiterinnen und Schulleitern war unglaublich wichtig zu hören, wie es den Schülerinnen und Schülern geht, also nicht nur dem Kollegium, sondern auch zu hören, sind alle in Sicherheit, gibt es Verluste, gibt es schwierige Situationen. Und die haben, obwohl die Telekommunikation ja quasi phasenweise ganz zerstört war, es aber geschafft, mit vielen Schülerinnen und Schülern Kontakt zu haben.
Es gab Aufrufe auf den Homepages, sich zu melden. Und die meisten haben auch davon Gebrauch gemacht. Aber man muss einfach auch sehen, manche sind im Moment auch abgeschnitten. Die Kontakte sind gesucht worden und haben auch vielfältig stattgefunden. Das war erkennbar allen auch ganz wichtig, zu hören, wie es den Menschen geht.
Schulpsychologe bietet Unterstützung per Hotline
Brinkmann: Wie wollen Sie denn jetzt als Kultusministerin langfristig und auch erst mal kurzfristig betroffenen Kindern und Jugendlichen helfen, die ja möglicherweise auch traumatisiert aus den Schulferien, aus den sogenannten, zurückkommen?
Hubig: Ja, wir sind mit der Schulaufsicht, die da auch wirklich sehr eng von Anfang an schon ab Freitag, nachdem sozusagen die Katastrophe unmittelbar stattgefunden hatte, schon an den Schulen dran. Wir sind natürlich einmal mit Blick auf die Frage Gebäude, was Sie gerade schon angesprochen hatten, wo können wir Schülerinnen und Schüler vielleicht auch in anderen Schulen unterbringen. Und das ist auch ein Punkt, der von allen erwähnt worden ist, die Hilfsbereitschaft und die Solidarität ist unglaublich groß, die hilft auch jetzt in dieser Situation.
So können wir Schulen im Umkreis sozusagen mit Schülerinnen und Schülern versorgen, aber die Frage wird auch sein, was ist mit der Ausstattung, was ist mit Lehrmaterialien. Da sind über Jahre hinweg tolle Sachen erarbeitet worden, die sind alle weg. Die Daten, die Computer mit den Daten sind komplett lahmgelegt. Das eine ist die Infrastruktur, aber das andere, und das ist mindestens genauso wichtig, das ist auch ganz deutlich geworden in dem Gespräch, ist natürlich die Frage, wie geht es Kindern, Jugendlichen, aber auch den Lehrerinnen und Lehrern, den Menschen, die in der Schule arbeiten, den Eltern.
Viele haben ihre Habe, ihr Haus und Hof, ihre Wohnung verloren, viele haben auch persönliche Verluste erlitten, Angehörige, die ums Leben gekommen sind, die immer noch vermisst werden. Und viele haben Dinge gesehen, die sie nicht sehen sollten, und dabei schreckliches Leid erlebt. Und wir haben jetzt schon eine Hotline eingerichtet seit letzter Woche, die psychosoziale Unterstützung den Opfern, den Beteiligten, den Betroffenen gibt. Dort kann man sich hinsetzen, unsere Schulpsychologie ist auch mit in diese Hotline eingeschaltet, hat sich auch unmittelbar an die Schulen und an die Kitas, die übrigens auch in gleichem Maße betroffen sind, schon gewendet, ist Ansprechpartner.
Und wir organisieren einfach zusätzliche Hilfe auch zum neuen Schuljahr, wenn die Gemeinschaft wieder zusammenkommt, um auch dort zu unterstützen. Und ich bin auch schon mit einzelnen meiner Kolleginnen aus anderen Bundesländern im Gespräch, ich habe auch hier Angebote und Solidaritätsbekundungen bekommen, über die wir sehr dankbar sind und die wir auch sehr gerne annehmen werden.
Querdenker-Angebot der Kinderbetreuung wurde unterbunden
Brinkmann: Nun haben Sie eben Hilfsbereitschaft angesprochen. Manchmal kommt die aber auch von falscher Seite, wenn man es mal so formulieren will. Da gab es ja diesen Fall in einer Grundschule in Bad Neuenahr/Ahrweiler, in der Menschen aus der Querdenker-Szene oder sehr nahe der Querdenker-Szene Kinder betreut haben. Wie wollen Sie solche zwielichtigen Betreuungsangebote auf Dauer verhindern, beziehungsweise auch den Menschen helfen, dass sie da die Spreu vom Weizen trennen können?
Hubig: Zunächst einmal sind da Polizei, Schulträger, Bürgermeister, auch das Innenministerium natürlich vor Ort genau dran. Die haben die Situation sehr schnell und auch sehr eng begleitet. Im Bereich der Kinderbetreuung gibt es ganz klare Regeln: Kinderbetreuung kann nur dann stattfinden, wenn sie vom Landesjugendamt entsprechend auch genehmigt ist, wenn es Fachkräfte sind, die diese Kinderbetreuung einrichten.
In so einer Zeit müssen wir natürlich auch gucken, wir haben auch rund zehn Kitas, die komplett zerstört sind, wie schaffen wir es, Kinder unterzubringen in einer Notbetreuung. Das macht bei uns das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung. Die sind unglaublich aktiv und rührig mit den Trägern, mit den Betroffenen, mit den Eltern zusammen vor Ort gewesen, um alternative Angebote schnell zu installieren. Das sind dann aber eben auch Angebote mit Fachkräften, mit der entsprechenden Erlaubnisbehörde, wie das technisch, juristisch heißt.
Das Angebot, das dort gemacht worden ist, entspricht diesen Voraussetzungen überhaupt nicht und ist deshalb gestern dann auch vom Präsidenten des Landesamtes entsprechend unterbunden worden. Es gibt dafür aber auch alternative Betreuungsangebote, weil Eltern natürlich jetzt dringend auch Kinderbetreuung brauchen in dieser schwierigen Situation.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.