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Zerstörung des Regenwaldes
Die Folgen der Amazonas-Brände

Die Zahl der Feuer im Regenwald des Amazonas steigt seit Monaten. Sie zerstören ein einzigartiges Ökosystem. Doch die Folgen dieser Feuer reichen noch weiter: Sie gefährden auch Wälder, die bislang intakt geblieben sind - und könnten überdies zu Trockenheit in den Nachbarländern führen.

Von Monika Seynsche |
Das Foto zeigt verbrannte Bäume und verbrannte Erde.
Die Waldbrände hinterlassen verkohlte Landschaften wie hier in der Nähe von Novo Progresso im brasilianischen Bundesstaat Para (picture alliance / Joao Laet )
Im Amazonasbecken hat sich über Jahrmillionen hinweg ein einzigartiges Ökosystem entwickelt. Mohrenkaimane, Baumsteigerfrösche und Anakondas durchstreifen den undurchdringlichen Regenwald, der sich von Flusswäldern über Palmsümpfe bis in die Bergwälder zieht. Eines aber ist hier natürlicherweise nahezu unbekannt. Das sind Feuer.
"Wenn Feuer im Regenwald aufflammen, können sie dort tagelang wüten. Das Ökosystem am Amazonas kennt keine natürlichen Feuer, wie etwa die Wälder des Mittelmeerraums, in denen Feuer immer wieder auftreten und die Pflanzen daran gewöhnt sind. Am Amazonas verursacht jedes Feuer deshalb eine extrem hohe Mortalität. Bis zu 50 Prozent der Bäume sterben. Das hat natürlich Auswirkungen auf die biologische Vielfalt. Nach einem Feuer fehlt die Hälfte der Arten, die in einem ungestörten Wald auftreten. Und solche Wälder können durch die hohe Baumsterblichkeit auch wesentlich weniger Kohlendioxid speichern."
Die Ökologin Erika Berenguer untersucht an der Universität von Oxford die Auswirkungen von Feuern und Abholzungen auf das Ökosystem des Amazonasregenwalds.
Auffüllen der Kohlenstoffspeicher dauert ein Jahrhundert
"Nach einem Brand erholt sich der Regenwald nur sehr, sehr langsam. Wir haben Studien, die zeigen, dass ein Wald hier selbst 30 Jahre nach einem Feuer noch 25 Prozent weniger Kohlendioxid speichert als ein Wald, der nie gebrannt hat. Unserer Schätzung nach wird es etwa ein Jahrhundert dauern, bis die Kohlenstoffspeicher wieder vollständig aufgefüllt sind. Und das auch nur, wenn keine Bäume mehr gefällt werden und keine weiteren Feuer auftreten. Also im besten aller Szenarien. Was die biologische Vielfalt angeht, könnte die Erholung sogar noch deutlich länger dauern. Die Auswirkungen von Feuern sind also wirklich sehr ernst."
Zumal das beste aller Szenarien unter der aktuellen brasilianischen Regierung sehr unwahrscheinlich ist. Die Zahl der Abholzungen und der damit fast immer in Zusammenhang stehenden Feuer ist in den vergangenen Monaten extrem angestiegen – nachdem sie seit fast zehn Jahren rückläufig war. Genau das beunruhigt Niklas Boers vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, der sich mit der Rolle des Regenwaldes für den Wasserhaushalt beschäftigt.
"Ein Großteil des Regens im westlichen Amazonas und auch in den Teilen weiter südlich des Kontinents stammt aus Evapotranspiration der Bäume des Amazonas. Wir reden da von einer Feuchtigkeitskaskade oder Feuchtigkeitsrecycling und andererseits ist es so, dass der Regen und die Konvektion über dem Amazonas die Winde verstärken, die die Feuchtigkeit vom Atlantik ins tropische und dann weiterhin ins subtropische Südamerika bringen. Das ist so ein selbst verstärkendes Feedback."
Kurzschluss der Feuchtigkeitskaskade
Diese Selbstbewässerung funktioniert allerdings nur, solange genug Feuchtigkeit vom Amazonasregenwald in die Atmosphäre aufsteigt. Verschwindet zuviel Wald durch Feuer oder Abholzungen, könnte es zu einem Kurzschluss der Feuchtigkeitskaskade kommen. Denn Weideland und Sojafelder geben deutlich weniger Feuchtigkeit zurück in die Atmosphäre als der Regenwald.
"Und das führt dann zu einem Tipping Point, den wir unter aktuellen klimatischen Bedingungen bei 40 Prozent Abholzung erwarten. Wir sind ungefähr bei 20 Prozent schon angekommen, also noch 20 Prozent mehr und dann erwarten wir diesen Tipping Point, wodurch wir eine abrupte Verringerung des Niederschlags haben durch den Zusammenbruch dieses selbstverstärkenden Feedbacks."
Das hätte gravierende Auswirkungen. Zum einen auf den Regenwald selbst. Denn auch dort, wo er noch intakt bliebe, würde er deutlich weniger Regen bekommen und langsam aber sicher absterben. Eine Savannenlandschaft wäre die Folge, sowie Trockenheit in großen Teilen Boliviens, Chiles und Argentiniens. Und das ist noch nicht alles. Der Punkt, ab dem all diese Entwicklungen einsetzen, könnte schon deutlich näher sein, als bislang befürchtet. Denn ein weiterer Faktor spielt in das System hinein.
"Wahrscheinlich knapp vor dem Tipping Point"
"Wir haben eben auch noch den Klimawandel. Und durch den Klimawandel erwarten wir eine Veränderung der Niederschlagsmuster, eine Verlängerung der Trockenzeit, und ein höheres Risiko lange anhaltender Dürreperioden. Das heisst, wir schieben das System allein durch den Klimawandel schon in einen kritischeren Bereich, und wenn man das jetzt kombiniert mit der Abholzung und den Waldbränden, dann muss man diese Position dieses Tipping Points, wo ich gerade 40 Prozent gesagt hab`, muss man wahrscheinlich eher so Richtung 20 bis 25 Prozent schieben und da sind wir eben jetzt schon dran. Also da sind wir jetzt wahrscheinlich knapp vor dem Tipping Point."
Die richtige Zeit zum Handeln wäre also jetzt.