Das Dresdner Uniklinikum, Samstagnachmittag. Auf einem LKW sind Lautsprecher aufgebaut, Hungrige versorgen sich mit Linsensuppe. Einige hundert Menschen haben sich zusammengefunden zum "Mahngang Täterspuren", der seit einigen Jahren rund um den Jahrestag der Bombardierung Dresdens 1945 stattfindet. "Macht-Bildung-Propaganda" lautet das Motto in diesem Jahr. Es geht darum, Dresdner Orte anzusteuern, an denen NS-Verbrechen stattgefunden haben oder die für das Erstarken des Nationalsozialismus stehen. Wie auch am Uniklinikum:
"Auf dem Gelände der medizinischen Akademie befand sich das Reichsmutterhaus der NS-Schwesternschaft."
Verlesen werden die Texte von Schauspielern wie Anna-Katharina Muck vom Staatsschauspiel Dresden.
"Die Folgen dieser Ausbildung zeigten sich vor allem bei den Aufgabenbereichen der Schwestern. Pflegepersonal war an den Krankenmorden der Euthanasie beteiligt. Sie unterstützten die organisatorischen Abläufe, die Begleitung der Patienten bis hin zur Gaskammer sowie den Mord durch Nahrungsentzug und Medikamente. Ebenso wurden die Schwestern im Konzentrationslager Ravensbrück eingesetzt in Lazaretts, und als Gemeindeschwestern."
"Die Zeit vor 1945 wird ausgeblendet"
"Dresden war weder unschuldig noch eine reine Kunst- und Kulturstadt", sagt Franziska Fehst vom Bündnis "Dresden Nazifrei", das jährlich den Mahngang organisiert.
"Auch an der Uni beispielsweise wurde Rassenpropaganda durchgeführt, 'entartete Kunst' sozusagen verboten. Es war hier eine Kaderschmiede, das wird gerne verdrängt. Das wurde jahrelang verdrängt, man hat sich darauf bezogen, um die Stadt zu trauern und versucht, damit die Geschichte der Stadt ein bisschen auszulöschen. Die Zeit vor 1945 wird ausgeblendet, und das versuchen wir mit diesem Mahngang Jahr für Jahr zu brechen."
Weil kurzfristig Neonazis eine Demonstration in Dresden angemeldet haben, entscheiden die Teilnehmer, es für den seit Wochen geplanten Mahngang bei der ersten Station zu belassen. Stattdessen macht sich der Zug auf, um sich der rechten Demo entgegenzustellen. Die treffen sich an einem S-Bahnhof einige Kilometer außerhalb des Stadtzentrums.
An mehreren Stellen haben sich Gegendemonstranten aufgestellt, versuchen teilweise die Straße zu blockieren. Begleitet werden die Demonstrierenden an dieser Straßenkreuzung von Rechtsanwalt Jürgen Kasek, der auch Landesvorsitzender der Grünen ist:
"Es gibt ein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, es gab eine Reihe von jungen Leuten, die haben das in Anspruch genommen. Das Bundesverfassungsgericht sagt, dass auch sitzende Demonstrationen vom Grundrecht der Meinungs- oder Versammlungsfreiheit gedeckt sein können. Und dann ist das okay, weil es ja auch tatsächlich den Menschen darum geht, direkt deutlich zu machen, dass Nazi-Aufmärsche in Dresden und anderswo nicht willkommen sind."
Linke: "Größere Gefahr geht von der AfD aus"
Die Polizei geleitet die Neonazis vorbei an den sitzenden Demonstrierenden. Beobachtet auch vom Oppositionsführer im sächsischen Landtag, Rico Gebhardt von der Linkspartei. Die Zeit der großen Neonazi-Aufmärsche in Dresden sei zum Glück vorbei, sagt Gebhardt.
"Also ich glaube, dass im Moment, auch wenn es scheinbar anders ist, von der NPD nicht die große Gefahr ausgeht, sondern eher von der AfD. Weil sie so eine Kultur in die Gesellschaft reingebracht hat, die sagt, war ja alles gar nicht so schlecht, und man muss ja auch mal vergessen können. Ich glaube, bestimmte Dinge in der Geschichte sollte man nicht vergessen und dazu gehört, dass die Deutschen den Zweiten Weltkrieg angezettelt haben. Also von der Seite her geht kulturell die größere Gefahr von der AfD aus."
Zur Menschenkette werden 10.000 Teilnehmer erwartet
Die führt zum selben Zeitpunkt eine Kundgebung in der Dresdner Innenstadt durch, die sich gegen Drogenkriminalität richtet. Am 13. Februar plant sie eine eigene Kranzniederlegung. Aus der gemeinsamen Arbeitsgruppe von Parteien und Zivilgesellschaft zum 13. Februar hat sich die Dresdner AfD verabschiedet. Er deute das als Signal, sagte Oberbürgermeister Dirk Hilbert, FDP, bei der Vorstellung des Programms zum 13. Februar:
"Wir wollen nicht, dass das Gedenken an den 13. Februar, an die Zerstörung unserer Stadt missbraucht wird, Umdeutungsversuche gibt und auch man aus dem Erinnern versucht zu löschen, von welchem Boden ist der Krieg ausgegangen, welches Leid ist über andere Völker gekommen und ist dann auch auf deutschen Boden zurückgekommen und auch bei uns viele Zivilisten getroffen."
Hilbert und seine Stellvertreter werden am 13. Februar an unterschiedlichen Gedenkorten in Dresden Kränze niederlegen, um an die Opfer von Krieg und Gewalt zu erinnern. Gegen 18 Uhr werden sich die Dresdner zur Menschenkette über die Elbbrücken aufstellen, dabei werden über 10.000 Teilnehmer erwartet. Die Gedenkfeiern zum 13. Februar klingen mit Andachten und Konzerten aus.