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Zetsche: Es gibt keine realistische Alternative zu Euro und Europa

Die Krise an den Finanzmärkten sei auch auf mangelndes Vertrauen zurückzuführen, sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche. Nun bedürfe es eines Signals der Politik, denn beliebig lange könne eine starke Verunsicherung der Märkte nicht parallel zu einer voll funktionsfähigen Realwirtschaft existieren.

Dieter Zetsche im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 18.09.2011
    Jörg Münchenberg: Herr Zetsche, wir sind hier auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt, man hört es auch im Hintergrund an der Akustik. Die Branche hier feiert sich wieder selbst, wie eigentlich alle zwei Jahre, muss man sagen. Die Krise ist vorbei, das Produkt Auto wird gigantisch inszeniert. Gleichzeitig aber toben auf den Finanzmärkten derzeit ziemlich heftige Stürme, ein Ende der Schuldenkrise ist nicht in Sicht. Die Wachstumsprognosen für die deutsche Wirtschaft sind auch schon teilweise leicht nach unten korrigiert worden. Wie geht das zusammen – auf der einen Seite hier demonstrative Zuversicht, auf der anderen Seite zunehmende Verunsicherung?

    Dieter Zetsche: Ich glaube, das passt sehr gut zusammen. Die Krise, die wir in den Finanzmärkten sehen, ist nicht nur auf die faktischen Probleme, die hohe Verschuldungsrate, zurückzuführen. Sondern gerade und insbesondere auch auf mangelndes Vertrauen. Insofern, da wir de facto in der Industrie bisher überhaupt keine Anzeichen von einer Kaufzurückhaltung spüren, sondern wir als Mercedes beispielsweise hervorragende Nachfragen nach unseren Autos weltweit, bin ich nicht bereit, mich in eine Krise hineinreden zu lassen, die heute nicht existiert. Wir können im Gegenteil durch ein realistisches Signal des Vertrauens einen Beitrag dazu leisten, dass auch in den Finanzmärkten Vertrauen wieder gebildet wird. Aber wir können natürlich nur einen Beitrag dazu leisten, denn das Hauptsignal muss natürlich von der Politik ausgehen. Wir brauchen eine klare Richtung, wo Europa hinsteuern soll, und dann gemäß dieser Richtung entsprechende Schritte, die das auch möglich machen. Und das ist unser Wunsch an die Politik, denn klar ist natürlich auch: Beliebig lange kann eine solche starke Verunsicherung der Finanzmärkte nicht parallel zu einer voll funktionsfähigen Realwirtschaft existieren.

    Münchenberg: Wie bewerten Sie denn angesichts der anhaltenden Turbulenzen, muss man sagen, angesichts dieser Dauerkrise jetzt rund um Griechenland – also wie bewerten Sie da das Krisenmanagement der Bundesregierung?

    Zetsche: Nun, ich weiß nicht, ob es meine Aufgabe ist, Noten zu verteilen, ich glaube nein. Tatsächlich habe ich wie alle, und das wird die Politik nicht anders sehen, feststellen müssen, dass es bisher nicht gelungen ist, das Vertrauen den Finanzmärkten zurückzugeben, dass die Aufgaben, die gestellt sind, im ausreichenden Zeitraum und im ausreichenden Umfang bewältigt werden.

    Münchenberg: Ich will trotzdem noch mal fragen: CDU, CSU und FDP streiten sich derzeit wie die Kesselflicker – um es mal zugespitzt zu formulieren. Der Wirtschaftsminister selbst befeuert im Augenblick eher die Diskussion um einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone. Ist das nicht ziemlich verantwortungslos angesichts der Nervosität, die ja trotzdem greifbar ist?

    Zetsche: Wir leben natürlich – zum Glück – in demokratisch verfassten Staaten, in denen auch die Meinungsbildung ein demokratischer Prozess ist, der sich auch aus unterschiedlichen Positionen dann herausbildet. Gleichzeitig ist natürlich genau so wahr, dass am Ende das Kapital wie das scheue Reh ist. Und ich über eine sehr begrenzte Zeitstrecke in unterschiedlichen Szenarien fröhlich spekulieren darf und dann eben eine klare Indikation geben muss, wo es hingehen soll. Und, wie ich vorhin gesagt habe, diese Zeit ist schon sehr angespannt, die Geduld ist auch schon sehr strapaziert, und wir brauchen jetzt sehr schnell diese klare Richtung. Und da sind immer neuerliche Einwände und Vorschläge ganz sicherlich nicht vorteilhaft.

    Münchenberg: Die europäischen Automärkte, Herr Zetsche, gelten gemeinhin als gesättigt. Die boomenden Märkte sind jetzt eher in Asien, vor allen Dingen natürlich in China – da kommen wir gleich drauf zu sprechen. Aber zunächst: Wie wichtig ist die Euro-Zone, wie wichtig ist damit auch der Euro für einen global aufgestellten Konzern wie Daimler?

    Zetsche: Nun, wir sind natürlich global aufgestellt, aber unsere Heimat ist in Europa und in Deutschland. Und wir sehen die stark wachsende Relevanz, das wachsende Gewicht des asiatischen Raumes, allen voran China. Wir sehen auch andere Volkswirtschaften, beispielsweise Brasilien, die deutlich an Gewicht gewinnen. Und die einzige Möglichkeit, im globalen Konzert eine wahrnehmbare Stimme zu haben, ist die Stimme eines vereinigten Europas, das kann nicht die Stimme eines noch so starken alleinstehenden Deutschlands sein. Insofern ist das Plädoyer von mir und von Daimler und nach meiner inneren Überzeugung von der deutschen Industrie insgesamt ganz eindeutig pro Europa – und dabei auch ganz eindeutig pro Euro. Es gibt dazu überhaupt keine realistische Alternative. Und deshalb ist es so wenig zielführend, diese Frage immer wieder mit offenem Ausgang zu diskutieren, anstatt nun mit aller Kraft und aller Entschlossenheit diesen Fortbestand der Europäischen Union und des Euros sicherzustellen.

    Münchenberg: Die Wachstumsmärkte, wie gesagt, die liegen derzeit wo anders. Russland ist sehr stark, Südamerika ist sehr stark, aber eben auch Asien und China da an erster Stelle. Wie wichtig ist diese Region inzwischen für Daimler geworden?

    Zetsche: Wir setzen etwa 20 Prozent unseres Absatzes in Deutschland ab. Wir haben aber 160.000 von 260.000 Arbeitsplätzen in Deutschland. Das heißt also, von diesen Erfolgen, die wir in all diesen wachsenden Märkten zunehmend erzielen, profitiert in ganz starkem Maße die deutsche Volkswirtschaft, der deutsche Mitarbeiter. Deshalb können wir nicht das eine gegen den anderen ausspielen, sondern wir müssen die Stärken, die wir in unserem Land haben, weiter entwickeln. Und dazu gehören natürlich in allererster Linie die Bildung und die Forschung, die wesentliche Stärken bei uns ausmachen – auch die Infrastruktur übrigens. Und wir müssen aus dieser Stärke heraus weiter die Chancen in der Welt suchen. Deshalb ist Globalisierung nichts Böses, sondern im Gegenteil: die Basis für die langfristige Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

    Münchenberg: Trotzdem – China ist der Markt im Augenblick für alle Autohersteller, natürlich auch für Daimler. Die hohe Nachfrage da, die Absatzzahlen: Schafft das aber nicht auch eine gewisse Abhängigkeit von diesem starken Wachstum, was gerade aus dieser Region im Moment kommt?

    Zetsche: Also, ich sehe das ganz anders. Wir haben in der Vergangenheit primär auf zwei Säulen gebaut. Das war USA, Sie können sagen Nordamerika, und das war Europa. Jetzt haben wir eine dritte starke Säule China, und wenn Sie es zusammenfassen wollen – eine vierte Säule aus einer ganzen Reihe von weiteren sich gut entwickelnden Märkten, sei es die Türkei, sei es Südkorea, sei es Südamerika, Brasilien, Chile und anderen Volkswirtschaften. Und damit haben wir natürlich zunächst einmal eine Risikoreduzierung. Wenn ich auf mehr Säulen stehe, dann ist das Risiko besser verteilt. Und hinzugefügt: Wenn wir dieses Wachstum, von dessen Abhängigkeit Sie sprechen, jetzt nicht hätten, dann hätten wir das Problem bereits, was theoretisch bei einer Reduzierung dieses Marktpotenzials sich ergeben könnte. Wie immer ich die Situation betrachte, kann ich sehr, sehr froh sein über diese dynamische Entwicklung in China und anderen Märkten dieser Welt, und ich werde alles tun, dass es so weiter geht.

    Münchenberg: Im Interview der Woche heute Daimler-Chef Dieter Zetsche. Herr Zetsche, wie stark will Daimler – auf mittlere und lange Sicht gesehen – denn seine Präsenz mit eigenen Werken da ausbauen, wo die Märkte boomen, zum Beispiel in Asien?

    Zetsche: Es ist ganz klar, dass es nicht möglich sein wird, dass wir im größten Automobilmarkt der Welt – China – Hunderttausende oder gar Millionen von Fahrzeugen zu importieren und diesen Markt ausschließlich als Quelle von zusätzlichen Einnahmen und für Arbeitsplätze in Deutschland oder anderen nicht chinesischen Volkswirtschaften zu nutzen. Es ist völlig logisch, dass China dabei auch eigene Wertschöpfung im Land sucht, um die eigene Fortentwicklung und Umstrukturierung der Wirtschaft voranzutreiben. Das geschieht in Form der vorgegebenen Joint Ventures mit 50:50-Beteiligung, und es geschieht natürlich auch in der Erwartung einer gewissen lokalen Produktion. Das ist aber nur die eine Seite. Auch in den USA können wir nicht erfolgreich in hohem Maße Fahrzeuge absetzen, wenn wir nicht auch lokale Produktionen haben, was wir auch tun – einfach weil Sie näher an Ihren Kunden sein müssen. Sie können die Fahrzeuge nicht wochenlang auf dem Schiff haben, Sie können nicht bei jeder Änderung des Auftrages logistische Ketten haben, die nötig sind, Sie müssen nah an Ihren Kunden sein. Insofern wird, sofern das Wachstum überproportional in anderen Regionen der Welt stattfindet, auch die Produktion dort wachsen. Das ist aber kein Verlagern der Produktion von Deutschland, sondern im Gegenteil sind dieses nie hundertprozentige Fertigungstiefen in diesen Märkten. Sondern es führt immer zu zusätzlicher Arbeit auch in Deutschland für die Komponenten, die wir dann zuliefern. Insofern ist das eine echte Win-win-Situation, wo wir hier in Deutschland großen Nutzen von haben, aber auch einen Beitrag leisten für die Entwicklung der Volkswirtschaften, in denen wir die Märkte finden.

    Münchenberg: Geht das kurz ein bisschen konkreter? Die C-Klasse, die neue, wird ja hauptsächlich in den USA produziert. Was hat man genau in China vor zum Beispiel?

    Zetsche: Also, die neue C-Klasse wird nicht hauptsächlich in den USA produziert, sondern der Teil der C-Klasse, der in Nordamerika abgesetzt wird, wird zukünftig in den USA produziert, während der Teil, der in Europa abgesetzt wird, in Bremen produziert wird. Wir werden in China darauf zielen, etwa zwei Drittel des Absatzes in China zu produzieren und etwa ein Drittel weiterhin zu importieren. Aber die zwei Drittel, die wir dort vor Ort produzieren, werden weiterhin, wie vorhin ausgeführt, in relativ hohem Maße Komponenten nutzen, die nicht in China produziert sind. Wir werden also 40 bis 50 Prozent der Wertschöpfung für diese dort produzierten Fahrzeuge auch in China haben und den Rest importieren.

    Münchenberg: Sie haben gerade von einer Win-win-Situation gesprochen, dass auch die deutschen Beschäftigten davon profitieren, wenn man Erfolg hat auf anderen Märkten. Aber ist es nicht trotzdem so etwas wie eine schleichende langsame Verlagerung, dass natürlich Daimler tendenziell sich da breiter aufstellt, wo eben die Nachfrage höher ist?

    Zetsche: Es ist keine Verlagerung, sondern Wachstum findet stärker dort statt, wo die Nachfrage ist.

    Münchenberg: Also noch mal: Die Beschäftigten, zum Beispiel in Untertürkheim, müssen sich keine Sorgen machen?

    Zetsche: Sie müssen sich umso weniger Sorgen machen, je erfolgreicher wir im Export zum Beispiel in China und anderen Märkten sind.

    Münchenberg: Klimafreundliches Fahren, geringer Verbrauch – das sind die ganz großen Themen hier auf der Messe, aber natürlich auch in Deutschland. Wie ist das bei den Kunden in Asien, spielt das auch eine tragende Rolle, oder ist da eher noch das Image wichtig, der Status des Autos, mit dem man fährt?

    Zetsche: Wir befinden uns natürlich in einer frühen Phase der Motorisierung in diesen Märkten, insbesondere in China. Und damit ist natürlich – sage ich mal – ist noch mehr Begeisterung dort vorhanden für das erste Auto und dann auch für die Möglichkeit, zu noch faszinierteren Automobilen, wie denen unserer Marke, aufsteigen zu können. Das ist ja auch zunächst etwas sehr Gutes. Das heißt aber nicht, dass in China Umweltpolitik irrelevant wäre. Im Gegenteil sehen wir eine viel, viel schnellere Fokussierung auf diese Themen – gesehen in der Zeit der Industrialisierung in China, als dieses in Europa oder in den USA gebraucht hat. Die holen ganz schnell auch in diesen Themen auf. Das heißt auch ganz konkret, dass wir zunehmend auch von der Legislative sehr klare Vorgaben bekommen, was die Verbräuche angeht, was Hubräume angeht und Ähnliches mehr. Das beeinflusst heute schon das, was wir dort absetzen können. Und wir haben im Prinzip das gleiche Produkt-Polfolio in China, was wir auch in Europa oder in den USA verkaufen. Mit den gleichen immer weiter abnehmenden CO2-Emmissionen.

    Münchenberg: Elektromobilität, wie gesagt eines der ganz großen Themen hier auf der Messe. Man muss sagen, die deutschen Hersteller haben da mittlerweile jetzt sehr stark aufgeholt, nachdem erst die ausländische Konkurrenz eher führend war. Dennoch, reine Elektrofahrzeuge aus heimischer, deutscher Produktion wird es ja hauptsächlich 2012 frühestens, eher noch 2013 geben. Diese ständige Erwartungshaltung – auch vor zwei Jahren auf der Messe war die Elektromobilität eigentlich das Hauptthema – also diese ständige Erwartungshaltung, die da geweckt wird, ohne sie bislang zu erfüllen - schadet das nicht vielleicht auch ein Stück weit dem Image der Konzerne, aber auch dem neuen Produkt?

    Zetsche: Lassen Sie es mich bewusst sehr deutlich anders formulieren. Die heimische Autoindustrie holt nicht langsam den Vorsprung der Asiaten oder Anderer auf dem Gebiet der Elektrofahrzeuge auf, sondern die deutsche Öffentlichkeit, allen voran die Medien erkennen zunehmend, dass dieser Vorsprung nicht existiert. Faktum ist, dass wir am Ende dieses Jahres bei Mercedes 3000 Elektrofahrzeuge in Kundenhand, im Markt haben und damit der zweit- oder drittgrößte Verkäufer von Elektrofahrzeugen auf dieser Welt sind. Das beschreibt für mich kein Hinterhereilen, sondern durchaus eine mitführende Position. Wir befinden uns in der dritten Generation mit dem Elektro-Smart Anfang nächsten Jahres. Wir haben vier verschiedene Fahrzeuge mit Elektroantrieb – zugegebenermaßen überwiegend noch in kleinen Stückzahlen – in Kundenhand. Das Thema ist, dass wir heute noch eine schwierige Situation haben, physikalisch bedingten Grenzen der batterieelektrischen Fortbewegung, was die Reichweite angeht und was Ladedauer angeht mit im Moment noch vergleichsweise hohen Kosten zu einem Kundennutzen zusammenzuführen, sodass in großer Zahl Kunden sagen: Mein nächstes Auto muss in diesem Jahr ein batterieelektrisches Fahrzeug sein. Wir werden dort hinkommen, es wird aber einen relativ langen Zeitraum brauchen. Aber wir kommen dort nur hin, indem wir es tun, indem wir die ersten Fahrzeuge, die noch viel zu teuer sind. Die auch noch nicht alles können, was der Kunde sich wünscht, produzieren und verkaufen. Dabei lernen, Prozesse optimieren, in der nächsten Runde dann schon billiger und besser zu sein und so geht es weiter. Einen anderen Prozess kann es nicht geben.

    Münchenberg: Sie sagten gerade, die deutschen Hersteller müssen da nichts aufholen. Wenn man aber auf das Thema Hybrid schaut: Die Deutschen haben diese Technik zwar mit erfunden, aber für das Thema Hybrid steht heute vor allem ein japanischer Hersteller und nicht ein deutscher.

    Zetsche: Ich widerspreche Ihnen in diesem Punkt nicht. Sie hatten vorher von elektrischen Fahrzeugen gesprochen. Dort ist es so. Wir können auch den Namen nennen: Toyota; die jetzt in dem Fall schon in der dritten oder vierten Generation Hybridautos bauen, wohingegen wir sehr viel später gekommen sind. Es war Mercedes, der das erste Hybrid-Fahrzeug in Europa und das erste, inklusive der Japaner, mit Lithium-Ionen-Batterie, der Zukunftstechnologie, auf den Markt gebracht hat. Aber ganz eindeutig waren wir in dieser Technologie in der Marktdurchdringung nicht führend.

    Münchenberg: Sie haben vorhin schon die Probleme der rein batteriegetriebenen Elektromobilität angesprochen. Das sind vor allem die hohen Batteriekosten, die geringe Reichweite. Wäre da eigentlich nicht endlich mal eine Klarstellung angebracht, dass man sagen muss, dieses Ziel, das man formuliert hat auch seitens der Bundesregierung, eine Million Fahrzeuge bis 2020, das ist eigentlich unrealistisch? Ich will auch eine Vergleichszahl nennen: Die Hybridfahrzeuge, an denen forscht Toyota jetzt seit 15 Jahren. Im Augenblick gibt es so drei bis dreieinhalb Millionen auf der Straße - weltweit. Also, wie soll Deutschland da eine Million Fahrzeuge bis 2020 auf die Straße bringen?

    Zetsche: Ich bin mehrfach – direkt oder indirekt – kritisiert worden dafür, dass ich Incentives fordern würde, obwohl es uns doch so gut geht, für die Einführung von Elektromobilen. Das ist nicht der Fall.

    Münchenberg: ... Incentives heißt staatliche Prämien – in welcher Form auch immer ...

    Zetsche: Verkaufsfördernde Prämien, in welcher Form auch immer – Steuervorteile oder was auch immer. Ich habe etwas ganz anderes gesagt. Ich habe gesagt, bei der heutigen Situation und der, die sich in den nächsten acht Jahren bis 2020 erkennen lässt, sind für den Kunden die Kosten zum Betrieb eines batterieelektrisch betriebenen Fahrzeuges höher als die für ein verbrennungsmotorgetriebenes Fahrzeug. Es gibt Kunden, denen ist das egal. Die sagen, ich will ein Elektrofahrzeug fahren, weil das der richtige Schritt ist, und wenn mich das mehr kostet, dann akzeptiere ich das. Die gibt es aber nicht in unbegrenzter Zahl. Und was ich nur gesagt habe und was auch das Ergebnis der gemeinsamen Plattform Elektromobilität war, ist, dass wenn wir mit allen Anstrengungen der Hersteller, diese Fahrzeuge zu offerieren und zu den heute möglichen günstigen Kosten offerieren, wir maximal 500.000 Kunden bis 2020 finden werden. Wenn wir sagen, wir wollen aber eine Million haben, dann müssen wir diesen Betriebskostennachteil für den Kunden in Teilen ausgleichen, dass sich eine größere Zahl sagt, für diese restlichen Mehrkosten bin ich jetzt auch bereit, diesen Schritt zu gehen. Nur daraus resultiert das. Wenn man sagt, wir brauchen keine Million, dann braucht man da auch keine Verkaufsförderung.

    Münchenberg: Die Politik hält sich ja bislang bedeckt. Bislang gibt es nur einen ordentlichen Zuschuss für Forschung und Entwicklung. Haben Sie denn Signale, dass vielleicht die Bundesregierung doch noch einschwenken könnte auf den Kurs der Konzerne und sagt, es in absehbarer Zeit eine Kaufprämie oder steuerliche Zuschüsse, wie auch immer?

    Zetsche: Also, das ist im Moment sicherlich nicht die erste Priorität in der politischen Diskussion. Das kann ich auch völlig verstehen. Es geht im Moment um Fiskalsanierung in den meisten Staatshaushalten. Das ist auch die Top-Priorität, ohne jeden Zweifel. Und ich kann auch akzeptieren, dass wir über die nächsten Jahre die Entwicklung sehen und dann sehen, wie weit man hier noch nachlegen kann. Natürlich müssen wir planen. Und wir müssen natürlich für unsere Investitionen auch wissen, mit welchen Randbedingungen wir rechnen können. Das ist wieder der Nachteil, dass wir heute keine Klarheit haben, ob sich in den nächsten Jahren hier auch noch eine Förderung einstellen wird. Aber noch einmal: Wir sind ja nicht blindwütig nur auf das Automobil fokussiert, wir haben ja größtes Interesse daran, dass wir die am Anfang diskutierte Frage der Überschuldung vieler Staatshaushalte adressieren und erfolgreich adressieren. Und deswegen werden wir uns hier nicht in gegenteiliger Richtung positionieren.

    Münchenberg: Im Interview der Woche heute Daimler-Chef Dieter Zetsche. Herr Zetsche, die große Frage bleibt: Werden die Kunden dieses Auto überhaupt kaufen? Es ist teuer, es kann vielleicht nicht so viel wie ein herkömmlicher Verbrennungsmotor. Daimler setzt auch noch weiter in die Zukunft. Mit der B-Klasse soll ab 2014 auch die Brennstoffzelle eingeführt werden. Ist das nicht trotzdem für die Branche insgesamt eine gigantische Wette auf die Zukunft? Weil man nicht weiß, welche Technik sich am Ende letztlich durchsetzen wird und ob der Kunde wirklich auch bereit ist, diese Technik zu akzeptieren?

    Zetsche: Lassen Sie mich nur ganz kurz vorschicken, bevor ich die Frage beantworte, dass wir natürlich auch unsererseits alles tun, dass für den Kunden auch batterieelektrische Fahrzeuge erschwinglich werden. Wir werden den Smart der nächsten Generation, im nächsten Jahr beginnend, unter 16.000 Euro anbieten und die Batterie zu einer monatlichen Miet-Leasingrate von 60 Euro anbieten und damit letztlich von uns vorfinanzieren lassen. Das sind Hilfestellungen, um es dem Kunden leichter zu machen, diese Fahrzeuge auch wirklich zu fahren, was wir natürlich wollen. Wir werden ganz sicherlich in den nächsten fünf Jahren von den riesigen Investitionen, die wir in diese Zukunftstechnologien derzeit stecken, keinerlei Returns kriegen, die für uns zu Profitabilität führen könnten. Das sind Belastungen unserer derzeitigen Ergebnisse in den nächsten Jahren. Die Alternative ist, das nicht zu tun. Das hat erstens zur Folge, dass wir zu Recht dann kritisiert werden, uns nicht um die Zukunft zu kümmern. Und zu Recht auch Kunden sagen, ich will dein konventionelles Verbrennungsmotor-Auto heute nicht kaufen, weil du mir nicht die Perspektive gibst, wie es in der Zukunft weiter gehen soll. Und zweitens stehen wir in 14, 15 Jahren ohne die Erfahrung, ohne den Aufbau der Technologien, auch der Fertigungsprozesse da, die notwendig sind, um dann zunehmend diese neuen Technologien auch wettbewerbsfähig zu machen. Das ist eine große Herausforderung, die ist aber unausweichlich, insbesondere für eine Firma wie Daimler, die vor 125 Jahren das Automobil entwickelt hat. Wir in unserer Verantwortung sind dazu verpflichtet, dem Unternehmen die Sicherheit für den Fortbestand zu geben und dieses als Mercedes nur zu können, indem wir technologisch führend sind, den Weg für die Industrie weisen, wo es lang geht.

    Münchenberg: Herr Zetsche, Mercedes hat seine Führungsrolle im Premiumsegment seit einigen Jahren verloren - an BMW und an Audi und ist nur noch auf Rang 3 bei den Absatzzahlen, obwohl das Geschäft insgesamt sehr gut läuft. Das haben Sie selber ja auch gesagt. Was machen die beiden anderen besser, oder anders gefragt, was macht Mercedes schlechter?

    Zetsche: Nun, zunächst mal haben wir immer interne Produktzyklen. Das heißt also, über sieben Jahre werden die Produkte etwa jeweils neu aufgelegt. Und da gibt es Phasen in sieben Jahren, wo wir im Durchschnitt ein jüngeres Produktprogramm haben oder ein älteres. Wir sind im Moment gerade im ungünstigsten Zeitpunkt. BMW ist beispielsweise gerade im Günstigsten. Das ist keine Entschuldigung, das ist einfach nur Fakt. Die Tatsache ist, dass wir, als zum letzten Mal am Jahresende abgerechnet wurde Ende letzten Jahres, vor Audi lagen, im letzten Jahr mehr gewachsen sind als Audi oder BMW, dass wir aber in diesem Jahr auf der dritten Position stehen. Das ist richtig. Das ist per se kein Drama, aber klar ist uns, dass wir langfristig unseren Führungsanspruch, den wir durch das Beste oder Nichts manifestieren, den wir durch die beste Qualität unter den drei Wettbewerbern manifestieren, die höchste Kundenzufriedenheit. Das alles sind Messungen und Maßstäbe, die von dritter Seite erfolgen, neutral sind. Zunehmend ein überzeugendes und immer emotionaleres Design bieten und eine stark wachsende Produktportfolio-Familie vorweisen können - all diese Dinge müssen letztlich auch dazu führen, dass wir dann auch in der Zahl der abgesetzten Fahrzeuge wieder vorne liegen. Und genau das ist auch der klare Anspruch, den wir an uns selbst stellen: Unsere Pläne darauf ausrichten und diese spätestens am Ende dieses Jahrzehnts auch erreicht haben.

    Münchenberg: Sie haben die Strategie "2020" angesprochen. Dann will Daimler wieder führend sein im Premium-Segment. Ihr Vertrag selber geht bis 2013. Würden Sie gerne noch einmal verlängern, um dann auch diese selbst gesteckten Ziele weiter verwirklichen zu können?

    Zetsche: Also, auf der einen Seite setze ich bestimmt keine Ziele in dem Bewusstsein, es geht mich ja nichts an, da können andere gucken, wie es weiter geht. Auf der anderen Seite haben Sie zu Recht gesagt, mein Vertrag läuft bis 2013. Und da ist ein Jahr davor der Zeitpunkt, wo man von beiden Seiten sich dann verständigt, ob man erneut eine nächste Runde addieren will oder nicht. Das ist heute nicht der Zeitpunkt. Ich würde auch in diesen Fragen, die wir vorher diskutiert haben, jetzt die Relevanz der einzelnen Personen nicht zu hoch heben wollen. Daimler existiert seit 125 Jahren. Es ist eine Firma, die noch Jahrzehnte und hoffentlich Jahrhunderte fortbestehen wird. Und da sind jetzt einige Jahre einer dritten Vertragsrunde mehr oder weniger von einer Einzelperson nicht so relevant in diesem Kontext.

    Münchenberg: Herr Zetsche, vielen Dank.

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