Christine Heuer: "Es gibt dieses Abkommen oder gar keins", das waren mal klare Worte. Gesprochen wurden sie von der Schweizer Bundespräsidentin Widmer-Schlumpf, die damit ausschloss, das deutsch-schweizerische Steuerabkommen vom vergangenen Jahr noch einmal zu verändern oder ein neues auszuhandeln. Die Geschichte ist bekannt, das Abkommen scheiterte im Bundesrat am Nein der SPD-geführten Bundesländer. Seitdem herrschte Funkstille. Und die wurde nun überraschend gebrochen, als der Schweizer Außenminister neue Gespräche in Aussicht stellte. Mein Kollege Gerd Breker hat über das erstaunliche Angebot gestern Abend hier im Deutschlandfunk mit dem Finanzjournalisten René Zeyer gesprochen. Seine erste, ein bisschen ungläubige Frage: Die Schweiz gibt das hochgeschätzte Bankgeheimnis auf oder lockert es – kann das denn wirklich sein?
René Zeyer: Sie muss. Sie muss, das ist ja genau das Problem der Schweiz, dass sie aus eigener Dummheit, muss man da nur sagen, in einer Zangenbewegung zwischen der Schweizer Bank UBS und der Schweizer Regierung das Bankgeheimnis selber geschleift hat.
Gerd Breker: Und das hat damit zu tun, dass in den USA ein großer Sündenfall aufgedeckt wurde?
Zeyer: Ich würde das schon ein bisschen anders sehen, durchaus aus Schweizer Sicht. Was die USA machen, ist reiner Rechtsimperialismus gegenüber der Schweiz, nämlich sie behaupten, dass ihre Steuergesetze weltweit, auch in der Schweiz, gültig seien. Und dazu haben sie ja dieses Instrument FATCA, dieses Schnüffelmonster, mit dem amerikanische Staatsbürger überall auf der Welt dem amerikanischen Fiskus gegenüber steuerpflichtig sind, und auch in der Schweiz.
Breker: Unbestreitbar aber haben Schweizer Banken nicht nur in den USA, sondern auch hier in Europa, mit Steuersparmodellen für sich geworben.
Zeyer: Selbstverständlich. Auch, wenn sich das jetzt vielleicht etwas formaljuristisch anhören mag: Es ist natürlich schon so, dass im ordentlichen Verhältnis zwischen Staaten Rechtshilfeabkommen gelten und die sind dazu da, dass in verschiedenen Staaten verschiedene Rechtssysteme gültig sind. Und in der Schweiz, ob einem das passt oder nicht, ist es nun mal so, dass Steuerhinterziehung kein Straftatdelikt ist, sondern einfach mit einer Buße im schlimmsten Fall geahndet wird.
Breker: Nur, was der deutsche Außenminister jetzt als Erfolg feiert, nämlich die Bereitschaft der Schweiz, über ein neues Steuerabkommen zu verhandeln, das hat seinen banalen Grund darin, dass der Schweiz bilaterale Abkommen lieber sind als etwa ein Abkommen mit der Europäischen Union.
Zeyer: Ich glaube, die Schweiz wäre auch für Abkommen mit der Europäischen Union zu haben, allerdings muss man da den deutschen Außenminister schon zugutehalten, dass seine Äußerung mehr Ausdruck eines Wunsches und nicht der Realität war. Der Schweizer Außenminister hat inzwischen klargestellt, dass es keine Nachverhandlungen mit Deutschland geben könnte, sondern dass das Abgeltungssteuerabkommen, das ja in Deutschland abgelehnt wurde, weiterhin auf dem Tisch liegt. Und vielleicht, wenn sich der Pulverdampf der deutschen Wahlen verzogen hat, man darüber noch mal reden könnte.
Breker: Was der Opposition hierzulande Rückenwind geben würde, dafür der Europäischen Union das Mandat zu geben über ein Steuerabkommen mit der Schweiz für die gesamte Europäische Union zu verhandeln.
Zeyer: Wie man es auch immer macht, ich glaube, die Kleiderordnung zwischen Staaten verlangt ja irgendwo schon, dass man zwischenstaatliche Rechtshilfeabkommen abschließt. Ob das jetzt die EU ist oder Deutschland oder Österreich oder wer auch immer. Und so merkwürdig sich das vielleicht auch in Deutschland anhören mag – in der Schweiz gelten andere Gesetze als in Deutschland, und das hat mit Rechtssouveränität der Schweiz zu tun, und hier ist es halt so, dass Steuerhinterziehung kein Straftatbestand ist, sondern mit einer Buße geahndet wird, wenn es denn überhaupt aufgedeckt wird.
Breker: Aber mehr und mehr scheint sich in der Schweiz die Erkenntnis durchzusetzen, dass der Ruf als Steueroase mehr schadet als nützt.
Zeyer: Ich glaube, das ist wirklich eher ein Ausdruck der Dummheit und Ungeschicklichkeit der Schweizer Regierung, weil in der ganzen Debatte steht ja eine ungeheuerliche Heuchelei dahinter. Die USA zum Beispiel sind ja das größte Offshore-Paradies mit Delaware und Florida und anderen Staaten der Welt. Und genau die sind ja als Erste über die Schweiz hergefallen. Und ganz offen gesagt, wenn ich einem Schweizer Steuerhinterzieher einen guten Ratschlag geben sollte, wo er sein Geld anlegen soll, dann würde ich ihm zum Beispiel Deutschland empfehlen.
Breker: Und nicht die Schweiz?
Zeyer: In der Schweiz selbst ist es durch diese Aufweichung des Bankgeheimnisses inzwischen tatsächlich so, dass das mittelfristig gesehen wohl eher eine dumme Idee wäre. Aber Deutschland, Frankreich, Andorra, San Marino, England, um Mitglieder der EU nur zu erwähnen, ist immer noch ein guter Tipp für Steuerhinterzieher.
Breker: Da stellt sich die Frage, Herr Zeyer, der Finanzplatz Schweiz, das war doch auch immer eine wichtige Einnahmequelle des Staates. Was wird denn daraus? Kann man den einfach so aufgeben? Kann sich die Schweiz das leisten?
Zeyer: Auch da muss man das, glaube ich, in Relation sehen. Der Anteil des Bankenplatzes Schweiz am Schweizer Bruttosozialprodukt ist nach weit übertriebenen Angaben des Bankenplatzes selber sechs Prozent. Das ist nicht nichts, aber das ist nicht der Weltuntergang für die Schweiz, wenn der nicht mehr in der jetzigen Form existieren wird.
Christine Heuer: Der Schweizer Finanzjournalist René Zeyer im Gespräch mit meinem Kollegen Gerd Breker.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
René Zeyer: Sie muss. Sie muss, das ist ja genau das Problem der Schweiz, dass sie aus eigener Dummheit, muss man da nur sagen, in einer Zangenbewegung zwischen der Schweizer Bank UBS und der Schweizer Regierung das Bankgeheimnis selber geschleift hat.
Gerd Breker: Und das hat damit zu tun, dass in den USA ein großer Sündenfall aufgedeckt wurde?
Zeyer: Ich würde das schon ein bisschen anders sehen, durchaus aus Schweizer Sicht. Was die USA machen, ist reiner Rechtsimperialismus gegenüber der Schweiz, nämlich sie behaupten, dass ihre Steuergesetze weltweit, auch in der Schweiz, gültig seien. Und dazu haben sie ja dieses Instrument FATCA, dieses Schnüffelmonster, mit dem amerikanische Staatsbürger überall auf der Welt dem amerikanischen Fiskus gegenüber steuerpflichtig sind, und auch in der Schweiz.
Breker: Unbestreitbar aber haben Schweizer Banken nicht nur in den USA, sondern auch hier in Europa, mit Steuersparmodellen für sich geworben.
Zeyer: Selbstverständlich. Auch, wenn sich das jetzt vielleicht etwas formaljuristisch anhören mag: Es ist natürlich schon so, dass im ordentlichen Verhältnis zwischen Staaten Rechtshilfeabkommen gelten und die sind dazu da, dass in verschiedenen Staaten verschiedene Rechtssysteme gültig sind. Und in der Schweiz, ob einem das passt oder nicht, ist es nun mal so, dass Steuerhinterziehung kein Straftatdelikt ist, sondern einfach mit einer Buße im schlimmsten Fall geahndet wird.
Breker: Nur, was der deutsche Außenminister jetzt als Erfolg feiert, nämlich die Bereitschaft der Schweiz, über ein neues Steuerabkommen zu verhandeln, das hat seinen banalen Grund darin, dass der Schweiz bilaterale Abkommen lieber sind als etwa ein Abkommen mit der Europäischen Union.
Zeyer: Ich glaube, die Schweiz wäre auch für Abkommen mit der Europäischen Union zu haben, allerdings muss man da den deutschen Außenminister schon zugutehalten, dass seine Äußerung mehr Ausdruck eines Wunsches und nicht der Realität war. Der Schweizer Außenminister hat inzwischen klargestellt, dass es keine Nachverhandlungen mit Deutschland geben könnte, sondern dass das Abgeltungssteuerabkommen, das ja in Deutschland abgelehnt wurde, weiterhin auf dem Tisch liegt. Und vielleicht, wenn sich der Pulverdampf der deutschen Wahlen verzogen hat, man darüber noch mal reden könnte.
Breker: Was der Opposition hierzulande Rückenwind geben würde, dafür der Europäischen Union das Mandat zu geben über ein Steuerabkommen mit der Schweiz für die gesamte Europäische Union zu verhandeln.
Zeyer: Wie man es auch immer macht, ich glaube, die Kleiderordnung zwischen Staaten verlangt ja irgendwo schon, dass man zwischenstaatliche Rechtshilfeabkommen abschließt. Ob das jetzt die EU ist oder Deutschland oder Österreich oder wer auch immer. Und so merkwürdig sich das vielleicht auch in Deutschland anhören mag – in der Schweiz gelten andere Gesetze als in Deutschland, und das hat mit Rechtssouveränität der Schweiz zu tun, und hier ist es halt so, dass Steuerhinterziehung kein Straftatbestand ist, sondern mit einer Buße geahndet wird, wenn es denn überhaupt aufgedeckt wird.
Breker: Aber mehr und mehr scheint sich in der Schweiz die Erkenntnis durchzusetzen, dass der Ruf als Steueroase mehr schadet als nützt.
Zeyer: Ich glaube, das ist wirklich eher ein Ausdruck der Dummheit und Ungeschicklichkeit der Schweizer Regierung, weil in der ganzen Debatte steht ja eine ungeheuerliche Heuchelei dahinter. Die USA zum Beispiel sind ja das größte Offshore-Paradies mit Delaware und Florida und anderen Staaten der Welt. Und genau die sind ja als Erste über die Schweiz hergefallen. Und ganz offen gesagt, wenn ich einem Schweizer Steuerhinterzieher einen guten Ratschlag geben sollte, wo er sein Geld anlegen soll, dann würde ich ihm zum Beispiel Deutschland empfehlen.
Breker: Und nicht die Schweiz?
Zeyer: In der Schweiz selbst ist es durch diese Aufweichung des Bankgeheimnisses inzwischen tatsächlich so, dass das mittelfristig gesehen wohl eher eine dumme Idee wäre. Aber Deutschland, Frankreich, Andorra, San Marino, England, um Mitglieder der EU nur zu erwähnen, ist immer noch ein guter Tipp für Steuerhinterzieher.
Breker: Da stellt sich die Frage, Herr Zeyer, der Finanzplatz Schweiz, das war doch auch immer eine wichtige Einnahmequelle des Staates. Was wird denn daraus? Kann man den einfach so aufgeben? Kann sich die Schweiz das leisten?
Zeyer: Auch da muss man das, glaube ich, in Relation sehen. Der Anteil des Bankenplatzes Schweiz am Schweizer Bruttosozialprodukt ist nach weit übertriebenen Angaben des Bankenplatzes selber sechs Prozent. Das ist nicht nichts, aber das ist nicht der Weltuntergang für die Schweiz, wenn der nicht mehr in der jetzigen Form existieren wird.
Christine Heuer: Der Schweizer Finanzjournalist René Zeyer im Gespräch mit meinem Kollegen Gerd Breker.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.