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ZIA-Verbandspräsident zum Wohngipfel
„Wer Mieten reguliert, wird keine Wohnung bauen"

Der Löwenanteil von Wohnraum in Deutschland werde von privaten Firmen gebaut, sagte Andreas Mattner vom Zentralen Immobilienausschuss (ZIA) im Dlf. Er sprach sich gegen das Instrument des Mietendeckels aus: Niemand würde mehr bauen wollen, gebe es einen echten Mietendeckel, so der Verbandspräsident.

Andreas Mattner im Gespräch mit Jasper Barenberg |
Hochhäuser mit unzähligen Wohnungen im Wohnkomplex auf dem Kölnberg im Stadtteil Meschenich in Köln ragt in den Himmel.
"Von einer sozialen Schieflage" zu sprechen geht ZIA-Verbandspräsident zu weit (picture alliance – dpa / Christopher Neundorf/Kirchner-Me )
Bezahlbarer Wohnraum ist knapp. Ganz besonders gilt das für große Städte. In den letzten Jahren hat sich das Problem verschärft. Knappes Angebot, hohe Nachfrage – die Folge: Die Mieten und die Immobilienpreise steigen. Der Ärger darüber steigt auch. Schon im Koalitionsvertrag haben Union und SPD verabredet, gegenzusteuern. 2018 hat die Regierung eine Wohnraumoffensive für 1,5 Millionen neue Wohnungen beschlossen. Nun soll Bilanz gezogen werden. In den Augen der Bundesregierung fällt sie positiv aus. Von anderer Seite allerdings gibt es Kritik.
Der Zentrale Immobilienausschuss vertritt rund 37.000 Unternehmen der Immobilienwirtschaft. Immobilienunternehmen sind dort Mitglied, aber auch Projektentwickler, Investoren oder Bauunternehmer. Andreas Mattner ist Präsident des Verbandes.
19.11.2020, Berlin: Altbauten und Neubauten stehen nahe der Bernauer Straße. Heute geht es in der Plenarsitzung im Berliner Abgeordnetenhaus unter anderem um den Mietendeckel. Foto: Annette Riedl/dpa | Verwendung weltweit
Kampf um bezahlbares Wohnen
Seit dem 23. Februar 2020 gilt in Berlin das Mietendeckelgesetz. Dadurch werden viele Mieten aus bestehenden Verträgen abgesenkt. Kann der Deckel zum Vorbild für Städte wie München oder Hamburg werden?
Jasper Barenberg: 1,5 Millionen neue Wohnungen und Eigenheime hat sich die Bundesregierung als Ziel gesetzt. Viele sagen, das wird wohl nicht klappen Ende des Jahres. Ist für Sie auch schon klar, die Koalition kann ihr Versprechen nicht halten?

Andreas Mattner: Bei allem Lob für die Mühe, die man an den Tag gelegt hat – in der Tat: Die Zahlen zeigen – dabei kommt es auch nur auf die Fertigstellungszahlen an -, es ist zu wenig gebaut worden. Pro Jahr 2018/2019 sollten es 375.000 Wohnungen sein. Es waren in Wahrheit aber nur 300.000. Man hätte dann im letzten Jahr 450.000 bauen müssen. Das ist nicht erreicht worden. Es gab eine Tendenz auch schon im letzten Jahr. Die ist positiv. Das muss man auch hervorheben. Aber die Ziele sind nicht erreicht worden und da ist natürlich auch klar der Fakt zu sehen: Der Staat ist nicht der richtige Bauherr. Der Löwenanteil wird – und das sind 95 Prozent – von den privaten Firmen gebaut und die muss man unterstützen und nicht drangsalieren.
Politischer Aschermittwoch in Bayern - FDP: Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner stehtn am Rande vom Politischen Aschermittwoch der Liberalen auf einer Dachterrasse mit Daniel Föst (l), Landesvorsitzender der FDP in Bayern. Wegen der Corona-Krise findet der Aschermittwoch in diesem Jahr erstmals digital statt.
Daniel Föst (FDP) zum Wohnungsbau - "Wir müssen günstiger bauen"
Schneller, mehr und kostengünstiger müsse in Deutschland gebaut werden, sagte der Bauexperte der FDP, Daniel Föst, im Dlf. Der Bund könne mehr tun, um günstigen Wohnraum zu schaffen und um mehr Menschen ins Eigentum zu bringen.
Barenberg: Darüber können wir gleich bestimmt noch sprechen. Noch mal zu der Bilanz, die Sie ziehen. Sie haben jetzt gesagt, das Ziel wird verfehlt. Sie haben die Bemühungen der Bundesregierung gelobt. Die IG Bau sagt ja, die Bundesregierung ist gescheitert und übt massive Kritik am Kurs der Regierung. So weit gehen Sie aber nicht?

Mattner: Na ja. Ich bin immer gegen Schwarz-Weiß-Sichtweisen. Man hat einiges getan, was richtig ist, aber auch einiges getan, was falsch ist, und das muss man genau analysieren. Die richtigen Schritte wollen wir weiter nach vorne bringen, überhaupt auch den Willen, das Bauen zu unterstützen. Das war schon gut. Aber wir müssen jetzt ausmerzen, was falsch gelaufen ist, was noch fehlt aus der Vergangenheit, was man verbessern kann. So ist der Weg in der Mitte der richtige.

"Von einer sozialen Schieflage zu reden, geht mir zu weit"

Barenberg: Gehört denn für Sie auch zur Bilanz, was unter anderem auch der Mieterbund sagt, die Situation auf dem Wohnungsmarkt für Mieterinnen und Mieter ist vielerorts geradezu verheerend. Selbst Menschen mit durchschnittlichen Einkommen können sich die meisten Neubauwohnungen inzwischen nicht mehr leisten. Wir haben eine massive soziale Schieflage. Ist das für Sie ein Problem?

Mattner: Das ist schon wieder ein wenig übertrieben dargestellt. Es gibt Engpässe in den Top-Metropolen. Das hat sich nicht geändert. Man kann aber daran arbeiten, etwa mit einem verbesserten Wohngeld. Teilweise ist es wieder eingeführt worden, aber nicht in dem richtigen Umfang. Aber von einer sozialen Schieflage zu reden, das geht mir zu weit. Im Gegenteil! Wir müssen jetzt schauen, dass wir anstelle von sozialen Schieflagen mehr Bauen schaffen und daran sollten wir alle gemeinschaftlich arbeiten, auch der Mieterbund.
Die Fassade eines Wohnhauses mit Balkons in Prenzlauer Berg.
Was bringt der Mietendeckel?
Der Berliner Mietendeckel soll den Wohnungsmarkt in der Hauptstadt entlasten. Seit Anfang des Jahres 2020 gelten Obergrenzen, ab dem 23. November müssen manche Mieten gesenkt werden. Doch hilft das auch Wohnungssuchenden?
Barenberg: Da ist ja der Vorwurf, den man dann oft hört, die Bauunternehmen setzen dann auf viel Luxus, weil das ist am Markt gefragt, das wird immer verkauft. Dann müssen Menschen mit nicht so hohem Einkommen in die Röhre gucken.

Mattner: Das entspricht ja schon gar nicht den Fakten. In allen Städten gibt es heutzutage – vor allen Dingen in den großen Städten, wo wir die Probleme haben; wir haben sie ja nicht auf dem Land oder in der Peripherie – den sogenannten Drittelmix. Das heißt, die Investoren werden von vornherein schon verpflichtet, ein Drittel Sozialwohnungen, ein Drittel Mietwohnungen und gegebenenfalls noch ein Drittel Eigentumswohnungen zu bauen. Wir brauchen den gesamten Markt. Wer nur einseitig auf ein Segment setzt, wird genauso scheitern. Deswegen plädiere ich ja für ausgewogene, für differenzierende Lösungen und nicht für Einseitigkeit.

"Planungs- und Genehmigungsprozesse sind und bleiben zu komplex"

Barenberg: Dann lassen Sie uns darüber sprechen, was Sie noch vermissen bei der Bundesregierung. Wenn ich das richtig verstanden habe, ist Ihr Standpunkt auch, dass die Bundesregierung sich den eigenen Erfolg quasi selbst zunichte gemacht hat.

Mattner: Das ist wahr, weil die Planungs- und Genehmigungsprozesse sind und bleiben zu komplex. Daran hat man nicht ausreichend gearbeitet. Im Gegenteil: Jeden Tag, vor allen Dingen auch in den SPD-Teilen der Bundesregierung, ist von weiteren Mietregulierungen die Rede. Wer Mieten reguliert, wird keine Wohnungen bauen. Das steht fest. Gerade die neuere Aussage der Bundesjustizministerin geht komplett in die falsche Richtung. Wir hatten seit 1990 eine Vervierfachung der Bauvorschriften. Es sind dann von 5.000 20.000 Bauvorschriften geworden. Das kann doch nicht wahr sein. Das müssen wir abbauen und nicht auch noch die Mieten regulieren.

Barenberg: Welche wollen Sie denn abbauen? Welche wollen Sie los werden, welche Bauvorschriften?

Mattner: Sehr viele! Wir müssen nach wie vor noch die Landesbauordnungen weiter harmonisieren. Und vor allen Dingen: Wir brauchen keine weiteren Eingriffe in das Mietrecht. Das Gegenteil wird damit erzielt. Das zeigt sich allenthalben, vor allen Dingen auch beim Mietendeckel in Berlin. Wir sind aus dem Wohngipfel, von dem vorhin die Rede war, 2018 rausgeschickt worden in eine Gruppe, die ein Bauland-Mobilisierungsgesetz schaffen sollte, und ich bin davon ausgegangen, wir denken uns dort nur Dinge aus, wie wir Prozesse entschlacken, wie wir schneller Bauland zur Verfügung stellen. Stattdessen sind einige gute Dinge dort gemacht worden, aber dann wiederum sind neue Regulierungen eingebaut worden. Wer ein Bauland-Mobilisierungsgesetz macht, darf nicht neue Regulierungen erfinden.

Barenberg: Welche sind das denn, Herr Mattner?

Mattner: Zum Beispiel ist ausgeweitet worden: die Vorkaufsrechte der Kommunen. Früher war es so: Man durfte nur aus städtebaulichen begründeten Dingen ein Vorkaufsrecht ausüben gegenüber einem Investor. Jetzt kann man das allenthalben machen. Das bedeutet, dass die Risiken enorm groß sind, wenn ein solches Vorkaufsrecht droht. Dann geht das Projekt kaputt. Dann will keiner bauen. Dann sind B-Pläne eher verkompliziert worden. Es sind viele Dinge da reingekommen, die Regulierungen sind, aber nicht Entschlackungen.

"Wir brauchen nicht zusätzliche Regulierungen, um Wohnraum zu schaffen"

Barenberg: Um mal ein Detail aufzugreifen, was Sie genannt haben: das Vorkaufsrecht von Kommunen. Da ist doch der Grundgedanke, wenn ich es richtig verstanden habe, es gibt viele Flächen, da könnte noch etwas geschehen, darauf könnte man Wohnraum schaffen, durchaus auch für Mieter mit nicht so hohen Einkommen, aber die Kommune hat einfach keinen Zugriff auf diese Flächen. Da ist es doch gut, so ein Vorkaufsrecht da reinzuschreiben.

Mattner: Das sehe ich nicht so. Ein Investor fängt an, bietet sehr viel Geld auf, um das ganze Projekt zu entwickeln, und dann kommt so ein Damokles-Schwert und nimmt ihm das Grundstück weg. Stattdessen wäre es doch richtig, in Abstimmung mit dem Investor das, was dort benötigt wird, sei es Mietwohnungsbau, sei es sozialer Wohnungsbau, abzusprechen. Das Land und vor allen Dingen die Kommunen hatten doch vorher schon ausreichend Möglichkeiten, das mit dem Investor abzustimmen. Schließlich geben sie ja auch die Baugenehmigung. Wir brauchen nicht zusätzlichen Overhead. Wir brauchen nicht zusätzliche Regulierungen, um Wohnraum zu schaffen. Das schreckt ab. Das sehen Sie auch in Berlin.

Niemand würde mehr bauen wollen, gäbe es einen echten Mietendeckel

Barenberg: Noch ein Wort, das haben Sie auch angesprochen: Der Mietendeckel und Mietenstopp. Diese Forderung steht ja auch jetzt wieder im Raum – vor allem vor dem Hintergrund der fatalen Situation, dass die Mieten so hoch sind, dass viele sich das gar nicht mehr leisten können. Warum nicht zumindest eine Atempause? Dann werden in der Zwischenzeit mehr Wohnungen entstehen. Dann reguliert sich das Angebot etwas wieder und die Mieten sinken wieder ein Stück. Was ist falsch an diesem Grundgedanken?

Mattner: Das beginnt damit, wenn es einen echten Mietendeckel überall in Deutschland geben würde, dass niemand mehr bauen wollte. Wenn Sie Geld investieren, wollen Sie irgendwo auch einen Hauch von Rendite sehen, und wenn das nicht möglich ist, wenn man mit seiner Hände Arbeit kein Geld verdienen kann, sondern draufzahlt, dann wird niemand mehr bauen. Die nächste These ist auch falsch, dass dadurch eine Verbesserung der Lage entsteht. Der Mietendeckel hat die Situation in Berlin verschärft. Das Angebot weiterer Wohnungen hat sich innerhalb eines Jahres halbiert. Der nächste Effekt ist, in den reichen Gegenden zahlt man jetzt nicht mehr 12, 14 oder 20 Euro, sondern die Mieten stürzen ab auf 6,45 Euro. Menschen wie Sie und ich, die hoffentlich ein mittleres Einkommen haben, freuen sich darüber, dass sie plötzlich keine hohe Miete mehr zahlen müssen, obwohl sie es könnten, und konkurrieren dann auch noch mit denjenigen, die es wirklich bräuchten. Das ist eine vollkommen falsche Richtung.


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.