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Ziegel und Co. vom Niederrhein

Lehm ist einer der ältesten Baustoffe der Welt. Dennoch gehört er heutzutage zu den Nischenprodukten in der Baubranche. Einer der Großen in dieser Nische ist die Firma Claytec mit Sitz im westfälischen Viersen.

Von Mirko Smiljanic |
    Wesseling bei Köln, eine schmale Straße mit niedrigen Häusern, viele hässliche Zweckbauten aus der Nachkriegszeit, hin und wieder durchbrochen, aber von erstaunlich schönen alten Gebäuden aus der Jahrhundertwende. Vor einem dieser Häuser brummt eine Maschine, die auf den ersten Blick wie ein Zementmischer aussieht. Einziger Unterschied: Die Maschine ist kleiner und der vermeintliche Zement braun:

    "Ja, Sie sehen hier die Lehmputzmaschine, das ist ein aufgesetzter Tellermischer mit Förderpumpe, die praktisch über die Schläuche den Lehm an die Wände fördert,"

    sagt Robert Grömping, Kooperationspartner der Firma Claytec Lehmbaustoffe, Viersen:

    "Was Sie hier sehen, ist ein Unterputz mit Strohzuschlag, in diesem Fall ist der Stroh halt etwas länger und breiter, der auch als Armierung dient."

    Also dem inneren Halt des nassen Lehms, den ein Maurer mit einer Kelle verputzt:

    "Wenn Sie sich die Wand angucken, hier wurde zuerst ein Ausgleich geschaffen, da die Ziegelwände doch recht unruhig sind und der Bauherr doch relativ gerade Wände haben möchte, und auf diesen Unterputz, wenn er durchgetrocknet ist, wird praktisch die Armierungsschicht aufgebracht. Sie sehen hier den Kollegen, wie er den Lehm in die Armierung reinreibt, und wenn das dann trocken ist, kann ein entsprechendes Finish aufgebracht werden, das heißt, die Lehmschicht, die man nachher auch sieht."

    Lehm ist eine Mischung aus Sand und Ton, er entsteht durch verwitternde Steine, er ist weit verbreitet und er ist neben Holz einer der ältesten Baustoffe überhaupt. Zement und Beton haben Lehm für viele Jahrzehnte verdrängt, im Zuge des ökologischen Baues ist es aber wieder auf dem Vormarsch:

    "Der Lehm ist hier in unserer Region zwischen Mönchengladbach, Aachen und Köln eigentlich überall in einem Meter bis 15 Meter dicken Schichten vorhanden",

    Peter Breidenbach, Inhaber der 1984 gegründeten Firma Claytec Lehmstoffe in Viersen am Niederrhein:

    "Das ist ein sehr, sehr gut geeigneter Lößlehm für unsere meisten Anwendungsbereiche, ja, der liegt in der Erde und liegt in der Regel auf Kiesvorkommen. Kiesvorkommen werden ja ausgebeutet, und da stört der Lehm als Deckschicht eigentlich und den können wir dann beziehen."

    Lehm ist ein regionales Material, die Transportkosten sind marginal. Frisch aus dem Boden gewonnen, ist die Aufbereitung des Lehms ausgesprochen einfach:

    "Der Lehm wird noch mal aufgearbeitet, gewalzt, dass eben vereinzelt vorkommende Steineischlüsse beseitigt sind, dasselbe mit dem Sand, den muss man noch mal absieben, aber dann wird beides nur nach Rezepturen gemischt, relativ kurze Mischzeiten, und dann eben in die Gebinde abgefüllt, das ist eigentlich die schönste Form, einen ganz Energie unaufwendigen Baustoff zu haben."

    Der entweder feucht geliefert wird, also direkt verarbeitbar oder trocken, dann wird der Lehm in Mischmaschinen vorab mit Wasser angemacht. Neben dem klassischen Lehmputz lassen sich auch Lehmziegel herstellen.

    "Es entstehen dann natürlich zwangsläufig schwere Wände, mit Leichtlehmstein kann man nicht tragend bauen, aber diese schweren Wände sind energetisch, was die Wärmedämmung angeht, nicht so doll, von dem her gibt es eigentlich seltener die tragende Lehmsteinbauweise."

    Lehm hat zwei entscheide Vorteil: Er sorgt für ein angenehmes Raumklima: Ist die Luft zu feucht, nimmt er Wasser auf, ist die Luft zu trocken, gibt er Feuchtigkeit ab; und er ist ungiftig – ein idealer Baustoff für Allergiker. Zwei Vorteile, die sich im Ausland noch nicht wirklich herumgesprochen haben, auch wenn die Geschäftsverbindungen von Claytec weit reichen:

    "Wir exportieren bis in die Nachbarländer, wir haben einzelne Baustellen in Abu Dhabi und Südkorea und so weiter gehabt, so interessante Baustellen, die man nachher gerne auf der Homepage zeigt, es gibt natürlich in Australien auch Leute, die sich mit Lehm beschäftigen, meistens aus ökologischen Gründen, aber ich denke, dass der Ernst, um nicht zusagen Bierernst, in Deutschland sicher einzigartig ist."

    Das Geschäft, sagt Peter Breidenbach, läuft gut, seine Firma macht einen Jahresumsatz von sieben Millionen Euro. Allerdings ist die Lehmbaubranche noch vergleichsweise klein:

    "Was die gesamte Lehmbaustoffbranche angeht, wenn man das überhaupt so nennen kann, wir haben einige Mitbewerber, es gibt kleinere Firmen, größere möglicherweise nicht, die eben mit Lehmbaustoffen arbeiten, was die im gesamten Jahr an Umsatz macht, würde ich mal sagen, macht ein großes Gipskartonwerk an einem Tag, also wir reden über eine kleine Branche, die sich allerdings außerordentlich munter tummelt und sich auch sehr gut entwickelt."

    Mittlerweile sind große Teile der Wand des alten Hauses in Wesseling bei Köln mit Lehm verputzt. Jenseits der bisher genannten Vorteile hat Lehmputz übrigens einen weiteren nicht zu unterschätzenden Pluspunkt: Zementhaltigen Mörtel kann man nicht wiederverwenden.

    "Beim Lehm sieht das anders aus, man lässt den getrockneten Lehm einsumpfen, das heißt, man fügt noch mal Wasser hinzu und mischt ihn wieder auf und dann ist er jederzeit wieder verarbeitbar."