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Zielschießen in der Umlaufbahn

Raumfahrt. – Zuerst sah es nicht so aus, als ob er sein Geld wert sein würde: der tonnenschwere US-Spionagesatellit von der Größe eines Kleinbusses brach schon kurz nach dem Start 2006 den Funkkontakt zum Pentagon ab und geriet außer Kontrolle. Anfang März wird er auf die Erde stürzen. Die US-Regierung will ihn daher abschießen. Der Wissenschaftsjournalist Dirk Lorenzen erläutert den Plan im Gespräch mit Ralf Krauter.

    Krauter: Herr Lorenzen, wie will man das Ding denn vorzeitig vom Himmel holen?

    Lorenzen: Herr Krauter, man plant, drei Schiffe in den Pazifik zu schicken, und wird dann mit Raketen von diesen Schiffen aus versuchen, den Satelliten zu treffen. Man nimmt dazu Raketen, die man üblicherweise benutzt, um feindliche Raketen abzuschließen, die in das Territorium der Vereinigten Staaten vordringen wollen. So eine Rakete wird dann im entsprechend umprogrammiert, dass sie einen Satelliten in der Erdumlaufbahn treffen kann. Und sollte sie den Satelliten tatsächlich treffen, dann würde der Zusammenstoß mit einer Geschwindigkeit von 37.000 km pro Stunde passieren. Da wird also von beiden nicht viel übrig bleiben.

    Krauter: Der Satellit würde also pulverisiert werden. Wie sicher ist es denn, dass der Plan funktioniert?

    Lorenzen: Das ist keineswegs so sicher, wie das irgendwelche Hollywood-Film glauben machen wollen. Also ein bewegtes Ziel wie diesen Satelliten mit einer Rakete zu treffen ist technisch höchst anspruchsvoll. Und selbst Marines-General James Cartwright, der Vizechef des US-Generalstabs, kalkuliert durchaus ein, dass man den Satelliten nicht treffen können wird. Deswegen hat man auch gleich drei Raketen vorbereitet, die diesen Satelliten treffen sollen. Würde man ihn also bei dem ersten Schuss verfehlen, wird man überlegen, ob man zwei oder drei Tage später einen zweiten, und gegebenenfalls auch noch einen dritten Versuch unternimmt. Auf jeden Fall ist so ein Abschließen eines bewegten Ziels durchaus schwierig.

    Krauter: Dass man sich jetzt zum Abschuss entschlossen hat, das wird damit begründet, dass der Abschuss ungefährlicher sei als in der sonst drohende unkontrollierte Absturz. Stimmt das denn?

    Lorenzen: Das ist eine etwas merkwürdige Argumentation. Man behauptet, so sagt zumindest James Jeffrey, der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater der USA, es ginge hier allein um die Sicherheit der Menschen. Hat er gestern auf einer Pressekonferenz im Pentagon gesagt. Und zwar sagt man, der Satellit hat einen großen Hydrazin-Tank, das ist eine etwa einen Meter große Metallkugel und darin steckt eben Hydrazin, so ein Raketentreibstoff, das ist in der Tat eine sehr ungesunde Chemikalie. Und man hat jetzt Sorge, dass dieser Tank relativ unbeschädigt beim Absturz bis auf den Boden kommen könnte. Darin wäre dann dieses gefrorene Hydrazin, das dann langsam verdampfen würde, und in einem bewohnten Gebiet wurde natürlich dieses Hydrazin in der Tat eine Gefahr für die Menschen in der Umgebung darstellen. Das klingt alles nicht so ganz überzeugend, es stürzen häufig Satelliten ab, und die haben alle noch irgendwie einen Hydrazintank dabei, zugegeben nicht so voll wie jetzt der von diesen Satelliten, aber man kann nicht so ganz glauben, dass es nur um diese Sicherheitsaspekte geht. Vielleicht hat man auch einfach Angst, dass irgendwelche geheime Technologie in diesem Spionagesatelliten auf dem Boden kommt und vielleicht in falsche Hände gerät. Also das Hydrazin allein, meinen viele Experten, sei nicht so ganz überzeugend.

    Krauter: Wenn es gelingt, den Satelliten noch in der Atmosphäre zu zerstören, entstehen da Jahr eine Menge Bruchstücke. Könnten die den anderen Himmelskörper, zum Beispiel der internationalen Raumstation gefährlich werden?

    Lorenzen: Für die Raumstation wird dieser Abschluss völlig ungefährlich bleiben. Denn dieser Satellit wird eine in einer Höhe von etwas über 200 km abgeschossen. Die Raumstation ist fast doppelt so hoch, im Moment so bei 340 km. Aber dann auch mal wieder etwas angehoben. Für die Raumstation droht keine Gefahr und man wird diesen Satelliten in einer so geringen hör abschließen, das Entstehen der Weltraumschrott dann binnen weniger Tage oder Wochen ohnehin in der Atmosphäre verglühen würde. Also der Weltraumschrott der bei diesen Satelliten keine ganz große Gefahr darstellen. Interessant könnte es allerdings werden, wenn es dann tatsächlich ein Teppich von Schrott Teilchen gäbe, ob die Nasa wirklich am 11. März ihren nächsten Space Shuttle zur Raumstation schickt. Denn der müsste dann ja praktisch durch diese Schicht hindurch fliegen. Da kann man gespannt warten.

    Krauter: Bitte sagen Kritiker auch: das Ganze könnte man auch als ein amerikanisches Säbelrasseln gegenüber China interpretieren. Peking hat vor ungefähr einem Jahr ja selbst einen Satelliten abgeschossen, einen eigenen. Wollen die Amerikaner Gleiches wirklich nur zeigen, wir haben es auch drauf?

    Lorenzen: Ich glaube, man freut sich, dass man diese Gelegenheit hat, oder will sie dann nutzen, wenn sie sich schon so bietet, und das mit diesen Hydrazin erklären. Es gibt ja die US-Weltraumpolitik, die im Herbst 2006 veröffentlicht wurde, nach der man ja ganz klar die Vormachtstellung im All beansprucht. Und man sagt ja darin ausdrücklich, man will auch feindlichen Staaten den Zugang zum All verwehren. Und ich glaube, man nutzt das hier durchaus als Demonstration der Stärke, man kann so etwas treffen, wenn es denn gelingt, womöglich wird es auch eine Demonstration der Schwäche, wenn man es nicht trifft. Aber ich glaube, die Begeisterung der Militärs, die steckt eindeutig dahinter, dass sie jetzt im echten Leben das Ganze testen können, und nicht bei irgendwelchen meist doch schön hin frisierte Probeläufen auf der Erde.