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Zinsentscheidung der EZB
"Ein Ende der lockeren Geldpolitik ist nicht abzusehen"

Banken müssen künftig ein halbes Prozent Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Europäischen Zentralbank parken. Eine maßvolle konjunkturelle Abschwächung werde missbraucht, um die Geldpolitik weiter zu lockern, sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, im Dlf.

Jörg Krämer im Gespräch mit Claudia Wehle | 12.09.2019
Der Turm der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main
Die EZB setzt ihre lockere Geldpolitik fort (Getty Images / Thomas Lohnes)
Während der Leitzins der EZB unverändert bei 0,0 Prozent bleibt, wurde der umstrittene Strafzins für Bankeinlagen von - 0,4 auf – 0,5 Prozent gesenkt.
Außerdem beschloss die EZB, die ebenfalls umstrittenen Anleihekäufe wieder aufzunehmen und zwar mit einem Volumen von 20 Milliarden Euro. Weiter werden Banken teilweise von Strafzinsen auf überschüssige Anlagen freigestellt.
Zu den Folgen der heutigen Zinsentscheidung sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank:
"Letztendlich ist das schon ein umfassendes Paket der geldpolitischen Lockerung. Draghi hat heute das bekommen, was er sich schon auf der letzten Sitzung gewünscht hat, obwohl es deutlichen Widerstand aus den Reihen des EZB-Rates gab."
Neue Präsidentschaft, alte Geldpolitik
Ab Herbst könne es unter der Präsidentschaft von Christine Lagarde zu weiteren Lockerungen kommen, ohne dass das Vorteile für die Konjunktur brächte, sagte Krämer. Er halte stattdessen mehr Risiken auf den Finanzmärkten für wahrscheinlich. Wer kein Geld mehr mit Anleihen verdienen könne, weiche möglicherweise in immer risikoreichere Anlagen aus.
"Damit befeuert die EZB ungewollt die Preise an den Immobilienmärkten und leistet dem Entstehen neuer gefährlicher Blasen an den Finanz- und Immobilienmärkten Vorschub," vermutet Krämer.
Druck komme aus den hoch verschuldeten Ländern im Süden der Währungsunion, die die niedrigen Zinsen wollten.
"Da wird eine maßvolle konjunkturelle Abschwächung, die eigentlich nicht so gefährlich ist, sehr stark als Argument missbraucht, um die Geldpolitik weiter zu lockern."