Die Finanzmärkte waren lange vorbereitet auf die Zinswende in den USA, und so fiel die Reaktion auch positiv aus - endlich ist die Unsicherheit verschwunden. Auch Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz, ist angetan von der ersten Zinserhöhung der amerikanischen Notenbank Fed seit fast zehn Jahren:
"Es war ein richtiger Schritt, den man begrüßen muss. Die amerikanische Wirtschaft ist in einer stabilen Verfassung wieder, da gibt es keinen Anlass mehr, die krisenhafte Politik der letzten Jahre fortzusetzen. Die würde nur mit zunehmenden Risiken für die Wirtschaft, für die Finanzmärkte einhergehen. Insofern ist es eine gute Nachricht."
Der Zinsschritt ist jedoch nur klein, eher symbolisch, meint Martin Lück, Investmentstratege des amerikanischen Vermögensverwalters Blackrock. Doch Fed-Chefin Janet Yellen werde im Laufe des kommenden Jahres sehr sensibel weitere Zinsschritte vorbereiten:
"Ökonomisch ist dieser erste Zinsschritt nahezu unbedeutend, und man wird nun sehen, wie die Fed im Jahr 2016 weiter vorgeht, sie wird sich die Datenlage anschauen und dann sehr graduell, wie Frau Yellen auch gesagt hat, vorgehen."
Lange hatte die Fed ja gezögert, die Zinswende einzuleiten aus Sorge um heftige Reaktionen aus den Schwellenländern. 2013 hatte die bloße Ankündigung, man wolle die Geldpolitik straffen, dazu geführt, dass Gelder in die USA verlagert worden waren, und das nicht nur wegen der erwartet höheren Zinsen, sondern auch wegen des stärkeren Dollars. Die amerikanische Währung hat auch jetzt schon leicht zugelegt. Das hilft zwar der Exportindustrie im Euroraum, deren Produkte in den USA dadurch billiger werden. Aber das allein nützt der deutschen Industrie wenig, sagt Reinhold Festge, Präsident des Verbands Maschinen- und Anlagenbau:
"Dadurch, dass die Zinsen in den USA steigen, werden aus den Drittmärkten große Anleihen und große Finanzvolumina zurückgezogen. USA ist nicht mehr als 50 Prozent unseres Exports, sondern es liegt irgendwo bei 10, 12 Prozent. Also das ist nur ein Teil des Kuchens. Es kann durchaus dazu kommen, dass das zu einer Überkompensation in den Drittmärkten führt, dass die sich noch weiter zurückhalten, und das wird uns natürlich wehtun."
Deshalb dürfte auch der Export im kommenden Jahr die Wirtschaft nicht so stark anschieben. Und es wird im Euroraum weitere Auswirkungen des Zinsschritts in den USA geben, auch wenn die EZB gerade angekündigt hat, noch länger Anleihen zu kaufen und also noch mehr Geld in die Märkte zu schleusen. Denn die Notenbanken können nur den kurzfristigen Zins beeinflussen, sagt Martin Lück von Blackrock:
"Es kommt für Investitionsentscheidungen viel mehr darauf an, wie sich mittelfristige Zinssätze, zwei Jahre, fünf Jahre, zehn Jahre entwickeln, und das ist in der Tat noch völlig offen, wie sich das entwickelt, weil es auch eben sehr stark davon abhängt, wie viel Geld Unternehmen und Staaten und andere Defizitsektoren brauchen und wie sehr die andere Seite, eben die Investoren, bereit sind, ihnen dieses Geld zu leihen."
Auch der deutsche Finanzminister wird sich künftig nicht mehr so billig verschulden können, erwartet Michael Heise von der Allianz:
"Man wird die Erholung der Wirtschaft sehen, man wird wieder normalisierte Inflationsraten sehen, man wird die Zinswende in den USA sehen, all dies sind Gründe, warum wir nicht bei den 0,5, 0,6 für zehnjährige Bundesanleihen bleiben werden, sondern vielleicht auf 1 1/4 oder 1,3 Prozent Ende nächsten Jahres hochlaufen sollten."
Die Zinswende in den USA hat also Rückwirkungen auf den Rest der Welt. Eine weitere Folge könnte sein, dass auch die EZB nach einiger Zeit ihre Geldpolitik wieder normalisieren kann. Noch aber werden die Finanzmärkte mit dem Auseinanderlaufen der Entwicklungen in den USA und im Euroraum leben müssen.