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Zivilklausel
Sollen Hochschulen fürs Militär forschen?

Viele Hochschulen haben eine Zivilklausel, die Forschung für militärische Zwecke verbietet. Doch bedeutet die "Zeitenwende", die der Ukraine-Krieg gebracht hat, auch eine Abkehr von diesem Friedensprinzip der Forschung?

Ein Soldat blickt in einem mobilen Labor an der Sanitätsakademie der Bundeswehr am Institut für Mikrobiologie bei einer Demonstration durch ein Mikroskop.
Die Bundeswehr hat ihre eigenen Forschungszentren, wie etwa die Sanitätsakademie. Sie arbeitet auch mit zivilen Bildungs- und Forschungseinrichtungen zusammen. Doch viele Hochschulen schließen das Militär aus - noch. (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
Dürfen Forschungsergebnisse deutscher Hochschulen zu militärischen Zwecken genutzt werden? Etwa 70 von ihnen haben eine Zivilklausel oder Selbstverpflichtungen, die festlegen, dass nur zu zivilen und friedlichen Zwecken geforscht werden darf. Einwerbung von Drittmitteln aus der Rüstungsindustrie sind demnach verboten.
Doch es gibt Gegenstimmen. Im Juli sagte CDU-Chef Friedrich Merz, Zivilklauseln seien nicht mehr zeitgemäß und sollten aufgehoben werden. Er forderte freien Zugang der Bundeswehr zu Schulen und Forschungskapazitäten an Hochschulen, sie müsse wieder einen Platz in der Mitte der Gesellschaft einnehmen.
Im Jahr 2019 hat der Landtag in Nordrhein-Westfalen, mit der Mehrheit von CDU und FDP, die Pflicht zur Zivilklausel bereits abgeschafft. Die Hochschulen dürfen aber selbst entscheiden, sie beizubehalten.

Forschung, um Freiheit zu verteidigen

Auch Jan Wörner, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, ist dafür, die Zivilklauseln zu streichen und begründet das mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. "Ich glaube, gute Verteidigung braucht auch gute Innovation", sagt er. "Und Innovation kommt durch Forschung. Und deshalb glaube ich, dass die Forschenden durchaus auch bereit sein sollten, da entsprechend unterstützend tätig zu werden."
Laut Wörner ist es ohnehin nicht möglich, zwischen ziviler und militärischer Forschung zu trennen. „Es gibt keine Forschung, die sie nicht in beide Richtungen benutzen können. Ob das Navigation ist, Erdbeobachtungen, Quantentechnologien, Nanomaterialien, selbst Geistes- und Gesellschaftswissenschaften können Sie natürlich unterschiedlich nutzen.“ Kriege seien heute mit modernen Technologien verbunden, die auch in Hochschulen und Forschungseinrichtungen entwickelt würden. Man könne nicht verbieten, sie für militärische Zwecke einzusetzen.
Dennoch sei er für wertebasierte Forschung, die ausschließlich für friedliche Zwecke sei. Darin seien Verteidigung und Freiheit und Frieden eingeschlossen. Dies sei auch vom Grundgesetz gedeckt.

Transparente Finanzierung

Chris Hüppmeier, Sprecher des Zivilklausel-Kongresses in Kassel, vermutet darin vor allem die Freiheit des Geldes, des Marktes und Profitinteresse. "Eine solche Interpretation von Freiheit will nur ein negatives Menschenbild vermitteln", sagt er. Darin sei der einzige Schutz der Staat, der mit seinem Verteidigungshaushalt für eine vermeintliche Sicherheit sorge. Hüppmeier spielt damit auf die 100 Milliarden Euro an, die die Bundesregierung 2022 für die Bundeswehr bereitgestellt hat. "Eine solche Wissenschaftspolitik fördert Unsicherheit, Unfreiheit und drastischen Militarismus, der zunehmend zur Verrohung der Gesellschaft führt." Die Zivilklausel sei vor dem Hintergrund eine Errungenschaft.
Hüppmeier bezweifelt, dass Forschung nur zur Verteidigung eingesetzt werde. Zivilklauseln, Transparenzklauseln und Ethikkommissionen könnten verhindern, dass Forschung nicht militärischen Zwecken dient.
Wörner ist ebenfalls nicht dafür, dass Geld aus der Rüstungsindustrie in die Forschung fließen soll. Es sei Transparenz nötig, um das zu verhindern. Trotzdem brauche es Forschung, um Verteidigung sicherzustellen. Die Grundlagenforschung der Physik müsse für friedliche Zwecke ausgerichtet sein, aber der Nutzen für militärische Zwecke sei leider nicht verhinderbar.