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Zivilklauseln an Universitäten
Für eine Wissenschaft des Friedens

Einige Hochschulen verpflichten sich freiwillig dazu, nur zu zivilen Zwecken zu forschen. Jens Zimmer*, Mitorganisator des "Zukunftskongress Zivilklausel" sagte im DLF, dass die Leistungsverdichtung im Bachelor- und Master-Studium Studierende stark dabei einschränke, sich mehr für eine friedensbefürwortende Haltung zu engagieren.

Jens Zimmer* im Gespräch mit Kate Maleike | 27.10.2014
    Ein Demonstrant trägt ein Schild in Form eines Panzers aus Holz mit der Aufschrift "Legt den Leo an die Kette"
    Darf Forschung Mittel aus der Rüstungsindustrie annehmen? (dpa / Daniel Naupold)
    Kate Maleike: Funktechnologien, Drohnen, Militärroboter: Deutschland diskutiert gerade viel darüber, wie und womit es sich in den Krisenherden dieser Welt engagieren soll, und dass dies ein großes Thema ist, ist auch an den Hochschulen zu spüren. Seit diesem Sommer gibt es ja Berichte, wonach die Rüstungsforschung an Hochschulen und die Beauftragung einiger Unis durch das Bundesverteidigungsministerium stark zugenommen haben. Seit 2010 seien, so hatten die Recherchen von "Süddeutscher Zeitung" und NDR ergeben, mehr als 700 öffentliche Forschungsaufträge mit einem Volumen von etwa 390 Millionen ergangen. Als Reaktion darauf haben sich viele Hochschulen im Land um die Einrichtung einer sogenannten Zivilklausel bemüht, mit der sie sich freiwillig dazu verpflichten, nur zu zivilen Zwecken zu forschen, zu lehren und zu arbeiten. Wo diese Bemühungen aktuell stehen, war auch Thema auf dem "Zukunftskongress Zivilklausel", der am Wochenende in Hamburg stattgefunden hat. Jens Zimmer* ist Mitglied im Arbeitskreis Friedenswissenschaft der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg und hat die Konferenz mit organisiert. Guten Tag, Herr Zimmer!
    Jens Zimmer: Guten Tag!
    Maleike: Was sind denn die wichtigsten Signale, die Sie von Ihrer Tagung, Ihrem Kongress in puncto Zivilklausel geben können?
    Zimmer: Ja, Sie hatten das ja schon aufgerufen: In der aktuellen, weltweit zugespitzten Kriegslage, dem als Grundlage die auseinanderdriftende Schere zwischen Arm und Reich ... , wird deutlich, dass also ein Widerspruch zwischen der Möglichkeit, dass niemand mehr hungern müsste und die Kriege beendet werden könnten, ... die Wirklichkeit eben erheblich anders aussieht. Und deswegen ist das wichtigste Signal, das von diesem Kongress ausging, dass für die Aufhebung dieses Widerspruchs eben die Wissenschaft neu eingreifen und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen kann. Aktuell wird das aber sehr stark erschwert durch das Konzept der unternehmerischen Hochschule, in der alles also für die Standortverwertbarkeit und durch Managementstrukturen entdemokratisiert wurde an den Hochschulen.
    Maleike: Sie fordern also ein Umdenken?
    Zimmer: Vor allem, dass diese Entdemokratisierung wieder zurückgenommen wird, genau, und umgedacht wird, denn die Verständigung über die Inhalte von Lehre und Forschung und die Diskussionen darum in den demokratischen Gremien ist also erheblicher Bestandteil der hochschulischen und wissenschaftlichen Arbeit. Also die demokratische Gruppenhochschule war ja vor allem dadurch bestimmt, dass alle Hochschulmitglieder gleiche Rechte hatten und deswegen in die gemeinsame Entscheidung über die Inhalte von Lehre und Forschung eingreifen konnten.
    Maleike: Wie breit ist denn jetzt diese Bewegung der Zivilklausel, so will ich das mal nennen, inzwischen bundesweit? Da war immer die Rede von etwa 20 Hochschulen. Wenn man sich vor Augen führt, dass wir gut über 300 haben, wenn man Universitäten und Fachhochschulen zusammenrechnet, ist das noch recht wenig.
    Zimmer: Ja, man kann sagen, also dass in dieser Krisenlage auch deutlich wird in der hohen Ablehnung der Kriege, so wie ja auch jetzt aktuell der Waffenexporte in den Irak, also die Ansprüche an eine friedliche Gesellschaftsentwicklung sehr stark gehoben werden beziehungsweise also mehr zum Ausdruck gebracht werden und das eben auch in den Hochschulen dann zum Ausdruck kommt. Und jetzt gibt es schon 20 Zivilklauseln, davon allein die Hälfte in den letzten drei Jahren erkämpft, und 30 weitere aufklärende Initiativen. Insoweit gibt es dort ein erhebliches Bündnis aus Zivilklauselinitiativen sowie Asten, die sich an dieser Orientierung beteiligen, was jetzt auch das Gesamtbündnis für den Kongress war, das eben dann noch zusammen mit Organisationen der Friedensbewegung und Gewerkschaften dafür sich einsetzen will, diese Bewegung zu verbreitern. Und soweit kann man sagen, dass die Bewegung also auch größer ist als die Aktiven, die sich zurzeit darin befinden, da diese ja in den Hochschulen, in den Gewerkschaften, in der Friedensbewegung und in der Bevölkerung in die Diskussion gehen und versuchen, über diese notwendigen Entwicklungsschritte aufzuklären.
    Maleike: Herr Zimmer, welchen Sinn macht denn aber eine Zivilklausel, wenn – und das haben ja die Berichte im Sommer auch gezeigt – eine Hochschule, die eine solche hat, also eine Zivilklausel, trotzdem fürs Verteidigungsministerium forscht?
    Es muss über Friedensorientierung gestritten werden
    Zimmer: Ja, man kann sagen, also dass die Zivilklausel selber vor allem eine kulturelle Setzung ist an den Hochschulen, dass über eine Friedensorientierung gestritten werden muss. Und man kann sagen, dass der Sinn der Zivilklausel besonders dadurch behindert wird, was jetzt mit der unternehmerischen Hochschule aufgerufen war, aber auch also das Bachelor-Master-Studium selber mit seinem engen Korsett von Prüfungen, Fristen und Notenkonkurrenz also dazu drängt, im Studium weniger Fragen zu stellen, brav zu sein, schnell das Studium abzuschließen, und die darin also auch angelegte Leistungsverdichtung jetzt auch besonders Hochschulprofessoren, andere Hochschulangehörige stark einschränkt dabei, sich in einer solchen friedensbefürwortenden Haltung mehr zu engagieren und dadurch also auch ermöglicht, dass die Hochschulen eine solche Zivilklausel brechen.
    Maleike: Warum denken Sie, dass Bachelor und Master sozusagen verhindern, dass es mehr Zivilklauseln gibt?
    Zimmer: Das ist relativ klar: Wenn Studierende an die Hochschulen kommen und sich Vorstellungen davon machen sollen, was sie lernen wollen, was sie selber als produktiver Teil der Gesellschaft in die Gesellschaft einbringen wollen, und sie aber auf ein Studiensystem treffen, was in hohem Maße darauf gerichtet ist, rein auf den Arbeitsmarkt und also ja sogar die eigene Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt hin zu orientieren, dann knallt diese verschiedene Orientierung sehr stark aufeinander, denn dann muss sich entschieden werden im Studium, ob man also für die Klausuren und die vorgegebenen Inhalte vor allem lernt, oder ob man selber den Maßstab setzt, in welche Richtung man auch dann die Forschung entwickeln möchte. Und das ist dann auch direkt an der Friedensfrage entscheidend, denn bei den jetzigen Studieninhalten wird das also an sehr wenigen Stellen gelehrt oder darüber diskutiert. Und so kommt es vor allem dazu, dass eine solche, ja, kann man sagen, neue emanzipatorische Bildung, was jetzt möglicherweise neu auch in der Studienreform gesetzt werden muss, also dass das einfach stark behindert wird.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    *Name von der Redaktion geändert