"Glauben Sie es, oder nicht: Ich hatte die Idee in einem Traum", verkündet Sheldon G. Adelson im Werbevideo, das Catherine Iu im Ausstellungsraum der Sands Corporation Macau vorführt. Ehrfurchtsvoll hängen ihre Augen an den Lippen des großen Meisters aus Amerika, der gerade wieder einmal verspricht, aus Macau das Glücksspielzentrum Asiens zu machen. Mit der Welt größtem Casino, das bereits steht. Dem Nachbau seines Venetian-Hotel-, Kongress- und Vergnügungskomplexes, der im Sommer fertig sein soll. Und dem Kotai-Strip, einer 81 Hektar großen Imitation des Las-Vegas-Strips. Die 24-jährige Catherine schluckt, als Meister Adelson verkündet, Macau werde das neue asiatische Las Vegas.
Träume werden schnell wahr in Macau: Wo vor zwei Jahren noch ein Sumpfgebiet war, befindet sich jetzt eine der größten Baustellen Asiens. Der Kotai-Strip, entstanden durch eine gigantische Landgewinnungsmaßnahme, nimmt Form an. Catherine, die Öffentlichkeits-Beauftragte, gerät ins Schwärmen:
"Hier sehen Sie also das Venetian-Macau-Resort-Hotel mit seinen 3000 Suiten. Dahinter den Kotai-Strip. Und das Four-Seasons-Hotel und das Shangri-La-Sheraton. Alle werden sie bereits gebaut."
Oder sind bereits fertig: 2002 fiel das Glücksspielmonopol in der 500.000-Einwohner-Stadt Macau an der Mündung des Perlflusses. Statt einem, haben jetzt sechs Unternehmen Casino-Konzessionen. Das hat zu einem Boom ohnegleichen in dieser Sonderverwaltungszone der Volksrepublik China geführt, die bis Ende 1999 noch unter portugiesischer Verwaltung stand. Rund um die Uhr wird gezockt, inzwischen hat Macau sogar Las Vegas beim Umsatz an Roulette-Tischen und Spielautomaten überholt. 20 Millionen Spielwütige, vor allem Festlandchinesen, besuchen das Glücksspiel-Eldorado im Jahr. Sogar der Sands-PR-Dame Catherine wird es inzwischen zu viel:
"Es wird langsam zum Problem. Gut, kein richtiges Problem. Aber die Leute machen sich Sorgen. Denn viele Casinos stehen mittlerweile direkt neben Schulen. Und da machen die Leute sich Sorgen um ihre Lebensqualität."
Und die war mal etwas ganz besonderes: Nachdem die Portugiesen 1516 in Macau gelandet waren, bauten sie es zu einem wichtigen Handelsposten aus. Unter Duldung der Chinesen, die am portugiesischen Asienhandel gut verdienten, entstand eine lusitanische Insel mitten im China. Zahlreiche Klöster, portugiesisch verwinkelte Gassen und der Platz vor dem alten Senatsgebäude mit seinen Häusern, die auch irgendwo in Portugal stehen könnten, zeugen von dieser Zeit. Seine Geschichte macht Macau noch immer zu einem einzigartigen, relativ kleinen Städtchen im großen China, meint Gary Ngai, der Präsident der chinesisch-portugiesischen Stiftung:
"Während China sich lange Zeit von der Welt abgeschottet hatte, war Macau immer weltoffen. Wir haben uns diese Weltoffenheit während unserer Geschichte bewahrt. Und sie ist unsere einzige Chance, in diesem immensen Land zu überleben: Als chinesische Stadt mit einer südeuropäischen Identität."
Die Zentralregierung in Peking habe die Besonderheit Macaus längst erkannt und wolle sie erhalten, meint der frühere Privatsekretär Mao Tse Tungs, der seit mehr als 20 Jahren in Macau lebt. Nur ist das – eingedenk des Glücksspiel-Booms, der Macau gerade Vollbeschäftigung und Wirtschaftswachstumsrekorde beschert - nicht leicht: Da sucht das "Grand Macau" eben mal 6000 neue Casinoangestellte, nächsten Sommer braucht das "Venetian" der Sands-Gruppe weitere 9000 Mitarbeiter. Also strömen zehntausende in das kleine Macau – Gastarbeiter aus Malaysia, von den Philipinen, aus dem benachbarten Hong Kong und vor allem vom chinesischen Festland. Trotz aller Anstrengungen laufe Macau daher Gefahr, sein portugiesisches Erbe zu verlieren, fürchtet Gary Ngai.
"Mehr als 90 Prozent der Einwohner Macaus sind bereits Chinesen, viele von ihnen Einwanderer aus der Volksrepublik. Da ist die Versuchung groß, eine komplett chinesische Stadt zu werden. Das wäre der einfachste Weg. Aber was passiert dann? Unsere Kultur würde sich auflösen, wir würden nur eine weitere chinesische Stadt sein. Und das wäre ein Desaster."
Macau verändert sich mit atemberaubender Geschwindigkeit: Auch das Vergnügungsviertel an der Avenida Dr. Sun Yat Sen direkt am Ufer des Perlflusses ist Ergebnis einer Landgewinnungsmaßnahme. Am Wochenende vergnügen sich hier jetzt die Studenten. Noémia und Vivian warten im "Casablanca" auf ihre Freunde. Die beiden Chinesinnen studieren Portugiesisch, Vivian ist dafür sogar aus dem fernen Peking nach Macau gekommen. Weil hier der beste Ort in China sei, Portugiesisch zu lernen:
"Macau ist anders. Weil es früher eine portugiesische Kolonie war, gibt es hier eine portugiesisch-chinesische Mischkultur. Und anders als in der Volksrepublik gibt es hier noch mehr Gelegenheiten, Portugiesisch zu sprechen."
Von den Casinos und vom Glücksspiel wollen die beiden Studentinnen nichts wissen. Das sei doch nur etwas für Touristen, meint Vivian. Aber auch dem alten, dem portugiesischen Macau kann Vivian wenig abgewinnen. Sie verbringe die meiste Zeit mit Lernen, wolle so schnell wie möglich nach Peking zurück. Portugiesisch sei ihre Chance, reich zu werden, meint Vivian:
"Ich habe das Sprachstudium gewählt, weil es in China noch wenige Menschen gibt, die Portugiesisch sprechen. Ich habe schon im Gymnasium angefangen und will Lehrerin werden oder Übersetzerin. Oder noch besser: Dolmetscherin – da kann man viel Geld verdienen."
Portugiesisches Erbe hin, Asien-Las-Vegas her: Das kleine Macau tut sich schwer, seinen zukünftigen Platz im großen China zu finden. "Wir müssen der Versuchung des schnellen Geldes widerstehen", warnt der Kulturstiftungspräsident Gary Ngai. "Wir essen gern bei McDonald’s", kichern die Studentinnen Noémia und Vivian. Das Fast-Food-Restaurant, das in eines der stolzen portugiesischen Bürgerhäuser am ehrwürdigen Leal-Senado-Platz eingezogen ist, erfreut sich fast genauso großer Beliebtheit wie die Casinos. Irgendwo zwischen diesen Extremen liegt Macaus ungewisse Zukunft ...
Träume werden schnell wahr in Macau: Wo vor zwei Jahren noch ein Sumpfgebiet war, befindet sich jetzt eine der größten Baustellen Asiens. Der Kotai-Strip, entstanden durch eine gigantische Landgewinnungsmaßnahme, nimmt Form an. Catherine, die Öffentlichkeits-Beauftragte, gerät ins Schwärmen:
"Hier sehen Sie also das Venetian-Macau-Resort-Hotel mit seinen 3000 Suiten. Dahinter den Kotai-Strip. Und das Four-Seasons-Hotel und das Shangri-La-Sheraton. Alle werden sie bereits gebaut."
Oder sind bereits fertig: 2002 fiel das Glücksspielmonopol in der 500.000-Einwohner-Stadt Macau an der Mündung des Perlflusses. Statt einem, haben jetzt sechs Unternehmen Casino-Konzessionen. Das hat zu einem Boom ohnegleichen in dieser Sonderverwaltungszone der Volksrepublik China geführt, die bis Ende 1999 noch unter portugiesischer Verwaltung stand. Rund um die Uhr wird gezockt, inzwischen hat Macau sogar Las Vegas beim Umsatz an Roulette-Tischen und Spielautomaten überholt. 20 Millionen Spielwütige, vor allem Festlandchinesen, besuchen das Glücksspiel-Eldorado im Jahr. Sogar der Sands-PR-Dame Catherine wird es inzwischen zu viel:
"Es wird langsam zum Problem. Gut, kein richtiges Problem. Aber die Leute machen sich Sorgen. Denn viele Casinos stehen mittlerweile direkt neben Schulen. Und da machen die Leute sich Sorgen um ihre Lebensqualität."
Und die war mal etwas ganz besonderes: Nachdem die Portugiesen 1516 in Macau gelandet waren, bauten sie es zu einem wichtigen Handelsposten aus. Unter Duldung der Chinesen, die am portugiesischen Asienhandel gut verdienten, entstand eine lusitanische Insel mitten im China. Zahlreiche Klöster, portugiesisch verwinkelte Gassen und der Platz vor dem alten Senatsgebäude mit seinen Häusern, die auch irgendwo in Portugal stehen könnten, zeugen von dieser Zeit. Seine Geschichte macht Macau noch immer zu einem einzigartigen, relativ kleinen Städtchen im großen China, meint Gary Ngai, der Präsident der chinesisch-portugiesischen Stiftung:
"Während China sich lange Zeit von der Welt abgeschottet hatte, war Macau immer weltoffen. Wir haben uns diese Weltoffenheit während unserer Geschichte bewahrt. Und sie ist unsere einzige Chance, in diesem immensen Land zu überleben: Als chinesische Stadt mit einer südeuropäischen Identität."
Die Zentralregierung in Peking habe die Besonderheit Macaus längst erkannt und wolle sie erhalten, meint der frühere Privatsekretär Mao Tse Tungs, der seit mehr als 20 Jahren in Macau lebt. Nur ist das – eingedenk des Glücksspiel-Booms, der Macau gerade Vollbeschäftigung und Wirtschaftswachstumsrekorde beschert - nicht leicht: Da sucht das "Grand Macau" eben mal 6000 neue Casinoangestellte, nächsten Sommer braucht das "Venetian" der Sands-Gruppe weitere 9000 Mitarbeiter. Also strömen zehntausende in das kleine Macau – Gastarbeiter aus Malaysia, von den Philipinen, aus dem benachbarten Hong Kong und vor allem vom chinesischen Festland. Trotz aller Anstrengungen laufe Macau daher Gefahr, sein portugiesisches Erbe zu verlieren, fürchtet Gary Ngai.
"Mehr als 90 Prozent der Einwohner Macaus sind bereits Chinesen, viele von ihnen Einwanderer aus der Volksrepublik. Da ist die Versuchung groß, eine komplett chinesische Stadt zu werden. Das wäre der einfachste Weg. Aber was passiert dann? Unsere Kultur würde sich auflösen, wir würden nur eine weitere chinesische Stadt sein. Und das wäre ein Desaster."
Macau verändert sich mit atemberaubender Geschwindigkeit: Auch das Vergnügungsviertel an der Avenida Dr. Sun Yat Sen direkt am Ufer des Perlflusses ist Ergebnis einer Landgewinnungsmaßnahme. Am Wochenende vergnügen sich hier jetzt die Studenten. Noémia und Vivian warten im "Casablanca" auf ihre Freunde. Die beiden Chinesinnen studieren Portugiesisch, Vivian ist dafür sogar aus dem fernen Peking nach Macau gekommen. Weil hier der beste Ort in China sei, Portugiesisch zu lernen:
"Macau ist anders. Weil es früher eine portugiesische Kolonie war, gibt es hier eine portugiesisch-chinesische Mischkultur. Und anders als in der Volksrepublik gibt es hier noch mehr Gelegenheiten, Portugiesisch zu sprechen."
Von den Casinos und vom Glücksspiel wollen die beiden Studentinnen nichts wissen. Das sei doch nur etwas für Touristen, meint Vivian. Aber auch dem alten, dem portugiesischen Macau kann Vivian wenig abgewinnen. Sie verbringe die meiste Zeit mit Lernen, wolle so schnell wie möglich nach Peking zurück. Portugiesisch sei ihre Chance, reich zu werden, meint Vivian:
"Ich habe das Sprachstudium gewählt, weil es in China noch wenige Menschen gibt, die Portugiesisch sprechen. Ich habe schon im Gymnasium angefangen und will Lehrerin werden oder Übersetzerin. Oder noch besser: Dolmetscherin – da kann man viel Geld verdienen."
Portugiesisches Erbe hin, Asien-Las-Vegas her: Das kleine Macau tut sich schwer, seinen zukünftigen Platz im großen China zu finden. "Wir müssen der Versuchung des schnellen Geldes widerstehen", warnt der Kulturstiftungspräsident Gary Ngai. "Wir essen gern bei McDonald’s", kichern die Studentinnen Noémia und Vivian. Das Fast-Food-Restaurant, das in eines der stolzen portugiesischen Bürgerhäuser am ehrwürdigen Leal-Senado-Platz eingezogen ist, erfreut sich fast genauso großer Beliebtheit wie die Casinos. Irgendwo zwischen diesen Extremen liegt Macaus ungewisse Zukunft ...