Welthandel
Was Zölle bringen und was nicht

US-Präsident Donald Trump hat Zölle zu seinem Lieblingswort ernannt. Mit ihnen setzt er andere Länder unter Druck. Viele Ökonomen sehen das kritisch. Doch in der Geschichte waren Zölle nicht immer schlecht.

    Ein Containerschiff aus der Vogelperspektive
    Sinnbild des Welthandels: Containerschiff - wie hier vor der chinesischen Küste - sorgen für einen großen Teil des globalen Warentransports (picture alliance / Photoshot / YU FANGPING / Avalon)
    Die Geschichte von Zöllen ist eng mit dem Begriff der Globalisierung oder auch dem Freihandel verknüpft. Seit den 1950er-Jahren sind Zölle weltweit schrittweise zurückgegangen, der Handel wurde liberalisiert. Die Theorie dahinter: Der Wohlstand aller ist am größten, wenn staatliche Beschränkungen des Handels beseitigt sind und dort produziert wird, wo es am günstigsten ist.

    Inhalt

    US-Präsident Donald Trump setzt nun zunehmend wieder auf Zölle. Diese Politik folge einem Trend, sagt Jürgen Matthes vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft: “Wir sehen schon seit der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise - 2008, 2009 - eine ganz langsame Zunahme des Protektionismus.“ Vor allem Schwellenländer hätten angefangen, Zölle zu erheben und sich von der vergleichsweisen freien Marktwirtschaft abzuwenden.

    Warum erheben Länder Zölle?

    Zölle sind Abgaben, die beim Import oder Export von Waren zwischen Ländern fällig werden können. Mit Zöllen erhöhen Regierungen den Preis der importierten Waren und stellen damit heimische Produzenten besser gegenüber ausländischen.
    Staaten wollen so zum Beispiel junge Unternehmen im Inland schützen und verhindern, dass einheimische Unternehmen in Länder mit niedrigeren Löhnen abwandern. Auch können sie durch Zölle Einnahmen erzeugen; auch können Wettbewerbsnachteile durch niedrigere Steuersätze an ausländischen Standorten beseitig werden.
    Nach Ansicht von Fachleuten waren die USA lange Zeit die treibende Kraft hinter dem internationalen Abbau von Zöllen und der Zunahme des Freihandels seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Schon 1948 beschlossen 23 Staaten, darunter die USA, das „Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen“ (GATT) und verpflichteten sich, Zölle und Subventionen abzubauen und Handelskonflikte mittels Schlichtung zu lösen. Dieses Abkommen ging nach fast einem halben Jahrhundert in der Welthandelsorganisation (WTO) auf.

    Welche Rolle spielt die WTO bei Zöllen? 

    Die Welthandelsorganisation (WTO) wurde 1994 gegründet und hat heute 166 Mitglieder. Ihre zentrale Aufgabe ist eine weitere Liberalisierung des Welthandels. Die WTO ist aber keine Behörde, die über die Rechtmäßigkeit von Zöllen wacht. Vielmehr überwachen sich die Mitgliedsländer gegenseitig.
    WTO-Mitglieder machen beim Beitritt Zusagen und können Zölle danach nicht einfach erhöhen, außer ihre nationale Sicherheit wäre bedroht. In der WTO gilt das "Prinzip der Meistbegünstigung". Das heißt, ein Zollsatz, der einem anderen Land gewährt wird, steht auch allen anderen zu. Ausnahmen gelten etwa bei Freihandelsabkommen oder für Entwicklungsländer.
    Schon unter ihrem Präsidenten Barack Obama kritisierten die USA, dass die WTO-Regeln nicht wirksam seien und beispielsweise bei Chinas Handelspraktiken nicht greifen. Gemeint waren damit vor allem Chinas staatliche Subventionen für heimische Unternehmen, die deren Produkte deutlich vergünstigten.
    Tatsächlich verhindern die USA seit 2019 die Ernennung neuer Richter am WTO-Schiedsgericht. Seitdem ist der Mechanismus lahmgelegt. Wie wichtig dieser wäre, zeigt sich etwa bei den E-Auto-Zöllen der EU gegen China. Die EU betrachtet sie als zulässig, China nicht. 

    Wann ist es erlaubt, Zölle zu verhängen?

    Protektionismus und Freihandel sind nach Ansicht von Fachleuten legitime wirtschaftspolitische Instrumente. Staaten dürfen Zölle auch unter den WTO-Regeln erheben. Sie sind ein reguläres Mittel der Handelspolitik. 
    Anders ist das bei sogenannten Strafzöllen - also Sanktionsmittel, etwas wenn Länder Waren zu Dumpingpreisen verkaufen. Nach den Regeln der Welthandelsorganisation dürfen Staaten Strafzölle nur dann erheben, wenn zuvor ein Streitschlichtungsverfahren stattgefunden hat. 

    Wann können Zölle für Länder sinnvoll sein?

    In vielen Länder standen Zölle am Anfang der erfolgreichen Industrialisierung. Damit schützten sich Deutschland und die USA im 19. Jahrhundert gegen Großbritannien, das Mutterland der Industrialisierung. Das ermöglichte beiden Ländern, selbst eine industrielle Produktion aufzubauen.
    Doch es gibt auch andere Beispiele. Im 20. Jahrhundert misslang dies einigen Ländern, etwa in Lateinamerika. Dagegen waren einige asiatische Länder äußerst erfolgreich. Zunächst Japan, dann auch Südkorea, Taiwan, Singapur und Hongkong und seit Ende der 1980er-Jahre China sowie mittlerweile Vietnam.
    Heute ist ein Großteil der Autos, Schiffe oder Smartphones und vieler anderer Waren „Made in Asia“. Volkswirtschaften wie Südkorea oder Japan sind nun auf Augenhöhe mit Deutschland oder den USA.
    Es gibt auch aktuelle Beispiele, in denen Zölle einzelnen Branchen auf die Beine helfen konnten. So beispielsweise mit Donald Trumps Zöllen auf chinesische Solarmodule in seiner ersten Präsidentschaft. Diese wurden von Joe Biden weiter verschärft.
    Heute gibt es neue Solarmodulfabriken in den USA, obwohl die Lohnkosten dort höher sind. Auch bei der Chipproduktion gibt es eine ähnliche Tendenz. Dieses Zurückholen von Industrien durch Zölle wird von Fachleuten „Reshoring“ genannt.
    USA können sich Zollstreits leisten
    Allerdings könne das nicht in jeder Branche erfolgreich gelingen, sagt Robin Brooks von der Washingtoner Denkfabrik Brookings. „Natürlich gibt es Lieferketten, die so komplex sind und so weitreichend, dass man die nicht einfach umbauen kann. Ein Bruchteil davon wird zurückkommen.“
    Brooks geht davon aus, dass viele schlechter bezahlte Dienstleistungs- in Industriejobs umgewandelt werden könnten. Neue Fabriken könnten sich bemerkbar machen, weil damit die Nachfrage nach besser bezahlter Arbeit steige.
    Donald Trump will Zölle auch als Instrument einsetzen, um von anderen Staaten ein Entgegenkommen auf anderen Politikfeldern zu erpressen. Als dominante Wirtschaftsmacht können sich die USA solche Zollauseinandersetzungen leisten, sagt Sebastian Dullien.
    Der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung sagt: „Aus der Zolltheorie wissen wir, dass es besonders problemlos für ein großes Land ist, Zölle gegen kleine Handelspartner einzusetzen." Bei letzteren würden dann die Preise gedrückt, "ohne dass es dem großen Handelspartner sehr viel wehtut".

    Wem schaden Zölle?

    Zu den großen Gewinnern der Globalisierung und dem Abbau von Zöllen gehörten westliche Konzerne. Sie konnte anderswo jahrzehntelang deutlich billiger produzieren. Ganze Branchen verlagerten die Produktion aus den USA und der EU in Billiglohnländer – besonders nach China.
    Unter Mao Zedong hatte China das „Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen“ von 1948 noch als ein „kapitalistisches Kartell“ abgestempelt. 2001 trat es der WTO bei. Damals hatte es sich bereits zur "Werkbank der Welt" entwickelt. 
    Für Verbraucher sind Zölle „bitter“
    Nun bauten Chinesen viele Produkte, die vorher US-Amerikaner oder Europäer gebaut hatten. In den 2000er-Jahren sank die Zahl der Jobs im verarbeitenden Gewerbe in den USA um sechs Millionen Beschäftigte. Allerdings profitierten alle als Konsumenten, weil die Preise für Produkte infolge der Liberalisierung des Welthandels teils drastisch sanken. 
    Heutzutage sehen die USA indes Handlungsbedarf, weil ihre Handelsbilanz negativ ist. Das heißt: Der Wert der eingeführten Waren ist deutlich größer als der der Exporte. 
    Doch sind sich Ökonomen weitgehend einig, dass sich Zölle vor allem negativ auf Preise auswirken. So sagt der Vizepräsident der US-Handelskammer, die Zollpolitik Trumps würde keine Probleme lösen, sondern lediglich „die Preise für amerikanische Familien erhöhen und Lieferketten auf den Kopf stellen“.
    „Für US-amerikanischen Verbraucherinnen und Verbraucher sind Zölle insgesamt bitter“, sagt auch Geraldine Dany-Knedlik, Konjunkturexpertin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Es sei auch unklar, welche Effekte Zölle auf bestehende Lieferketten habe.
    Außerdem sei ungewiss, ob Zölle die Staatseinnahmen erhöhten. „In dem Moment, in dem ich einen Zollsatz erhebe, gibt es eine Marktreaktion. Man muss dann damit rechnen, dass die Menge der Einfuhren wegen der Zölle sinkt“, so Dany-Knedlik. 

    Warum droht durch Zölle ein Handelskrieg? 

    Gewöhnlich reagieren die von den US-Zöllen betroffenen Staaten mit Gegenmaßnahmen. Das könne sich zu Handelskriegen aufschaukeln, sagt Laura Daniels von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin: „Größere Handelsauseinandersetzungen haben historisch immer zu solchen Spiralen von Zöllen geführt und zu einer Verschlechterung der weltweiten wirtschaftlichen Situation beigetragen.“
    Nach dem Zweiten Weltkrieg habe man erkannt, dass Phasen von Ungleichheit und Inflation auch zu aggressivem Verhalten in der Außenpolitik führten, sagt Daniels. Das wollte man verhindern, „indem man eine Handelsordnung schafft, die darauf ausgerichtet ist, Zölle abzubauen". Das war "die Geburtsstunde dessen, was dann später die Welthandelsorganisation wurde“.

    Interne Quellen

    Externe Quellen

    Text: Casper Dohmen, Nico Martin