Ein Staatstheater öffnet seine Türen und geht auf diejenigen zu, die normalerweise nicht zum Stammpublikum gehören. Geht in die Stadtteile, sucht Kooperationen mit kleinen Bühnen der freien Szene, bewusst auch mit Migrantenvereinen. Das ist nichts Neues.
Doch in Darmstadt gab es das lange nicht mehr. Erst seit wenigen Monaten war es der Schauspieldirektor Jonas Zipf, der mit viel Engagement für die Öffnung des Staatstheaters sorgte. Zipf suchte und fand die Zusammenarbeit mit der lebendigen freien Kulturszene der Stadt. Zuletzt etwa als einer der Kuratoren des erfolgreichen "Datterich-Festivals" - das eine südhessische Mundart-Posse aus dem Biedermeier entstaubte und damit allein in einer Nacht rund jeden zwanzigsten Darmstädter auf die Beine und an mehrere Dutzend Spielorte brachte.
Doch jetzt muss der erfolgreiche Darmstädter Schauspielchef gehen. Warum, will Intendant Karsten Wiegand aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht verraten:
"Ich kann verstehen, dass man einen hohen Anspruch hat an so eine öffentlich-rechtliche Institution. In Sachen Transparenz und Auskunft und in all dem. Aber manchmal darf es eine Theaterleitung arbeitsrechtlich einfach nicht. So sind die Gesetze und die sind in bestimmten Dingen auch sehr weise, weil sie auch Menschen schützen. Und das müssen wir jetzt einfach so handhaben."
Schwer zu ertragen für Gösta Gantner. Der Philosoph war einer der Co-Kuratoren des "Datterich-Festivals", für das sich auch der nun in Ungnade gefallene Schauspielchef engagierte. Gantner hat in den letzten Tagen 150 Unterschriften Darmstädter Kulturschaffender, Wissenschaftler und Politiker gesammelt, die ihre Solidarität mit Jonas Zipf ausdrücken:
Darmstadt verliert mit Jonas Zipf den Kopf des Staatstheaters, der extrem neugierig war auf diese Stadt und ihre Menschen. Auf die kulturellen Potenziale, die in ihr sind. Der stets menschennah und zugewandt allen begegnete. Der von morgens bis abends daran gedacht hat, wie können wir alle diese großartigen Potenziale, die diese Kleinstadt nun mal hat, in irgendeiner Weise nutzen, um diese Stadt kulturell voranzutreiben.
Hoffen, dass sich die Türen nicht wieder schließen
Zeitgleich mit dem Schauspielchef verlassen auch der Operndirektor Bertold Schneider und zwei Dramaturginnen das Theater. Besondere die freie Szene der Stadt sorgt sich nun darum, dass sich die weit geöffneten Türen des Staatstheaters wieder schließen könnten und gemeinsame Projekte gestoppt werden:
"Ziel ist es erst mal, dass das Staatstheater und die Intendanz versteht, was es mit diesen Projekten auf sich hat, die Jonas Zipf nicht nur am Theater gestartet hat, sondern in die Stadt hinein, Kooperationsprojekte mit der freien Szene. Diese konnten zum Teil auch schon verwirklicht werden, aber vieles ist eben bisher nur skizziert, im Aufbruch, was damit verloren geht. Und unsere Hoffnung wäre, dass das realisiert wird, damit man nicht komplett zurückfällt in die alten Zeiten des Gegen- und Nebeneinanders."
Der Intendant Karsten Wiegand verspricht, dass es diesen Rückfall nicht geben wird.
"Die Befürchtungen sind unbegründet und wir wollen hier nicht die ganzen Kontakte und alles was hier angefangen hat, wieder beenden."
Auch der grüne Darmstädter Oberbürgermeister Jochen Partsch versucht, die Wogen zu glätten. Es werde an der bisherigen Konzeption festgehalten, das Staatstheater wieder stärker als in den vergangenen Jahren in die Stadt hinein zu öffnen. Doch der Verweis auf die Konzepte überzeugt den theaterbegeisterten Philosophen Gösta Gantner nicht:
"Das andere sind nun mal auch immer die Köpfe, die Personen, die solche Konzepte verfolgen. Und denjenigen, der Jonas Zipf in dieser Stadt ersetzen soll, den soll man wir erst einmal zeigen, es gibt niemanden, der das kann. Und ich glaube es gibt niemanden, der diese Lücke schließen kann, seitens des Staatstheaters."