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Zollstreit zwischen USA und China
"Deutschland könnte kurzfristig profitieren"

Die USA und China überziehen sich weiter mit Strafzöllen. Der Konflikt zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt beunruhigt auch die deutsche Wirtschaft. Außenhandels-Ökonom Thomas Straubhaar sagte jedoch im Dlf, in unsichereren Zeiten sei die Stabilität Deutschlands ein wichtiger Faktor.

Thomas Straubhaar im Gespräch mit Klemens Kindermann |
    Thomas Straubhaar
    Thomas Straubhaar, Professor für internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Hamburg und ehemaliger HWWI-Direktor. (dpa / Daniel Reinhardt)
    Klemens Kindermann: Im Handelskonflikt zwischen den USA und China ist seit heute eine neue Stufe erreicht. Weitere Zölle der USA auf chinesische Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar sind seit diesem Montag in Kraft. Zunächst beträgt der Zollsatz 10 Prozent, am 1. Januar soll er auf 25 Prozent steigen. China belegt im Gegenzug US-Waren im Wert von 60 Milliarden Dollar mit Zöllen.
    Ich kann dazu jetzt sprechen mit Professor Thomas Straubhaar, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Hamburg, langjähriger Leiter des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts (HWWI). Guten Tag.
    Thomas Straubhaar: Guten Tag.
    Kindermann: Herr Professor Straubhaar, der Internationale Währungsfonds bezeichnet den von den USA ausgelösten Handelskonflikt in aller Welt als größtes weltwirtschaftliches Risiko der Gegenwart - ist das so?
    Straubhaar: Das ist deshalb zumindest nicht falsch, weil wir letztlich in den letzten 50 Jahren mit offenen Märkten, mit Arbeitsteilung, mit Spezialisierung, mit Globalisierung letztlich sehr, sehr gut gefahren sind. Die letzten 50 Jahre waren alles in allem sehr, sehr gute Jahre für die Weltwirtschaft insgesamt mit steigenden Wohlstandsverhältnissen in allen Ländern, die sich dieser Globalisierung geöffnet haben, und wie erfolgreich das war, sieht man am besten vielleicht in Süd- und Nordkorea. Südkorea hat mitgemacht, hat profitiert; Nordkorea hat sich abgeschottet, ist zurückgefallen. Und das wird natürlich jetzt durch diese amerikanische Politik in Frage gestellt.
    Kindermann: Wenn man das in Prozenten ausdrücken will, um wie viele Prozentpunkte könnte das Weltwirtschaftswachstum zurückgehen, wenn dieser Handelskrieg andauert?
    Straubhaar: Es gibt viele Simulationen, die versucht haben, diesen Effekt abzuschätzen. Da würde ich aber ganz große Fragezeichen machen, ob das wirklich korrekt ist, hier jetzt in Prozentpunkten auszudrücken, was der Schaden ist, weil kurzfristig wird sich das vielleicht gar nicht so sehr auswirken auf Wachstumsraten, weil kurzfristig – das ist ja das Glück auch in einem gewissen Maße der Globalisierung und auch der Digitalisierung – andere Effekte stärker sind und vielleicht etwas, was im Handel zwischen Amerika und Europa oder im Handel Amerika und China nicht mehr funktioniert, von anderen Ländern oder durch andere Technologien oder andere Lösungen aufgefangen werden kann. Ich denke, was wichtiger ist, ist der mittel- und langfristige Schaden, der in dem Moment entsteht, wo wir wieder beginnen, in nationalen Räumen zu denken, wo wir beginnen, wieder nationale Interessen durchzusetzen, weil wir eigentlich sehr, sehr gut wissen, dass das ein schleichender Erosionsprozess ist, der dann langfristig auch viel Wohlstand weltweit gefährden wird.
    Kindermann: Wenn Sie lange Frist sagen, dann schauen wir mal zurück. In der Weltwirtschaftskrise zwischen 1929 und 1933 brach der Welthandel um ein Viertel ein. Auch damals war ein Millionär US-Präsident, Herbert Hoover, der ein höchst umstrittenes Zollgesetz erließ. Gibt es da Parallelen?
    Straubhaar: Es gibt insoweit Parallelen, dass wir lernen können, dass solche Handelskriege und Handelskonflikte am Ende eigentlich nur Verlierer und Verliererinnen kennen, weil es sich am Ende nicht lohnt, durch nationale Interessen die Vorteile offener Märkte in Frage zu stellen. Und was es auch lehrt ist, dass das dann sehr nachhaltig und langfristig andauern kann und im letzten Falle sogar zu einem Weltkrieg am Ende mit beigetragen hat, der ja auch durch ökonomische Ursachen mit verursacht worden ist, die dann vielleicht sich auch aufbauschen können zu politökonomischen Problemen, zu Spannungen innerhalb von Ländern, zu Verteilungsfragen, dass langfristig solche Konflikte niemandem wirklich helfen, nachhaltig Probleme zu lösen.
    Deutschland kann kurzfristig profitieren
    Kindermann: Wie wird der Handelskrieg Deutschland treffen, insbesondere unsere exportlastige Industrie?
    Straubhaar: Da habe ich ja schon versucht zu sagen: Kurzfristig würde ich nicht ausschließen, dass wir in Deutschland von solchen Konflikten zwischen Amerika und China sogar profitieren können. Das klingt etwas pervers, aber das ist in hoch verflochtenen Weltwirtschaften so, dass das, was Sie dann vielleicht nicht zwischen Amerika und China handeln, plötzlich zwischen Europa und Amerika oder Europa und China handeln. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, und das sehen wir ja schon, dass gerade in unsichereren Zeiten die Stabilität Deutschlands ein wichtiger Faktor wird, weil unsere Firmen liefern können. Drittens und vielleicht am wichtigsten, dass ja auch ganz neue Waffen jetzt in diesem Welthandelskonflikt eingesetzt werden, beziehungsweise Waffen, die immer schon bekannt waren, aber jetzt stärker eingesetzt werden, und das hat etwas mit Wechselkursen zu tun. Was wir ja sehen ist, dass unverändert der Euro unverändert eine schwache Währung ist. Das hilft unseren Exporten und ist wie ein Importzoll, der ausländischen Gütern in Europa das Leben schwerer macht.
    Gezielte Abwertung des Renminbi gegenüber dem Dollar
    Kindermann: Herr Straubhaar, wenn Sie von Waffen sprechen, kann man denn sagen, dass die aktuelle US-Regierung den Dollar als Mittel einsetzt, indem bei Wirtschaftssanktionen Unternehmen von Finanzierungsströmen in Dollar ausgeschlossen werden?
    Straubhaar: Das ist sicher eine ganz wirkungsvolle Drohung Amerikas. Das wurde ja auch schon eingesetzt, dass man Konkurrenten den Zugang zu internationalen Finanzmärkten erschwert, dass man den Dollar als Weltwährung nutzt, um entsprechend auch ökonomische Ziele zu erreichen, dass man vielleicht auch ausnutzt, dass China selber der größte Gläubiger Amerikas ist mit Forderungen gegenüber Amerika in Höhe von zwei bis drei Billionen Dollar. Das kann man natürlich durchaus nutzen, weil China von Amerika und dem Dollar abhängig ist. Aber wir müssen auch fair sein und sagen: Das ist natürlich nicht nur Amerika, das seine Währung missbraucht, um politisch oder machtpolitisch zu agieren. Das ist sehr spannend, wenn Sie sich den Wechselkurs zwischen China und Amerika angucken. Dann können wir feststellen: In dem Moment, wo Amerika Strafzölle im Frühjahr angedroht hat gegenüber China, hat der Renminbi gegenüber dem Dollar an Wert verloren, mittlerweile in einer Größenordnung von zehn Prozent. Und es soll niemand sagen, dass das das Ergebnis von freiem Angebot und Nachfrage der chinesischen Währung ist, sondern das ist eine gezielte Abwertung des Renminbi, der chinesischen Währung gegenüber dem Dollar. Das macht natürlich chinesische Güter gegenüber amerikanischen zehn Prozent attraktiver.
    Kindermann: Kann man nicht sagen, wenn wir jetzt schon über China reden, dass die bisherigen Handelspraktiken Chinas, wozu ja auch gehört Abschottung vor dem Marktzugang ausländischer Unternehmen – das wird ja nicht nur von den USA kritisiert, sondern auch von Europa -, kann man nicht am Ende sagen, es ist richtig, China durch einen Handelskrieg zur Öffnung seiner Märkte zu zwingen?
    Straubhaar: Richtig ist die Feststellung. Da, denke ich, haben wir als Europäerinnen und Europäer auch gesündigt, dass wir nie ernsthaft über die Welthandelsorganisation (das wäre das Organ gewesen) eingefordert haben, dass China die Forderungen der Öffnung der Märkte auch wirklich einhält, dass es nicht mit Subventionen das unterlaufen kann, dass es auch zum Beispiel Eigentumsrechte schützen muss, dass es wirklich auch bei Kapital und bei anderen Transaktionen fair spielen muss nach den Regeln der Welthandelsorganisation. Ob die Konsequenz dann ist zu sagen: Jetzt, wenn ihr das nicht macht, dann bedrohen wir euch über einen Währungskonflikt oder Handelskonflikt, dann müssen wir auch wieder als Europäerinnen und Europäer sagen, da sind wir dann nicht in der Lage, einheitlich mit einer Stimme zu sprechen, dazu sind wir zu divers und auch sehr unterschiedlich gegenüber China eingestellt. Man muss schon vorsichtig sein, bevor man eine solche Drohung ausstößt, dass man dann auch wirklich etwas hat, um die Drohung, wenn es dann so weit sein sollte, auch irgendwie umsetzen zu können, und da sind wir weit weg davon.
    Das Ende der WTO
    Kindermann: Sie haben die Welthandelsorganisation genannt. Hat die sich nicht eigentlich jetzt schon überlebt?
    Straubhaar: Ja, das fürchte ich auch, und das ist deshalb ein Drama für Europa, weil die Welthandelsorganisation zwei Effekte für uns in Europa gehabt hat. Einmal: Sie hat im Prinzip, weil es ja ein Gleichbehandlungsrecht gibt, bei dem jedes Land eine Stimme hat, kleine Länder groß und große Länder klein werden lassen. Das heißt, Luxemburg hat dasselbe Stimmrecht wie China und meinetwegen Malta dasselbe wie Amerika. Das ist der eine Punkt.
    Das zweite ist: Europa, die EU der 28 Mitgliedsländer, hat 28 Stimmrechte. Amerika hat eins. China hat eins. Das heißt, die WTO war eine Institution, von der gerade Europa überdurchschnittlich hat seine Interessen in die Welt übertragen können, und wenn die am Ende ist, dann verliert Europa massiv an politischem Gewicht.
    Kindermann: Wir sprachen über die heute neu in Kraft getretenen Zölle zwischen den USA und China mit Professor Thomas Straubhaar, Professor für internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Hamburg. Vielen Dank!
    Straubhaar: Gern geschehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.