Buddha-gleich sitzt die Pandabärin Yang Yang mit ihrem Filius Fu Bao gelassen in ihrem Gehege im Wiener Zoo Schönbrunn und genießt ihre Leibspeise: Bambus. Riesige Mengen. Bis zu 40 Kilogramm täglich
"Beim Pandabär ist es nun so, dass sie sich hauptsächlich auf Pflanzen spezialisiert haben, eben auf den Bambus, fressen aber auch schon mal eine Raupe oder auch mal was kleines Tierisches, aber eben hauptsächlich Bambus,"
… erklärt die promovierte 36-jährige Verhaltensbiologin Stephanie Winkendick aus dem niederrheinischen Kamp-Lintfort. Sie und ihr Ehemann Reiner beliefern europäische Zoos mit Futterbambus für die vom Aussterben bedrohten chinesischen Exoten.
Die Winkendicks sind Quereinsteiger. Der 53-Jährige ist seit seiner Kindheit passionierter Züchter exotischer Vögel. Vor 21 Jahren kommt der damals noch im Kohlebergwerk beschäftigte Ingenieur auf die Idee, sein Wissen über die Gestaltung von Biotopen in Volieren den Zoos anzubieten und die entsprechenden Pflanzen zu liefern. Ein zweites finanzielles Standbein in Zeiten des Zechensterbens.
Das Konzept geht auf, zahlreiche deutsche und europäische Tierparks ordern bei ihm fortan größere Mengen Zier- und Futterpflanzen, die er mit einem Kooperationspartner im holländischen Asten, 20 Kilometer westlich von Venlo, züchtet. Das Schicksal meint es weiterhin gut mit ihm. Der Lieferant des aus Südfrankreich kommenden Futterbambus für die Berliner Pandas verdoppelt 2007 den Preis über Nacht. Das ist dem Zoo zu happig.
"Und der Berliner Zoo war praktisch der erste, der aus diesen Bambuslieferungen dann auch die Idee hatte, ob wir nicht auch Futterbambus liefern könnten. Wir waren natürlich damals mit der Fragestellung völlig überfordert, weil wir nicht wussten: welche Arten, welche Mengen, wie transportieren? Das Material muss ja frisch sein. Wurde uns aber erklärt und dann haben wir eben mit Berlin angefangen, damals für Bao Bao und den anderen Bären, große Mengen Futterbambus zu schneiden und zu liefern."
600 Kilo die Woche für zwei Bären
Das Wagnis gelingt.
"Nachdem das anfangs so ein bisschen holprig war – Gott sei Dank waren die Bären in Berlin absolut pflegeleicht, da mussten nur irgendwelche Phyllostachys-Bambus geliefert werden. Den Bären war alles recht, war immer gut. Nur die Menge musste stimmen. Also von daher war es leicht."
Nach Berlin fragt kurz darauf auch der Wiener Tiergarten Schönbrunn für seine beiden Pandas an. 2011 interessiert sich dann noch der schottische Zoo in Edinburgh für Winkendicks Futterbambus für das dortige Pärchen. Und mit den beiden weiteren europäischen Tiergärten mit Pandas, Madrid und Beauval in Frankreich, laufen derzeit Verhandlungen.
40.000 Quadratmeter ist die Bambusplantage in Asten groß. Hier wachsen 70 unterschiedliche Arten Futterbambus, vom zarten bodendeckenden bis hin zum zehn Meter hohen Phyllostachys mit seinen markanten gelb-orangenen Halmen. 20 Sorten produziert das Unternehmen in großen Mengen. Die Breite des Sortiments ist wichtig.
"Das Thema mit dem Futterbambus ist nicht so ganz einfach. Die Bären sind außerordentlich wählerisch, fressen noch längst nicht alles und ändern ihren Geschmack im Grunde genommen auch ständig."
Einmal wöchentlich gehen die Bestellungen der Zoos per E-Mail ein. Den Speiseplan legen jeweils die Tierpfleger fest, die den Geschmack ihrer Schützlinge am besten einschätzen können.
Drei Mitarbeiter ziehen dann montags und dienstags mit Motorsensen durch die Plantage und ernten die zum Teil daumendicken, verholzten Bambushalme mit dem immergrünen Laub. Für die Bären sind selbst die holzigen Teile Leckereien.
"Im Moment schicken wir für einen Zoo 600 Kilo pro Woche für zwei Bären, und das reicht teilweise noch nicht aus."
Die Plantage, fast so groß wie sechs Fußballfelder, kann, kaum zu glauben, dennoch nur wenige Pandamäuler stopfen.
"Fünf Bären gleichzeitig ist kein Problem. Wir können auch vielleicht zehn Bären gleichzeitig füttern, aber dann hört es auch auf. Eigentlich dauert es drei Jahre, bis man an der gleichen Stelle wieder schneiden kann, bis der dann wieder so viel Volumen hat, dass es sich lohnt. Das heißt: Daran merkt man schon, wie riesig diese Flächen sein müssen, wenn man jede Woche im Grunde genommen ein paar hundert Quadratmeter abschneidet."
Und auch kantige Charaktereigenschaften der Tiere können die Erntemenge beeinflussen.
Der männliche Panda braucht den Überfluss an Bambus
"In Edinburgh ist es zum Beispiel so: Gerade der männliche Bär braucht den Überfluss, um überhaupt fressen zu können. Wenn er zu wenig in seinem Gehege hat, dann will er gleich gar nicht mehr. Er möchte also aus dem Vollen schöpfen. Und dann möchte er trotzdem davon eine Menge übrig lassen. Also, das ist in Edinburgh schon ein Problem."
Schnell muss der geschnittene Bambus seine Adressaten erreichen und frisch bleiben. Nach der Ernte werden die Halme daher befeuchtet, in Folie geschlagen, dann in Kisten gepackt und per Kühltransport, so wie Obst und Gemüse, per Spedition auf die Reise geschickt.
Düngung, Insektizide und Pestizide sind in der Plantage tabu. Fatal wäre es, wenn auch nur einer der kostbaren Pandas zu Schaden käme. Schließlich leben weltweit nur noch 1600 Tiere und lediglich acht in den europäischen Zoos.
"Chinesen verleihen diese Bären nur, der Zoo kann die nicht kaufen, der kann die nur leihen. Und die kosten eine Million Dollar pro Jahr. Sehr viel Geld, aber Pandas sind Publikumsmagnete. Jeder Zoo rechnet das vor, dass es sich lohnt, weil einfach super viel Besucher da sind."
Nicht unerheblich sind auch die Futterkosten.
"Wenn Sie den heftigen Wunsch verspüren, Panda-Bären zu halten, kann ich Ihnen versichern, dass Sie im Jahr für den Futterbambus einige zigtausend Euro aufwenden müssen. Es ist schon ein Haufen Geld."
Die Winkendicks lieben Pandas.
"Es sind, auf Deutsch gesagt, niedliche Viecher."