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Zoologie
Lauschangriff auf Erdmännchen-Familie

Erdmännchen setzen voll auf Teamplay. Sie leben in Familien und machen alles zusammen: Futter suchen, Nachbarn bekämpfen, Schlangen abwehren und den Nachwuchs großziehen. Verhaltensforscher interessieren sich dafür, wie sich ein Erdmännchen-Clan genau koordiniert. Dafür haben sie in Südafrika einen Lauschangriff auf die Tiere gestartet.

Von Anne Preger |
    Drei Erdmännchen suchen Schatten
    Inzwischen kennen Forscher mehr als 35 verschiedene Erdmännchen-Rufe. (picture alliance / dpa / Thomas Frey)
    In der Kalahari geht gerade die Sonne auf. Gabriella Gall kniet auf dem Sandboden, direkt neben einem Erdmännchen. Das Weibchen streckt die Schnauze der Sonne entgegen, um sich aufzuwärmen. Von der Biologin lässt es sich nicht stören. Es lebt wild im Nordwesten Südafrikas. Nah an der Grenze zu Botswana liegt das Forschungsgebiet des Kalahari Meerkat Project. Dort untersuchen Wissenschaftler seit mehr als 20 Jahren das Verhalten von Erdmännchen-Gruppen. Dieses Weibchen und seine kleine Familie haben einen kämpferischen Namen bekommen, obwohl sie ziemlich friedlich sind.
    "Kung Fu ist eine Gruppe, die ist sehr gut an Menschen gewöhnt. Und das heißt, man kann wirklich sehr nah an die ran."
    Überwachungstechnik am Halsband
    Gabriella Gall ist für die Universität Zürich hier. Mit der Zange eines Taschenmessers will sie eine kleine Box am Halsband der Anführerin der Gruppe befestigen. Gar nicht so einfach, denn das Erdmännchen lässt sich zwar vorsichtig streicheln, aber nicht festhalten. Die kleine Box ist vollgestopft mit Überwachungstechnik. Sie enthält unter anderem einen Bewegungssensor.
    "Das GPS nimmt die Position auf, und das Mikrofon, das nimmt die ganzen Rufe auf, die sie den ganzen Tag von sich geben. Und sie geben sehr viele Rufe von sich meistens."
    Jetzt gerade signalisieren die fünf Erdmännchen einander, dass sie entspannt sind - beim Sonnen vor dem Bau. Doch sie nutzen auch verschiedene Alarmlaute, um sich zum Beispiel vor Schlangen oder Raubvögeln zu warnen. Inzwischen kennen Forscher mehr als 35 verschiedene Erdmännchen-Rufe. Gabriella Gall interessiert sich für ihre Doktorarbeit vor allem für die Frage: "Wer entscheidet, wo die ganze Gruppe hingeht?"
    Ist die Clanmutter in den meisten Situationen der Boss, oder sind es vielleicht auch mal schwächere Tiere, auf die die Familie Rücksicht nimmt?
    "Weil es ziemlich schlecht für die Tiere ist, wenn sie alleine sind – weil sie eher gefressen werden, es ist nicht so warm, sie finden weniger Futter, sie haben keinen, der Wache hält für sie – versuchen die alle, als Gruppe unterwegs zu sein."
    Die Führungslaute auswerten
    Dafür müssen die Tiere untereinander permanent Kontakt halten, über Bewegungsrufe – also: "Los, lasst uns gehen." und Führungslaute – also: "Hier geht es lang." Vor allem die will die Biologin aufzeichnen und später auswerten. Im Moment ist aber erst Aufwärmen angesagt und dann Fressen. Während die anderen Familienmitglieder nach Insekten scharren, hält der Clanvater Wache. Dafür ist er auf einen Busch geklettert. Gereckt in typischer Erdmännchen-Pose sucht er die offene Savannen-Landschaft und den Himmel ab nach Gefahren - und wird fündig. Mit einem bestimmten Alarmruf warnt er die Gruppe.
    Gall: "Das machen die, wenn irgendwas sich bewegt, kann eine Antilope sein, kann ein Auto sein, kann ein Mensch sein, irgendwas sich Bewegendes."
    In diesem Fall sind es fremde Erdmännchen. Vier, die offenbar auf ein Rendezvous mit der Clanchefin hoffen.
    "Die ganze Gruppe ist etwas aufgeregt, vor allem die Männchen. Ja, die sind auch sehr nah, die Tiere ... es ist so, weiß nicht, 15 Meter. Und die rennen die ganze Zeit um die Gruppe rum."
    Die Männchen der Gruppe beginnen, ihr Territorium zu markieren, sie reiben sich an Büschen und versehen sie mit ihrem Duft. Schließlich stürmen alle fünf Familienmitglieder auf die Eindringlinge los. Mit hoch erhobenen Schwänzen.
    "Das macht die sozusagen ein bisschen größer. Das ist war dancing, also Kriegstanzen sozusagen. Richtig schön."
    Einen Kampf gibt es dann nicht. Die fremden Männchen halten Abstand, lungern für ein paar Stunden in der Nähe herum – und ziehen schließlich ab. Die Kung Fu Gang hat sich durchgesetzt.
    "Hier kann man gucken, wenn jetzt eine andere Gruppe kommt, wer eigentlich die Initiative ergreift, irgendwas gegen die zu tun. Und zum Beispiel, was man klar sagen kann: Das dominante Weibchen ist es nicht, weil es interessiert sich dafür überhaupt nicht."
    Der Anführerin der Gruppe ist Futter offenbar gerade wichtiger als Verehrer. Sie hat nämlich vier Jungen zu säugen. Am Abend hat das Weibchen keine Geduld, sich die Rekorderbox vom Hals nehmen zu lassen. Bei Sonnenuntergang verschwindet es einfach mit ihr im Bau. Ein Glücksfall für Gabriella Gall: Die Biologin bekommt so einzigartige Aufnahmen vom Familienleben der Erdmännchen im Bau.
    Die vier Jungen kriegen endlich ihre Milch und schlafen dann ein.