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Zoologie
Wie Quallen die Meeresströmung nutzen

Quallen sind den Strömungen im Meer ausgeliefert und werden von diesen einfach weggetragen. Dass diese gängige Vorstellung wohl nicht ganz zutrifft, berichten Meeresbiologen im Fachmagazin "Current Biology". Offenbar können zumindest Blumenkohlquallen ihre Schwimmbewegungen gezielt an die jeweiligen Strömungsrichtungen anpassen.

Von Lucian Haas |
    Es ist schon eine eigenartige Vorstellung, an einer glibberigen Masse wie dem Körper einer Qualle eine Messsonde mit Beschleunigungssensoren befestigen zu wollen. Sabrina Fossette hat aber genau das getan.
    "Die Quallenart, die wir erforschen, ist die Blumenkohlqualle, Rhizostoma octopus. Das sind relativ große und robuste Quallen. Das macht es etwas einfacher. Wir haben ihnen ein Plastikband um den dünnen Körperbereich zwischen ihrem Schirm und den Tentakeln gelegt – also gewissermaßen um den Hals, wenn man das von einer Qualle so sagen kann. Und an diesem Plastikband war dann der Datenlogger befestigt."
    Sabrina Fossette ist Meeresbiologin an der Universität von West-Australien in Perth. Sie erforscht, wie Quallen sich in den Ozeanen fortbewegen. Eigentlich wollte sie mit den Beschleunigungssensoren nur erfassen, wie schnell und wie häufig die Blumenkohlquallen ihre pumpenden Schwimmbewegungen im offenen Meer vollführen. Doch bei der Auswertung der Daten entdeckte sie etwas Unerwartetes.
    "Die Quallen können offenbar Strömungen im Meer erkennen und ihr eigenes Schwimmverhalten an die lokalen Strömungsrichtungen anpassen. Viele andere Meerestiere wie beispielsweise Schildkröten können das nicht. Es ist auch relativ schwer, Strömungsrichtungen ohne äußere Anhaltspunkte im offenen Meer wahrzunehmen. Die Quallen sind aber dazu fähig. Das war sehr überraschend."
    Strömungsmodell hilft, Fähigkeiten der Quallen zu erkennen
    Bisher hatten Biologen von Quallen eine andere Vorstellung. Die knochenlosen Quallen sind leicht und schwimmen relativ langsam. Demnach müssten sie den Strömungen der Meere ausgeliefert sein und von diesen einfach weggetragen werden. Doch die Messdaten, die Sabrina Fossette in der Biskaya vor der Küste Frankreichs gewann, zeichnen ein anderes Bild: Die Blumenkohlquallen dort reagieren eindeutig auf die mit Ebbe und Flut wechselnden Strömungsrichtungen in der Biskaya. Sie schwimmen gezielt gegen diese Strömung an, auch wenn diese deutlich stärker ist. Um dieses Verhalten besser zu verstehen, simulierte Sabrina Fossette die Abdrift der Tiere in einem Strömungsmodell im Computer. Dabei verglich sie in der Simulation Quallen, die nur passiv mit der Strömung treiben, mit Quallen, die ihre Schwimmrichtung aktiv steuern. Das Ergebnis war eindeutig: Das Ausrichten an der Strömung bringt den Quallen einige Vorteile.
    "Die Quallen reduzieren dadurch ihr Risiko, an einen Strand gespült zu werden. Wenn sie in die richtige Richtung schwimmen, und sei es auch nur ein kleines bisschen, erhöht das ihre Überlebensrate deutlich. Außerdem steigen so auch ihre Chancen, als großer Schwarm in ihrem bevorzugten Lebensraum zusammen zu bleiben. Das bringt Vorteile bei der Nahrungssuche und der Fortpflanzung."
    Bleibt allerdings noch die Frage, wie die Quallen im offenen Meer überhaupt erkennen können, in welche Richtung sie von Strömungen abgetrieben werden. Blumenkohlquallen haben keine Augen. Optische Anhaltspunkte können also nicht weiterhelfen. Vielleicht besitzen Quallen einen Sinn für das Erdmagnetfeld, ist eine der Spekulationen von Sabrina Fossette. Ihre bevorzugte Theorie ist aber eine andere.
    "Wenn die Quallen an der Meeresoberfläche schwimmen, liegen sie auf der Seite. Ich denke, dass sie dabei spüren, wie unterschiedlich starke Strömungskräfte auf verschiedene Körperteile wirken. Anhand der Unterschiede können sie dann die Richtung der Strömung erkennen und ihre Schwimmrichtung entsprechend anpassen."
    "Die möglichen Mechanismen genauer zu studieren, ist eins der nächsten Forschungsziele von Sabrina Fossette. Zudem will sie nun der Frage nachgehen, ob nicht auch andere kleine Meerestiere die Fähigkeit besitzen, Strömungen zu spüren und sich daran auszurichten."