Es ist Mitte Februar 2014. Eine dünne Schneeschicht bedeckt den Waldboden. Durchs Unterholz streift eine Wildkatze - ein Männchen auf Partnersuche.
Der Kater nimmt einen verlockenden Duft wahr und geht ihm nach. Doch er trifft nicht auf ein Weibchen, sondern auf einen Holzpfosten, der im Waldboden steckt. Mithilfe solcher Stöcke erforschen Biologen die Wildkatzen.
"Also man möchte herausfinden, über ein sehr breit angelegtes Monitoring: Wie viele Wildkatzen gibt es in Deutschland? Wie dicht sind die Populationen? Gibt es isolierte Populationen? Und auch die Frage der Hybridisierung ist immer noch nicht ganz aufgeklärt."
Also wie häufig sich Wild- und Hauskatzen miteinander paaren. Um all diese Fragen zu beantworten, muss Annika Tiesmeyer vom Senckenberg Forschungsinstitut im hessischen Gelnhausen an die DNA der scheuen Tiere herankommen. Dabei sind die Holzpflöcke im Wald sehr hilfreich.
Freiwillige sammeln Katzenhaare
"Bisher hat man sie meistens mit Käfigfallen eingefangen und untersucht oder mit Sendern belegt und erst seit wenigen Jahren hat man eine neue Methode gefunden, wie man sie erforschen kann. Nämlich mit der sogenannten Lockstock-Methode. Das sind Holzpflöcke, die angeraut sind und in den Wald gestellt werden und mit Baldrian besprüht werden. Die Wildkatze reagiert auf diesen Lockstoff und reibt sich an diesem Stock und hinterlässt Haare. Und mit ein paar wenigen dieser Haare können wir genetische Analysen durchführen und viele neue Erkenntnisse über die Wildkatze gewinnen."
In den letzten drei Jahren hat Annika Tiesmeyer eine Vielzahl solcher Haarproben erhalten. Etwa 600 Freiwillige in zehn Bundesländern sind dem Aufruf des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gefolgt und haben Lockstöcke im Wald aufgestellt, diese regelmäßig kontrolliert und die daran haftenden Haare an die Forscher geschickt. Aus den Haarwurzeln haben die Wissenschaftler die DNA herausgelöst, sie vervielfältigt und analysiert.
"In den ersten beiden Jahren konnten wir deutschlandweit 285 Individuen identifizieren."
Wobei die Auswertungen andauern und sich diese Zahl noch erhöhen wird. Eine stabile Wildkatzenpopulation gibt es demnach in der Eifel und im Taunus, aber der Spitzenreiter mit den meisten Tieren liegt im südlichen Niedersachsen.
"Da hat man vorher gar nicht so damit gerechnet. In dem Umkreis von Solling gibt es ein sehr großes Waldgebiet, in dem gesammelt wurde. Und dort haben wir über die ersten zwei Jahre 99 verschiedene Wildkatzen identifizieren können, was auch eine sehr hohe Populationsdichte ist. Und das sind auch sehr wichtige Informationen, denn wo eine sehr hohe Populationsdichte ist, wandern auch potenziell viele Wildkatzen ab und sind dann Gefahren ausgesetzt, dass sie Straßen überqueren müssen und ähnliches. Und mit solchen Informationen kann man auch direkt dann im Naturschutz ansetzen, wie man der Wildkatze am besten helfen kann."
Denn nicht überall gibt es stabile Populationen. Für ganz Deutschland geht eine Schätzung von 5.000 bis 7.000 Tieren aus, was nach Ansicht von Annika Tiesmeyer realistisch ist. Aufgrund der milden Winter der letzten Jahre könnten sogar noch mehr Wildkatzen in Deutschland heimisch sein. Und ab und an könnten sie auch auf Hauskatzen treffen und sich sogar mit ihnen paaren. Auch dazu gibt es erste Ergebnisse.
"Die Schätzungen liegen jetzt so bei etwa zwei bis vier Prozent, das heißt, es kommt vor, dass sie sich hybridisieren, aber es scheint eher selten vorzukommen. Und man vermutet, dass es auch vor allem in den Regionen vorkommt, wo die Wildkatzendichte noch relativ dünn ist und es auch nicht so die Auswahl gibt an Paarungspartnern und dass es in dem Fall häufiger zu Verpaarungen mit Hauskatzen kommt."
Die Analysen von Annika Tiesmeyer sollen in ein Wildkatzen-Schutzprogramm einfließen. Das Ziel: die einzelnen Populationen durch grüne Waldkorridore miteinander zu verbinden. Damit ein langfristiges Überleben der Wildkatze in Deutschland gesichert ist.