Eine staubig-heiße Straße in einem Vorort von Adana. Krämerläden, eine Männerteestube, tobende Kleinkinder in Gummilatschen. Nur ungern kehrt Hasan Dündar hierher zurück, wo für den 16-Jährigen vor einem halben Jahr ein Albtraum begann.
Nach der Schule habe er eine Straßenschlacht zwischen kurdischen Jugendlichen und der Polizei lediglich beobachtet, beteuert er. Das Gerücht, dem inhaftierten PKK-Chef Öcalan werde dringend benötigte medizinische Hilfe verweigert, hatte die Jugendlichen aufgebracht. Stundenlang werden die Polizisten mit Steinen beworfen. Dann kommt Verstärkung und die Polizei schlägt zurück. Dass er als Schaulustiger am Ort geblieben war, wird Hasan zum Verhängnis:
"Ich wurde mit anderen Jugendlichen zusammen in einen Polizeibus gezerrt. Auf dem Weg ins Untersuchungsgefängnis wurden wir schon im Auto geschlagen."
Neben den Städten im kurdischen Südosten der Türkei ist die Mittelmeerstadt Adana zum Zentrum des kurdischen Nationalismus geworden. Rund die Hälfte der zwei Millionen Einwohner sind Kurden - zumeist Vertriebene aus dem Krieg zwischen der PKK und der türkischen Armee. Auch Hasans Familie musste ihr Dorf nahe der syrischen Grenze vor 15 Jahren zwangsweise verlassen. Die Kurden leben überwiegend in den ärmsten Vierteln der Stadt, Arbeit finden sie höchstens auf Baustellen oder Baumwollfeldern, die Arbeitslosigkeit unter ihnen ist hoch. Für die meisten kurdischen Jugendlichen ist der Chef der militanten PKK Öcalan ein Held.
Die Haft des Jungen war für seine Familie eine große Belastung. Zumal Hasan an zu hohen Blutfettwerten leidet - seine Mutter muss darum für ihn mit besonderem Öl kochen. Vater Halil Dundar hatte Angst, sein Junge könnte die die Zeit im Gefängnis nicht überleben:
"Wir hatten mit der Gefängnisleitung gesprochen - aber die hat nur gesagt: Bei uns bekommen alle dasselbe zu essen. Extrawürste gibt's nicht."
Hilfe bekommen die Jugendlichen und ihre Familien beim örtlichen Menschenrechtsverein IHD. Dort stapeln sich die Beschwerden, denn das neue Anti-Terrorgesetz habe die Strafbemessung für Terror-Propaganda verschärft, beklagen die Menschenrechtler. Die Regierung dagegen beklagt eine immer größere Gewaltbereitschaft unter jungen Kurden und darauf, dass die PKK weiterhin blutige Anschläge verübe.
Die Änderungen des Anti-Terror-Paragrafen sehen vor, dass 15 - 18-jährige Straftäter wie Erwachsene behandelt und bestraft werden sollen. 86 Minderjährige wurden allein im vergangenen Jahr in Adana zu insgesamt 400 Jahren Haft verurteilt. Nach geltendem türkischen Recht kann eine Person, die an einer nicht genehmigten Demonstration teilnimmt, zunächst wegen Verstoßes gegen das Demonstrationsrecht belangt werden. Werden Slogans gerufen, die als Unterstützung einer verbotenen Organisation gewertet werden können, stellt dies zusätzlich einen Verstoß gegen Artikel 7 des Antiterror-Gesetzes dar. Und schließlich kann dieselbe Person unter dem Vorwurf, sie habe sich an einer Aktion beteiligt, die im Namen einer illegalen Organisation durchgeführt wurde, als Mitglied derselben verurteilt werden. So addiert der Staatsanwalt am Ende die Anklagepunkte und heraus kommt eine Forderung von 35 Jahren Haft für einen 17-Jährigen - so geschehen im Januar dieses Jahres in der Stadt Siirt in Südostanatolien. Ethem Acikalin vom IHD ist empört:
"Es ist ein klarer Verstoß gegen die Kinderschutzkonvention der UNO, dass Minderjährige vor ganz normale Strafgerichte gestellt werden. Und dazu kommt die Verhältnismäßigkeit, die hier mit Füßen getreten wird: Für einen geworfenen Stein oder eine gerufene Parole, einen Jugendlichen wegen Zugehörigkeit zu einer illegalen Organisation zu verurteilen, ist ein schlechter Witz."
Das einzige Zugeständnis der türkischen Justiz an unter 18-Jährige: Sie bekommen einen Strafnachlass. So erhielt der damals 16-jährige Agit Tofan aus Adana neun statt 12 Jahre Haft wegen Propaganda für die PKK. Man habe ihn aus dem Klassenzimmer heraus verhaftet, berichtet sein Mutter Herdiye. Einmal im Monat kann sie ihn besuchen:
"Im Gefängnis ist es verboten, kurdisch zu sprechen. Weil ich aber kein Türkisch kann, muss mein Sohn dem Gefängniswärter unser Gespräch übersetzen."
Hasan Dündar, der in Adana festgenommen wurde, hatte schließlich Glück. Er durfte nach drei Wochen Untersuchungshaft zu seinen Eltern zurückkehren. Die Anklage gegen ihn wurde fallen gelassen. Doch die Schule hat ihn wegen des Vorfalls entlassen. Seitdem ist Hasan ein zorniger junger Kurde mehr auf den Straßen von Adana.
Nach der Schule habe er eine Straßenschlacht zwischen kurdischen Jugendlichen und der Polizei lediglich beobachtet, beteuert er. Das Gerücht, dem inhaftierten PKK-Chef Öcalan werde dringend benötigte medizinische Hilfe verweigert, hatte die Jugendlichen aufgebracht. Stundenlang werden die Polizisten mit Steinen beworfen. Dann kommt Verstärkung und die Polizei schlägt zurück. Dass er als Schaulustiger am Ort geblieben war, wird Hasan zum Verhängnis:
"Ich wurde mit anderen Jugendlichen zusammen in einen Polizeibus gezerrt. Auf dem Weg ins Untersuchungsgefängnis wurden wir schon im Auto geschlagen."
Neben den Städten im kurdischen Südosten der Türkei ist die Mittelmeerstadt Adana zum Zentrum des kurdischen Nationalismus geworden. Rund die Hälfte der zwei Millionen Einwohner sind Kurden - zumeist Vertriebene aus dem Krieg zwischen der PKK und der türkischen Armee. Auch Hasans Familie musste ihr Dorf nahe der syrischen Grenze vor 15 Jahren zwangsweise verlassen. Die Kurden leben überwiegend in den ärmsten Vierteln der Stadt, Arbeit finden sie höchstens auf Baustellen oder Baumwollfeldern, die Arbeitslosigkeit unter ihnen ist hoch. Für die meisten kurdischen Jugendlichen ist der Chef der militanten PKK Öcalan ein Held.
Die Haft des Jungen war für seine Familie eine große Belastung. Zumal Hasan an zu hohen Blutfettwerten leidet - seine Mutter muss darum für ihn mit besonderem Öl kochen. Vater Halil Dundar hatte Angst, sein Junge könnte die die Zeit im Gefängnis nicht überleben:
"Wir hatten mit der Gefängnisleitung gesprochen - aber die hat nur gesagt: Bei uns bekommen alle dasselbe zu essen. Extrawürste gibt's nicht."
Hilfe bekommen die Jugendlichen und ihre Familien beim örtlichen Menschenrechtsverein IHD. Dort stapeln sich die Beschwerden, denn das neue Anti-Terrorgesetz habe die Strafbemessung für Terror-Propaganda verschärft, beklagen die Menschenrechtler. Die Regierung dagegen beklagt eine immer größere Gewaltbereitschaft unter jungen Kurden und darauf, dass die PKK weiterhin blutige Anschläge verübe.
Die Änderungen des Anti-Terror-Paragrafen sehen vor, dass 15 - 18-jährige Straftäter wie Erwachsene behandelt und bestraft werden sollen. 86 Minderjährige wurden allein im vergangenen Jahr in Adana zu insgesamt 400 Jahren Haft verurteilt. Nach geltendem türkischen Recht kann eine Person, die an einer nicht genehmigten Demonstration teilnimmt, zunächst wegen Verstoßes gegen das Demonstrationsrecht belangt werden. Werden Slogans gerufen, die als Unterstützung einer verbotenen Organisation gewertet werden können, stellt dies zusätzlich einen Verstoß gegen Artikel 7 des Antiterror-Gesetzes dar. Und schließlich kann dieselbe Person unter dem Vorwurf, sie habe sich an einer Aktion beteiligt, die im Namen einer illegalen Organisation durchgeführt wurde, als Mitglied derselben verurteilt werden. So addiert der Staatsanwalt am Ende die Anklagepunkte und heraus kommt eine Forderung von 35 Jahren Haft für einen 17-Jährigen - so geschehen im Januar dieses Jahres in der Stadt Siirt in Südostanatolien. Ethem Acikalin vom IHD ist empört:
"Es ist ein klarer Verstoß gegen die Kinderschutzkonvention der UNO, dass Minderjährige vor ganz normale Strafgerichte gestellt werden. Und dazu kommt die Verhältnismäßigkeit, die hier mit Füßen getreten wird: Für einen geworfenen Stein oder eine gerufene Parole, einen Jugendlichen wegen Zugehörigkeit zu einer illegalen Organisation zu verurteilen, ist ein schlechter Witz."
Das einzige Zugeständnis der türkischen Justiz an unter 18-Jährige: Sie bekommen einen Strafnachlass. So erhielt der damals 16-jährige Agit Tofan aus Adana neun statt 12 Jahre Haft wegen Propaganda für die PKK. Man habe ihn aus dem Klassenzimmer heraus verhaftet, berichtet sein Mutter Herdiye. Einmal im Monat kann sie ihn besuchen:
"Im Gefängnis ist es verboten, kurdisch zu sprechen. Weil ich aber kein Türkisch kann, muss mein Sohn dem Gefängniswärter unser Gespräch übersetzen."
Hasan Dündar, der in Adana festgenommen wurde, hatte schließlich Glück. Er durfte nach drei Wochen Untersuchungshaft zu seinen Eltern zurückkehren. Die Anklage gegen ihn wurde fallen gelassen. Doch die Schule hat ihn wegen des Vorfalls entlassen. Seitdem ist Hasan ein zorniger junger Kurde mehr auf den Straßen von Adana.