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Zschäpes Erklärung im NSU-Prozess
"Eine Schmalzgeschichte zum Erbrechen"

Beate Zschäpe hat in einer durch ihren Anwalt verlesenen Erklärung bestritten, an den zehn Morden und den beiden Sprengstoffanschlägen des NSU beteiligt gewesen zu sein. Sie räumte aber eine "moralische Schuld" ein. Angehörige der Opfer und Politiker reagierten empört auf die Aussage.

09.12.2015
    Die Angeklagte Beate Zschäpe und ihre Anwälte Wolfgang Stahl (l-r), Hermann Borchert und Mathias Grasel (r) sitzen im Gerichtssaal im Oberlandesgericht in München.
    Die Angeklagte Beate Zschäpe und ihre Anwälte Wolfgang Stahl (l-r), Hermann Borchert und Mathias Grasel (r) sitzen im Gerichtssaal im Oberlandesgericht in München. (picture alliance / dpa / Tobias Hase)
    Die 40-Jährige bestritt in einer von ihrem Anwalt verlesenen Erklärung, an den zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen beteiligt gewesen zu sein, die die Bundesanwaltschaft dem NSU vorwirft. Die beiden mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, mit denen sie befreundet und später untergetaucht war, hätten sie erst hinterher darüber informiert. Als sie davon erfahren habe, sei sie sprachlos und fassungslos gewesen.
    Am Ende der Erklärung ließ Zschäpe ihren Anwalt für sich um Entschuldigung bitten: "Ich fühle mich moralisch schuldig, dass ich zehn Morde und zwei Bombenanschläge nicht verhindern konnte. Ich entschuldige mich aufrichtig bei allen Opfern und Angehörigen der Opfer."
    Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die NSU-Opfer, Barbara John, kritisierte die Aussage. Sie sagte der "Mitteldeutschen Zeitung": "Sich als elftes Opfer der angeblichen Alleintäter Böhnhardt und Mundlos darzustellen, ist das einfachste, was man machen kann. Denn die beiden können nicht mehr reden. Also wird alles auf sie geschoben."
    Grüne: Aussage ist unglaubwürdig
    Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir reagierte empört auf Zschäpes Aussage. "Was für ein Schlag ins Gesicht der Hinterbliebenen und von uns allen", sagte er den Zeitungen der "Funke-Mediengruppe". Zschäpes "Schmalzgeschichte" sei "zum Erbrechen".
    Auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic bezeichnete die Aussage als unglaubwürdig. Wenn Zschäpe angeblich an keiner Tat beteiligt gewesen sei, hätte sie das schon früher mitteilen können, sagte sie im Deutschlandfunk. Die Grünen-Politikerin ist Mitglied im NSU-Ausschuss.
    Angehörige der Opfer enttäuscht
    Auch Angehörige der Opfer äußerten sich enttäuscht über die Erklärung. Zschäpe versuche lediglich, sich aus der Verantwortung zu ziehen, sagte Gamze Kubasik, die Tochter eines Mordopfers. Sie glaube der Angeklagten kein Wort. Die Entschuldigung Zschäpes bezeichnete sie als "eine Frechheit, vor allem wenn sie dann noch verbunden wird mit der Ansage, keine unserer Fragen zu beantworten."
    Der Sohn des NSU-Mordopfers Enver Simsek sagte: "Diese Erklärung war so erbärmlich, einfach nur lächerlich." Er sei total enttäuscht und nehme Zschäpes Entschuldigung nicht an. "Am Ende noch sich zu entschuldigen, bringt gar nichts." Zschäpe habe sich mit ihrer Erklärung nur herausreden und entlasten wollen.
    Zschäpe muss sich vor dem Oberlandesgericht München als Mittäterin an sämtlichen Verbrechen verantworten, die dem NSU angelastet werden, darunter zehn vorwiegend rassistisch motivierte Morde. Mundlos und Böhnhardt starben 2011 nach einem Banküberfall.
    (hba/tzi)