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"Zu feuern - die Macht haben sie immer"

Klaus Theweleit hat zwei Erklärungen für das sich drehende Trainerkarussell in der Bundesliga: Einerseits liege das an dem Ehrgeiz der Trainer, möglichst auf internationaler Ebene zu spielen. Auf der anderen Seite verhielten sich die Ligapräsidenten - einmal gewählt - wie "kleine Monarchen".

Klaus Theweleit im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Zu den Traumberufen in Deutschland zählt schon längst nicht mehr der Lokführer, denn die müssen um ihr Geld streiken. Ärzte sind auch nicht mehr Halbgötter in Weiß wie früher. Also: Ein hohes Ziel kann sein, Bundesligatrainer zu werden. Man verdient eine Menge Geld und kommt viel herum. Felix Magath hat bald bei fast jedem Bundesligaverein trainiert, Jupp Heynckes zieht es wieder nach München, einen Fußballprofessor nach Schalke, der schillernde Christoph Daum kehrt in die Bundesrepublik, in die Bundesliga zurück, und vom Glanz und Elend des Trainerjobs können diese beiden Herren hier ein Lied singen. Legendäre Presseauftritte der beiden Trainer Rudi Völler und Giovanni Trappatoni, die da ihren ganzen Frust herausgelassen haben. Alle reden über die Trainer in der Bundesliga, wir jetzt auch, und zwar mit dem Schriftsteller und Kulturwissenschaftler Klaus Theweleit. Guten Morgen, Herr Theweleit.

    Klaus Theweleit: Schönen guten Morgen.

    Meurer: Ein Trainer übernimmt das Kommando, sagt man gerne. Ist der Trainer noch ein kleiner Feldherr, oder ist er nicht längst ein Geschäftsmann am Spielfeldrand mit Geldkoffer in der Hand?

    Theweleit: Wie es im Moment aussieht, ist er beides, aber zweites scheint er mehr zu sein: die Reiselust sehr groß und die Geldkoffer, na gut, können sie gerade noch schleppen.

    Meurer: Wie sehr hat sich auch das Bild des Trainers verändert? Wenn wir mal gegenüberstellen Sepp Herberger früher im Trainingsanzug, heute Felix Magath oder ein Jürgen Klopp, wie hat sich der Phänotyp des Trainers geändert?

    Theweleit: Ja gut, unser Bundestrainer im Anzug und sehr, sehr modisch, nicht so reiselustig allerdings, klar, da hat es einen Riesen Wechsel gegeben über die Jahre. Das Ganze frühere soldatenhafte, militärische Kommandowesen und das Kameraderische, das dem Trainer anhing, das ist weg, das ist so gut wie bei allen weg, bei allen, die ich sehe.

    Meurer: War es früher so eine Verrat, wenn man seine Mannschaft gewechselt hat als Trainer?

    Theweleit: Das war stärker ein Verrat als heute. Heute steht klar im Vordergrund auch bei den Trainern, die gehen, die nicht gefeuert werden, dass man ihnen den Aufstieg, denn meistens sind es ja Aufstiege, zu höheren Vereinen, also in höhere Finanzlagen, gönnt, wie im Moment zum Beispiel in Freiburg zu sehen beim Abschied von Dutt nach Leverkusen, und man verbeugt sich hier und ist zwar traurig, aber lässt ihn gehen.

    Meurer: Wir erleben ja die Kommerzialisierung des Fußballs jetzt schon seit langer Zeit. Warum erleben wir im Moment eine solche schnelle Folge von Trainerwechseln in der Bundesliga? Haben Sie dafür eine Erklärung?

    Theweleit: Ja, zwei Erklärungen. Die eine liegt bei den Trainern selber, die sehr ehrgeizig sind und offenbar jede Möglichkeit wahrnehmen, auch sprungbretternd höheres Ansehen und höheres Einkommen zu kriegen, Champions League möglichst zu spielen, international zumindest, wenn es geht. Der zweite, aber das ist der entscheidende Grund, liegt in den Vereinsführungen. Das sind die Managements, die Aufsichtsräte oder Präsidenten der Vereine, die sich verantwortlich fühlen, wenn Abstiege drohen, oder auch Nicht-Erreichen von bestimmten Saisonzielen, die ungehindert agieren können. Also wenn die Präsidenten einmal gewählt sind, oder die Aufsichtsräte, wie Tönnies in Schalke oder Hoeneß in München, der sehr mitgewirkt hat oder vielleicht hauptentscheidend für die Verabschiedung von Frank Gaal. Dann agieren die! Niemand kann die kontrollieren. Und die stehen auch im Ansehen bei den Journalisten. Die werden gefragt, was in den Vereinen los ist, und kontrolliert wird überhaupt nicht. Das sind, wenn sie einmal gewählt sind, ganz kleine Monarchen, die zwar nicht die Macht haben, ihren Trainer per Kommando da zu behalten, aber ihn zu feuern - die Macht haben sie immer, und davon wird, wie gerade im Fall Frankfurt wieder, Bruchhagen, Gebrauch gemacht. Das wird dem Trainer von heute auf morgen gesagt, du gehst. Dann gibt es nur noch Diskussionen über die Abfindung.

    Meurer: Geht es also um oben und unten, wer ist der stärkere, wer ist der schwächere?

    Theweleit: Es geht sehr stark um oben und unten, und so wie die Leute sich aufführen, der Aufsichtsrat in Hamburg bei der Entlassung jetzt zwar nicht des Trainers, doch auch des Trainers, der aber freiwillig gegangen ist, Armin Veh – ich glaube, Skibbe ist jetzt der zehnte -, das ist, glaube ich, Rekord in dieser Saison, und es haben fast immer die Aufsichtsräte die Hauptrolle gespielt, oder Präsidenten. Und das – das muss man gleich dazu sagen -, wie bei der Verpflichtung von Daum jetzt in Frankfurt, oder Labbadia in Stuttgart, Magath in Wolfsburg, ohne die geringste Garantie, auch ohne die geringste statistische Untermauerung, dass das tatsächlich nützt. In den meisten Fällen nützen diese Maßnahmen nichts.

    Meurer: Brauchen Vereine unterschiedliche Trainer sozusagen aus mentalen Gründen, also die Arbeiterstadt Dortmund braucht einen dynamischen Jürgen Klopp und der Konzern-Club Wolfsburg einen Geschäftsmann als Trainer?

    Theweleit: Ich weiß nicht, warum Veh in Wolfsburg gescheitert ist, und danach ist der Schotte ...

    Meurer: Steve McClaren?

    Theweleit: Ja, McClaren. - Ob das nicht genug Geschäftsleute waren, kann ich nicht sagen. Dieter Hoeneß ist bestimmt genug Geschäftsmann gewesen, und der muss jetzt gehen. Ich vermute mal, dass Magath das gefordert hat für seine Rückkehr. Ich verstehe an der Stelle die Trainer auch nicht. Dass Magath in Wolfsburg Erfolg hatte, kann sehr viel Glück gewesen sein und mit Dzeko und Grafite in Höchstform zusammenhängen. Dass es in Schalke nicht geklappt hat, da sieht man gerade, dass er als Geschäftsmann nicht gut gearbeitet hat. Er hat die beste Abwehr der Bundesliga verkauft, zwar für teures Geld, aber er sollte den Verein sanieren, hat genauso viel wieder ausgegeben. Er hat ihn nicht saniert, er hat den Schuldenberg eher erhöht. Also als Geschäftsmann hat er in Wolfsburg eigentlich nichts zu suchen. Da sind die Aussichten eher gar nicht rosig.

    Meurer: Und noch ganz knapp: Welchen Trainer finden Sie am besten in der Bundesliga?

    Theweleit: Na gut, die Erfolgreichen findet man immer gut. Rangnick hat mir immer gefallen. Was er auf Schalke sucht, verstehe ich nicht persönlich. Klopp ist, glaube ich, ein sehr guter Trainer, im Moment ein bisschen Pech, aber das wird mit Dortmund schon laufen. Labbadia in Stuttgart hat nur relativ Erfolg im Moment durch Schiedsrichterunterstützung, fünf geschenkte Punkte, sonst stünde Stuttgart unten. Das kommt noch dazu. Vabanque! Vabanque auf allen Ebenen!

    Meurer: Also Klaus Theweleit hat eine ganze Reihe von Favoriten in der Bundesliga. Es gibt ja genügend Trainer, die ständig im Moment zu rotieren scheinen. Zum Trainerkarussell in der Bundesliga sprach ich mit Klaus Theweleit, Schriftsteller und Kulturwissenschaftler in Freiburg. Danke schön und auf Wiederhören!

    Theweleit: Okay, schönen Tag.