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Zu nah am Wasser gebaut

Bewahrheiten sich die Berechnungen des Klimawandelkomitees der australischen Regierung, dann steht den Besitzern von mehr als 900.000 Privathäusern das Wasser bald bis zum Hals. Denn kein Land der Welt hat so nah am Wasser gebaut wie Australien.

Von Andreas Stummer | 28.11.2009
    Am Strand von Narrabeen, einem Nobelvorort im Norden von Sydney. Über Nacht ist Unternehmer John Miffin sein 800.000-Dollar-Segelboot abhandengekommen. Doch statt der Polizei ist der Katastrophenschutz da. Denn nicht nur die Jacht - Johns halber Garten ist weg. Eine Sturmflut hat erst den Strand unterspült, dann ein tennisplatzgroßes Stück seines Grundstücks weggefressen und dabei das geparkte Boot - mitsamt Anhänger - einfach mitgerissen.

    John Miffin ist nicht alleine. Internationale Klimaexperten sind sich einig: Bis Ende dieses Jahrhunderts soll der Meeresspiegel an Australiens Küsten um mindestens 80 Zentimeter ansteigen. Jenny George vom überparteilichen Klimawandelkomitee der Regierung hat ausgerechnet: Stimmt die Prognose, dann steht den Besitzern von mehr als 900.000 australischen Privathäusern mit Meerblick das Wasser bald bis zum Hals.

    "Wir haben Strände gesehen, die praktisch weggespült waren, Strände, die nur noch da waren, weil sie mit Tonnen von Sand wieder aufgeschüttet wurden oder mit Sandsäcken gesichert waren. Unzählige Häuser an der Küste waren unterspült und kurz davor einzustürzen. In ganz Australien sind wir den frühen Folgen des Klimawandels begegnet."

    Kein Land der Welt hat so nah am Wasser gebaut wie Australien. Fast 18 der mehr als 22 Millionen Einwohner leben an der Küste, alle australischen Großstädte liegen am Meer. Doch immer öfter verweigern Gemeinden jetzt Bauanträge für künftig überschwemmungsgefährdete Gebiete und Grundstücke, Versicherungsgesellschaften kündigen ihren Schutz für Villen, Strandhäuser und Wohnblocks in den - meist am Computer simulierten - Hochwasser-Gefahrenzonen. Schon heute werden in Australien Millionen dafür ausgegeben, um zu verhindern, dass später nicht Milliarden, buchstäblich, in den Sand gesetzt werden.

    "Derzeit konzentrieren wir uns vor allem darauf, wie wir auch in Zukunft an unseren Küsten bauen können","

    … sagt Di Jay vom australischen Institut für Städteplanung.

    ""Aber vielleicht sollten wir uns mehr um die Gebäude kümmern, die bereits dort stehen."

    Je mehr Küstenabschnitte heute in Australien von Springfluten oder durch Hochwasser weggespült werden, desto mehr verlieren die, die nicht an den Klimawandel glauben, an Boden. Trotzdem erzielen Grundstücke am Meer noch immer Rekordpreise. Australier werden auch weiter an der Küste leben. Doch wie nahe am Meer, das weiß heute niemand. Klimaforscher rechnen vor: Für jeden Meter, um den der Meeresspiegel steigt, wandert die Küste um 100 Meter ins Landesinnere. In Sydney, am Strand von Narrabeen, hieße das "Land unter" für John Miffin und seine Nachbarn, die McGraths. "Alles Blödsinn", behaupten Doug McGrath und seine Frau Lesley. "Was ist nun, wenn sich die Klimaforscher irren?" Umziehen kommt für sie jedenfalls nicht in Frage. Selbst wenn auch sie irgendwann nasse Füße bekommen sollten.

    "Meine Familie und ich - wir fürchten uns nicht"

    "Wir lieben den Blick auf das Meer. Wir werden den Sand hinterm Haus wieder aufschütten, unsere Mauer reparieren und neue Pflanzen einsetzen. Wir gehen nirgendwo hin. Wenn es nach uns geht, dann werden wir in unserem Garten begraben."