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Zu sauber für einen guten Fang

Viele Badegäste und auch Menschen, die Trinkwasser aus dem Bodensee beziehen, profitieren davon, dass das Wasser in den vergangenen Jahren immer sauberer geworden ist. Doch Berufsfischer wollen, dass der Phosphatgehalt im See wieder erhöht wird - denn den Fischen fehlt sonst die Nahrung.

Von Thomas Wagner |
    Ein großer Fischereibetrieb in Friedrichshafen: Vor einem großen Wasserbehälter mit Saiblingen steht Berufsfischerin Anita Koops. Sie erweckt keinen glücklichen Eindruck.

    "Wir hatten vom Jahr 2011 auf das Jahr 2012 Fangeinbußen von 47 Prozent. Und dieses Jahr ist es noch massiv weniger."

    Daneben steht Wolfgang Sigg, Vorsitzender des Internationalen Bodensee-Fischereiverbandes. Er kennt die Ursache dafür, warum den Mitgliedern seiner Vereinigung immer weniger Fische ins Netz gehen: Der Bodensee ist aus der Sicht der Berufsfischer zu sauber geworden.

    "Die wichtigste Ursache ist die Tatsache, dass der Phosphatgehalt im See stark zurückgegangen ist, inzwischen auf fünf Milligramm pro Kubikmeter Wasser. Und das führt dazu, dass eben die Nahrungsgrundlage der Fische stark reduziert wurde."

    Weil nämlich Phosphate das Algenwachstum anregen und damit für mehr Futter für die Fische sorgen. Die Klage der Bodenseefischer hält seit Jahren an – und blieb bei Experten weitgehend ungehört – bisher. Doch das hat sich nun geändert. Alexander Brinker ist Leiter der Fischereiforschungsstelle des Landes Baden-Württemberg in Langenargen am Bodensee.

    Er will sich selbst als Ökologe und Gewässerschützer verstanden wissen, blickt stolz auf die Listen mit Phosphatwerten. Noch vor wenigen Jahren waren die Experten stolz, den Phosphatgehalt im Trinkwasserspeicher von ursprünglich 80 Milligramm pro Kubikmeter Wasser auf 15 Milligramm abgesenkt zu haben.

    "Ich erinnere mich noch gut an die Zeiten, wo das als toller Erfolg gefeiert wurde. Und dann hatte man schon eine Situation, die für die Ökologie des Gewässers und für die Trinkwasserqualität hervorragend gewesen ist."

    Doch die Phosphatausfällungsstufen in den Kläranlagen wurden weiter perfektioniert, sodass der Gehalt derzeit bei rund fünf Gramm pro Kubikmeter liegt. Das bedeutet aber auch: Wichtige Fischarten im Bodensee wie die Felchen bekommen nichts mehr zwischen die Kiemen – und die Berufsfischer in der Folge nichts mehr in die Netze.

    "Der Hauptfisch des Bodensees, das Felchen, ist eigentlich an Gewässern mit wenig Nährstoffen angepasst und kann daher bei wenig Nährstoffen sehr gute Bestände ausbilden. Erst ab 10 Milligramm sieht man einen Ertragsrückgang."

    Deshalb hält der Fischereiforscher eine leichte Anhebung des Phosphatgehaltes für sinnvoll und ökologisch vertretbar.

    "Hier hat man eigentlich eine ganz elegante Lösungsmöglichkeit. Und das wäre, nicht ganz so viele Phosphat-Fällungsmittel zuzugeben. Und dann würde wieder automatisch mehr Phosphor in den See gelangen. Und er würde sich langsam an die zehn Milligramm angleichen."

    Folge wäre, so Alexander Brinker von der Fischereiforschungsstelle Langenargen, ein Ansteigen des Felchenbestandes bei gleichzeitiger Wahrung einer sehr guten Trinkwassergüte; selbst zehn Milligramm Phosphat pro Kubikmeter entspricht gerade mal der Hälfte dessen, was die europäische Trinkwasserrichtlinie vorschreibt.

    Dennoch sorgen die Überlegungen des Fachmannes für einen Aufschrei bei den Umweltverbänden. Den Phosphatgehalt wieder anheben – ein Unding, kritisiert Hannes Huber, Sprecher des Landesverbandes Baden-Württemberg im Naturschutzbund Deutschland:

    "In unseren Augen kann es nicht sein, dass man den Bodensee jetzt wieder künstlich dreckig macht, nur damit die Erträge wieder steigen. Da sagen wir ganz klar: Fische sind keine Kartoffeln. Der Bodensee ist kein komplexer Lebensraum, der wertvoll ist. Er ist kein Kartoffelacker, wo wir sagen: Die Erträge stimmen nicht mehr, da müssen wir eine Schippe Dünger drauf schmeißen. Das wäre mit uns nicht zu machen."

    Der grüne baden-württembergische Agrarminister Alexander Bonde, in dessen Ressort auch die Fischerei fällt, möchte sich mit dem Gedanken auch nicht so recht anfreunden, mehr Phosphate in den See zu lassen.

    "Also wir haben den Wasserschutz am Bodensee ja nicht zum Spaß gemacht. Es geht ja um die Frage der Reinheit des Wassers. Und das hat zu Recht auch gesetzlich Priorität."

    Alexander Brinker, der Leiter der Fischereiforschungsstelle Langenargen, warnt dagegen auf einem Beharren des derzeit niedrigen Phosphatgehaltes um den Preis des Rückgangs bei den Fischbeständen. Dies bringe in der Gesamt-Öko-Bilanz eher Nachteile denn Vorteile.

    "Irgendwo muss der Fisch herkommen, der gegessen wird. Das heißt: Die Herstellung wird einfach nur verlagert. Anstatt eines regionalen Produktes, was einen ökologisch hervorragenden Fußabdruck hat, werden dann Fische aus weit entfernten Ländern eingeflogen mit Transportkosten und ähnlichen Dingen. Auch die Aspekte des Verbraucherschutzes – was bekomme ich an Qualität auf den Teller? - werden auf dem Heiligen Gral des Phosphors geopfert. Und das wäre schwer nachvollziehbar. Und ein kleiner Schritt zurück würde insgesamt auch der Umwelt guttun."