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Zu viel Fernsehen fürs Netz

Über zehn Prozent des Datenverkehrs im Internet besteht bereits aus Videoclips. Doch wie viel Fernsehen verträgt das World Wide Web? Mit dieser Frage hat sich jetzt der Branchenverband Deutsche TV-Plattform befasst.

Von Achim Killer | 09.03.2013
    Es wird eng im Netz. Siegfried Schneider, der Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, die die privaten Anbieter beaufsichtigt, hat das deutlich vor Augen.

    "Wir erwarten Google-TV, Apple-TV und verschiedene Kanäle von YouTube, die neben vielen kleineren Anbietern auf den Markt drängen."

    Und zwar drängen diese Anbieter mit Abrufvideos und Livestreams ins Internet. Das ist kein Problem, wenn sie über eine eigene Infrastruktur verfügen, möglichst bis hin zu den Videokonsumenten, wie die Anbieter von IPTV, die Deutsche Telekom etwa mit T-Home. Dann können sie quasi ein Fernseh-Verteilnetz auf Basis des Internetprotokolls nachbilden. Das ganze Programmpaket wird dann für alle Zuschauer gemeinsam bis zur Vermittlungsstelle transportiert. Multicast nennt sich das.

    Und nur von der Vermittlungsstelle über den Teilnehmeranschluss ruft jeder individuell ab, was er sehen mag. Schwieriger wird’s beim Gegenstück zu IPTV – OTT – Over the top, dem Video-Transport über fremde Netze hinweg, ohne dass die Betreiber dieser Netze den Transport effizient organisieren können. Das muss dann ein sogenanntes Content Delivery Network übernehmen, wie etwa der Dienstleister Akamai es anbietet. Dessen Content Delivery Network besteht im Wesentlichen aus gut 130.000 Servern, die über den ganzen Globus verteilt sind.

    "Einmal sind diese Maschinen dafür da, statische Inhalte zu cachen oder Streams auszuliefern oder Sonderfunktionen durchzuführen, wie zum Beispiel permanent zwischen den verschiedenen Standorten über Pings die Laufzeiten zu messen, so dass unsere Kunden, die über uns ausliefern, zu jedem Zeitpunkt die schnellste verfügbare Route nutzen können",

    so Jürgen Metko. Er ist bei Akamai für das Geschäft mit Medien-Unternehmen zuständig. Die Zigtausende von Servern in den Rechenzentren der Zugangsprovider bilden ein Overlay-Netz, ein Netz, das gewissermaßen über das Internet gelegt wird. So können auch große Datenvolumen sehr effizient transportiert werden - von der Datenquelle bis zum Caching- und Verteil-Server beim Provider in einer Art Multicast-Verfahren und erst von dort bis zum Video-Konsumenten im Unicast-Modus.

    "Beispiel: Wenn wir 300.000 parallele Views haben, wäre es ja ein absoluter Overkill, wenn wir 300.000 Signale durchs Internet schicken würden. Also, um ein Beispiel zu nennen, liefern wir vielleicht 8000 Signale in die Region. Und dort splitten wir es dann auf auf die End-User in den Regionen. Und liefern von den Edge-Servern zum End-User 300.000 parallele Views, aber in die Region vielleicht nur 8000."

    Nur wenige große Internet-Konzerne offerieren die Dienste solcher Content Delivery Networks. Amazon mit Cloud Front etwa ist ein weiterer Anbieter. Ihre Bedeutung wächst, je mehr Fernsehen über das offene Internet konsumiert wird, also außerhalb von geschlossenen IPTV-Netzen. Wenn Content Delivery Networks gut ausgebaut sind und ordentlich arbeiten, dann ist Internet-Fernsehen nur noch eine Frage des Teilnehmeranschlusses. Und bei einem DSL-Anschluss ist Fernsehgucken übers Web kein Problem. Allerdings gibt es da noch den Trend hin zu Smartphones und Tablets, die – vor allem unterwegs - als alternative Fernsehgeräte genutzt werden. Und dieser Trend bereitet TV-Anbietern und Geräteherstellern Kopfzerbrechen. Professor Birgit Spanner-Ulmer, die technische Direktorin des Bayerischen Rundfunks, formuliert es so:

    "Im mobilen Internet werden bei LTE oft hohe Bandbreiten von bis zu 100 Megabit pro Sekunde versprochen. Die Realität, meine Damen und Herren, ist aber bisher oftmals eher enttäuschend."

    Das ist das Nadelöhr beim Internet-Fernsehen: der Mobilanschluss ans Netz. Den Videotransport über die Backbones und durch die Providernetze haben die Telekommunikationsunternehmen mittlerweile im Griff. Aber für die letzte Meile ist noch niemandem eine Lösung eingefallen.