Karin Fischer: Die Wirtschaftszahlen, die der Börsenverein des Deutschen Buchhandels heute vorgelegt hat, sind so durchwachsen wie das Wetter: Seit sieben Jahren gibt es erstmals ein Umsatzminus; der Umsatz von E-Books aber steigt; anderseits setzen sich elektronische Bücher beim Kunden langsamer durch als erwartet. Holger Ehling in Frankfurt, das ist alles nicht so verwunderlich, dennoch: Bitte leisten Sie Übersetzungshilfe. Was heißt das alles? Ist die Krise jetzt beim Buch angekommen?
Holger Ehling: Die Krise ist nicht jetzt beim Buch angekommen, die Krise ist beim Buch immer schon gewesen. Der Börsenverein hat heute bekannt gegeben, dass der Umsatz mit Büchern im vergangenen Jahr um 1,4 Prozent gefallen ist auf jetzt 9,6 Milliarden Euro. Das hört sich erstmal nicht weiter dramatisch an. Aber man muss dabei auch bedenken, dass in den vergangenen 15, 20 Jahren wir in den Jahren, in denen wir Umsatzsteigerungen hatten, schon froh waren, wenn wir mal eins, 1,2 Prozent erreicht haben. Zwei Prozent Umsatzsteigerung war ein Ausreißer nach oben ...
Fischer: Das lag dann immer an Harry Potter.
Ehling: Das lag immer an Harry Potter und solchen Sonderentwicklungen. Letztlich bedeutet es, dass wir in den vergangenen 15 bis 20 Jahren über einen absolut stagnierenden Markt reden, der sich im Rahmen der gesamten Wirtschaftsentwicklung doch im Vergleich zu anderen Bereichen immer weiter im Hintertreffen sieht.
Fischer: Das Auf und Ab beim E-Book ist demgegenüber ja schon fast wieder lustig: Vor zehn Jahren wurde es angekündigt; vor zwei Jahren hieß es: "jetzt aber wirklich!", dann ruderte man zurück, "wir sind ja nicht in Amerika", und heute nun heißt es, die Nachfrage sei einfach sehr gering. Woran liegt's?
Ehling: Ja wer gehofft hatte, dass durch das E-Book die Rückgänge im Handel mit gedruckten Büchern aufgefangen werden könnten, der sieht sich einmal mehr getäuscht. Es ist sicherlich so, dass die Vielfalt der E-Book-Formate, die angeboten werden, und die Vielfalt der angebotenen Lesegeräte eine große Verunsicherung für den Kunden bedeuten. Gleichzeitig gibt es keine verlässlichen Zahlen von den ganz großen Jungs im Markt, nämlich von Amazon oder Apple. Wenn man diese Zahlen nicht wirklich ergreifen und in die Statistik einbeziehen kann, dann wird die ganze Rechnung ein bisschen sehr, sehr schwierig. Gleichzeitig hat es der Buchhandel, hat es der Börsenverein als Verband versäumt, tatsächlich so eine Art Aufbruchstimmung für das Thema E-Book in der Allgemeinheit zu erzeugen. Letztlich ist das alles ein bisschen lethargisch, und wenn man sich die Branchen-Diskussionen über die letzten Monate anschaut, dann wird das E-Book weiterhin so als eine lästige Pflichtübung betrachtet. Und immer wieder bekomme ich gerade von Buchhändlern zu hören, ich solle doch endlich mal über was anderes reden als über die Elektronik, das würde schon dann behandelt werden, wenn es akut würde. Damit haben die Kollegen natürlich auch nicht unrecht, denn im Moment ist tatsächlich kein Markt da, der es für einen kleineren Buchhändler wirtschaftlich sinnvoll erscheinen ließe, größere Beträge zu investieren in Marketing, auch in das Vorhalten von technischen Gerätschaften.
Fischer: Reden wir über was anderes, reden wir übers Übersetzen, über Übersetzungen. Was war Ihnen neu heute?
Ehling: Mir ist aufgefallen, obgleich die Lizenzvergabe ins Ausland, also die Übersetzungen deutscher Literatur in andere Sprachen, mit marginalen Veränderungen gleich geblieben ist gegenüber dem Jahr 2010, dass wir eine massive Steigerung bei China sehen. Zum ersten Mal wurden dort fast 1100 Titel ins Chinesische übersetzt. Das sind mehr als ein Achtel sämtlicher Titel, die aus dem Deutschen in andere Sprachen übersetzt wurden, besonders stark im Bereich von Kinderbuch und Bilderbuch. Praktisch alles, was nicht bei drei auf dem Baum sitzt in diesen Bereichen, wird von den Chinesen in Lizenz übernommen. Das ist sehr schön. Gleichzeitig sehen wir, dass einige der großen traditionellen Abnehmerländer für deutsche Literatur, gerade auch für Kinderbücher, wie zum Beispiel Korea, wie zum Beispiel Polen, wie zum Beispiel die Tschechische Republik, deutliche Abbrüche verzeichnen.
Fischer: Holger Ehling war das mit Informationen über die Entwicklung des Buchmarktes 2011, vielen Dank.
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Fischer: Das lag dann immer an Harry Potter.
Ehling: Das lag immer an Harry Potter und solchen Sonderentwicklungen. Letztlich bedeutet es, dass wir in den vergangenen 15 bis 20 Jahren über einen absolut stagnierenden Markt reden, der sich im Rahmen der gesamten Wirtschaftsentwicklung doch im Vergleich zu anderen Bereichen immer weiter im Hintertreffen sieht.
Fischer: Das Auf und Ab beim E-Book ist demgegenüber ja schon fast wieder lustig: Vor zehn Jahren wurde es angekündigt; vor zwei Jahren hieß es: "jetzt aber wirklich!", dann ruderte man zurück, "wir sind ja nicht in Amerika", und heute nun heißt es, die Nachfrage sei einfach sehr gering. Woran liegt's?
Ehling: Ja wer gehofft hatte, dass durch das E-Book die Rückgänge im Handel mit gedruckten Büchern aufgefangen werden könnten, der sieht sich einmal mehr getäuscht. Es ist sicherlich so, dass die Vielfalt der E-Book-Formate, die angeboten werden, und die Vielfalt der angebotenen Lesegeräte eine große Verunsicherung für den Kunden bedeuten. Gleichzeitig gibt es keine verlässlichen Zahlen von den ganz großen Jungs im Markt, nämlich von Amazon oder Apple. Wenn man diese Zahlen nicht wirklich ergreifen und in die Statistik einbeziehen kann, dann wird die ganze Rechnung ein bisschen sehr, sehr schwierig. Gleichzeitig hat es der Buchhandel, hat es der Börsenverein als Verband versäumt, tatsächlich so eine Art Aufbruchstimmung für das Thema E-Book in der Allgemeinheit zu erzeugen. Letztlich ist das alles ein bisschen lethargisch, und wenn man sich die Branchen-Diskussionen über die letzten Monate anschaut, dann wird das E-Book weiterhin so als eine lästige Pflichtübung betrachtet. Und immer wieder bekomme ich gerade von Buchhändlern zu hören, ich solle doch endlich mal über was anderes reden als über die Elektronik, das würde schon dann behandelt werden, wenn es akut würde. Damit haben die Kollegen natürlich auch nicht unrecht, denn im Moment ist tatsächlich kein Markt da, der es für einen kleineren Buchhändler wirtschaftlich sinnvoll erscheinen ließe, größere Beträge zu investieren in Marketing, auch in das Vorhalten von technischen Gerätschaften.
Fischer: Reden wir über was anderes, reden wir übers Übersetzen, über Übersetzungen. Was war Ihnen neu heute?
Ehling: Mir ist aufgefallen, obgleich die Lizenzvergabe ins Ausland, also die Übersetzungen deutscher Literatur in andere Sprachen, mit marginalen Veränderungen gleich geblieben ist gegenüber dem Jahr 2010, dass wir eine massive Steigerung bei China sehen. Zum ersten Mal wurden dort fast 1100 Titel ins Chinesische übersetzt. Das sind mehr als ein Achtel sämtlicher Titel, die aus dem Deutschen in andere Sprachen übersetzt wurden, besonders stark im Bereich von Kinderbuch und Bilderbuch. Praktisch alles, was nicht bei drei auf dem Baum sitzt in diesen Bereichen, wird von den Chinesen in Lizenz übernommen. Das ist sehr schön. Gleichzeitig sehen wir, dass einige der großen traditionellen Abnehmerländer für deutsche Literatur, gerade auch für Kinderbücher, wie zum Beispiel Korea, wie zum Beispiel Polen, wie zum Beispiel die Tschechische Republik, deutliche Abbrüche verzeichnen.
Fischer: Holger Ehling war das mit Informationen über die Entwicklung des Buchmarktes 2011, vielen Dank.
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