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Zu wenig Berufsschullehrer

Maschinenbau, Informatik, Kraftfahrzeugtechnik - Absolventen dieser Studienrichtungen zieht es eher in die Wirtschaft als an die Schule. An deutschen Berufsschulen fehlen darum die Lehrer. In Baden-Württemberg will man jetzt etwas dagegen unternehmen.

Von Thomas Wagner | 30.06.2012
    "Welchen Vorteil hat denn das, wenn ein Motor tiefer gelegt wird? Für das Fahrzeug muss das ja auch irgendeinen Vorteil haben." - "Weil der Schwerpunkt dann weiter nach unten gelegt wird. Deswegen ist das dann besser für das Fahrzeug."

    Unterricht an der Jörg-Zürn-Gewerbeschule in Überlingen am Bodensee: Auf den Bänken sitzen angehende Kraftfahrzeugmechatroniker im ersten Lehrjahr. 57 Berufsschullehrer unterrichten in Überlingen 750 Schüler. Und das sind eigentlich drei Lehrkräfte zu wenig. Ergebnis: Rund vier Prozent des im Lehrplan vorgesehenen Unterrichtes fällt aus. Das ist, weiß Schulleiter Kurt Boch, im Vergleich zu anderen Regionen Baden-Württembergs eine eher niedrigere Ausfallquote.

    "Aber so Regionen Ostalb und Nordbaden, da gibt es größere Probleme, und der Unterrichtsausfall ist dort höher als bei uns hier im südwürttembergischen Raum. Also da sind das dann um die acht bis neun Prozent."

    Der Grund: zu wenig Lehrerstellen. 33746 Berufsschullehrer sind derzeit an den baden-württembergischen Berufsschulen beschäftigt, knapp vier Prozent zu wenig, schätzt das baden-württembergische Kultusministerium. Der Überlinger Schulleiter Kurt Boch befürchtet, dass sich das Problem zukünftig eher verschärft denn entspannt. Er sieht voraus,

    "dass insbesondere in Mangelfächern wie Informatik, Maschinenbau, Kraftfahrzeugtechnik auf lange Sicht durch die anstehenden Pensionierungen da ein Mangel entstehen wird. Es gibt wenig Berufsschullehrernachwuchs in diesen Fächern, weil von der Studienrichtung das nicht so attraktiv ist und weil die Industrie von ihrer konjunkturellen Lage eben mehr bieten kann sich dann nicht so viele Studenten dann für den Lehrerberuf entscheiden."
    "So, kommen wir zur vierten Frage: Wie wird die Einbaustelle der Filterung bezeichnet?"

    Dass es an den Berufsschulen an engagierten Lehrkräften fehlt, hat auch das baden-württembergische Kultusministerium erkannt: Alleine in diesem Jahr sollen dort 650 Lehrerinnen und Lehrer neu eingestellt werden. Damit wolle man auch zeigen, dass das Problem 'Berufsschullehrermangel' erkannt worden sei, so ein Ministeriumssprecher. Die Frage ist aber: Finden sich überhaupt genügend Bewerber, vor allem für die technischen Fächer?

    Paul Bauer unterrichtet an der Jörg-Zürn-Gewerbeschule Deutsch, Geschichte und Gemeinschaftskunde:

    "Ein Absolvent an einer Universität, der jetzt in den Beruf einsteigt, ich sag' jetzt mal als Maschinenbauingenieur oder als Elektrotechniker, da könnte ich mir vorstellen, dass die Einstiegsgehälter sich so bei 3000 oder 3500 Euro monatlich bewegen, während der Referendar das Referendariat durchläuft und eineinhalb Jahre lang ein Gehalt in der Größenordnung von 1100 Euro erhält."

    Für diejenigen Hochschulabsolventen, die sich dennoch für die Laufbahn an der Berufsschule einsetzen, bleibt allerdings die Gewissheit, einer pädagogisch reizvollen Aufgabe nachzugehen. Der 26-jährige Johannes Braun ist Studienreferendar an der Jörg-Zürn-Gewerbeschule:

    "Mich hat besonders gereizt, dass hier ein großes Spektrum an Menschen anzutreffen ist. Es ist nicht alles so Mainstream, wie das im gymnasialen Bereich der Fall ist. Sondern hier gibt es auch ganz viele Menschen mit ganz unterschiedlichen Biografien. Und das macht das Arbeiten einfach farbenfroh."

    Dennoch: Sollte es nicht gelingen, den Spieß umzudrehen und das Lehramt an den Berufsschulen attraktiver zu machen, würde dies eine weitere Ausweitung der Fehlstunden bedeuten – eine fatale Entwicklung. Schon ist die Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg vorgeprescht: In einem offenen Brief an das baden-württembergische Kultusministerium sprechen die Wirtschaftsvertreter von sinkendem Vertrauen in das duale Berufsausbildungssystem. Das ist nach Ansicht des Überlinger Schulleiters Kurt Boch mehr als eine bloße Drohgebärde:

    "Sollte da ein größerer Mangelbedarf entstehen, dann hätte das für die duale Ausbildung durchaus eine negative Konsequenz, weil der theoretische Teil nicht so gegeben werden kann wie erforderlich. Und der theoretische Teil ist ja auf den praktischen Teil abgestimmt in den Lernfeldern. Und der muss in der Berufsschule gemacht werden."

    Was nur dann funktioniert, wenn sich dort genügend Lehrer um die Auszubildenden kümmern. Hinzu kommt: Die Ausbildung an den Berufsschulen muss mit der Zeit gehen. Das hat im vergangenen Jahr auch die Enquetekommission "Fit für das Leben in der Wissensgesellschaft – Berufliche Schulen in der Aus- und Weiterbildung" des baden-württembergischen Landtages festgestellt. Eine wichtige Empfehlung der Kommission: angehende KFZ-Mechaniker, zukünftige Schreiner – sie alle müssen, im Zeitalter der Globalisierung, Englisch lernen. Und ein weiteres Ziel lautet: Mehr individuelle Förderung der einzelnen Auszubildenden in Ergänzung zum herkömmlichen Unterricht. Berufsschullehrer Paul Bauer:

    "Konkret kann das in einem allerersten Schritt darin bestehen, dass das in bestimmten Fächern im Rahmen einer Art 'Stützunterricht' erfolgt. Aber wir hier in der Schule sind ganz einhellig der Meinung, dass wir auf diesem Stand nicht verharren, nicht verbleiben wollen. Ich selbst denke auch an eine Zusammenarbeit mit dem Schulsozialarbeiter, mit dem Jugendberufshelfer, mit dem Jugendberufslotsen – also da gilt es, unterschiedliche Unterstützung an die Schule heranzuholen, um diese individuelle Förderung leisten zu können."

    Und da beißt sich die Katze wieder in den Schwanz: Solche individuelle Förderung können die Berufsschulen nur dann leisten, wenn mehr Stellen genehmigt und mehr Geld bereitgestellt wird. Schulleiter Kurt Boch bringt’s auf den Punkt:

    "Das heißt natürlich im Endeffekt und unterm Strich: Es müssen mehr Lehrer eingestellt werden in diesem Bereich."