Der Protest ist still, aber sichtbar: Direkt vor der FIFA-Zentrale in Zürich hängen an der Straße große Banner. Sie fordern Gerechtigkeit und die "rote Karte" für Korruption. Und dahinter sitzen an einem Zelt acht Demonstranten – seit mehr als zwei Wochen. Es sind Fans des türkischen Fußballvereins Trabzonspor, die meisten leben in Deutschland.
Der Ausgangspunkt des Protests liegt Jahre zurück: 2011 hat Fenerbahce Istanbul den Meistertitel gewonnen – auch durch manipulierte Spiele, wie der Internationale Sportgerichtshof CAS bestätigt hat. Aber der Türkische Fußballverband habe nie die Konsequenzen gezogen, sagt Ibrahim Ertürk:
"Wer Spiele manipuliert, muss absteigen beziehungsweise auch den Titel zurückgeben. Der Verein wurde nie bestraft. Es sind fünf Jahre vergangen, und niemand geht davon aus, dass die Funktionäre noch bestraft werden."
"Infantino hat gute Verbindungen zu türkischen Politikern"
Der 57-Jährige ist Wortführer des Protests und demonstriert seit Jahren immer wieder. Er fährt dafür aus Sinsheim bei Heidelberg nach Zürich – nicht nur, weil 2011 der zweitplatzierte Trabzonspor um den Titel gebracht wurde. Die Fans werfen auch den internationalen Verbänden Untätigkeit vor. Damals war der europäische Fußballverband UEFA verantwortlich, noch unter Gianni Infantino. Der habe alles unter den Teppich gekehrt, meinen die Demonstranten. Mittlerweile Chef des Weltfußballverbands FIFA würde er genauso wenig aktiv, befürchtet Ibrahim Ertürk.
"Wir haben Informationen, dass Infantino sehr gute Beziehungen zu türkischen Politikern und Unternehmern hat."
Doch die Fans wollen nicht aufgeben. Sie hätten ein ganz einfaches Ziel, sagt Ibrahim Kilic, der aus Heidelberg nach Zürich gekommen ist:
"Ich bin nebenbei Schiedsrichter in Deutschland, ich pfeife in den Amateurligen. Und wir wollen einfach einen sauberen Fußball, dafür kämpfen wir halt."
Und das gilt auch für die Europameisterschaft: Denn die Türkei bewirbt sich für die Austragung der Spiele 2024. Bis Freitag müssen die Bewerbungsunterlagen bei der FIFA sein – auch deshalb findet der Protest genau jetzt statt. Ibrahim Ertürk regt sich mächtig auf, denn Deutschland ist ebenfalls Bewerber für die EM 2024:
"Da übe ich sowohl Kritik an Deutschland als auch an der Türkei. Ich würde mich schämen, wenn ich an Stelle der Türkei wäre. Und von der Deutschland-Seite kommt nichts – keine Kritik, was die Türkei betrifft."
Die FIFA schweigt
Die Fans wollen mindestens ein Signal von der FIFA. Doch die schweigt zu alledem. Mittlerweile hat Ertürk gegen die Präsidenten von FIFA und UEFA Anzeige erstattet – bei der deutschen und schweizerischen Polizei, sowie Interpol und FBI. Er klagt als Vereinsmitglied und Aktionär von Trabzonspor auf Schadenersatz. Als nächstes will er die Wettbüros anzeigen, die von Manipulationen profitieren. Die Demonstranten meinen es ernst – eigentlich wollten sie sogar schon im Hungerstreik sein. Doch der braucht eine Sondergenehmigung von den Schweizer Behörden. Deshalb geben sie der FIFA nun eine Woche mehr Zeit, zu reagieren.