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Zug mit Wasserstoff
Sonderfahrt in die Zukunft

Der Diesel steht unter Druck - auch auf der Schiene. Bahnunternehmen und Streckenbetreiber hoffen, dass alte Dieselloks bald modernen Wasserstoffzügen weichen. Ein Modell wurde heute in Berlin vorgestellt. Noch mangelt es aber an Tankstellen für den Treibstoff.

Von Dieter Nürnberger | 11.02.2019
    Ein neuer Brennstoffzellenzug, der mit Strom aus Wasserstoff angetrieben wird, fährt in den Bahnhof ein.
    Der Alstom-Zug "Coradia iLint" fährt mit Wasserstoff - und damit emissionsfrei (picture alliance / Philipp Schulze)
    Es ist ein relativ unspektakulärer Auftritt des Brennstoffzellenzuges. Denn eigentlich ist alles wie immer - als heute Früh der "Coralia iLint", so heißt der Zug der Zukunft des französischen Herstellers Alstom, in den kleinen Bahnhof Basdorf bei Berlin einfährt. Rein äußerlich unterscheidet sich dieser Nahverkehrszug kaum von einem herkömmlichen Gefährt, er ist aber auf jeden Fall leiser - eine Lärmreduzierung von 70 Prozent, sagt Jens Sprotte, der Leiter des Geschäftsbereichs Stadtverkehr und Systeme bei Alstom:
    "Wir haben Brennstoffzellen auf dem Dach, wir haben Batterie-Packs unter dem Fahrzeug. Wir haben einen Elektromotor. Und somit können wir den Zug völlig emissionsfrei fahren. Zudem können wir auch noch Bremsenergie zurückgewinnen."
    Reichweite von 1.000 Kilometern
    Somit fährt der Coralia abgasfrei und der Strom für den Betrieb kommt nicht aus einer Oberleistung, sondern wird von der Brennstoffzellentechnik selbst produziert. Wichtig vor allem: Keine fossilen Energieträger sind mehr notwendig, hier wird Wasserstoff verwendet. 360 Kilogramm davon braucht der Zug für eine Fahrt:
    "Dieses Fahrzeug hat eine Reichweite von über 1.000 Kilometern. Er kann 140 Kilometer pro Stunde in der Spitze fahren. Und hat Platz für 150 Sitzplätze" - weshalb dieser Zug ideal für den Nahverkehr in Deutschland wäre. Gerade auf solchen Strecken, die bislang nicht elektrifiziert sind, was immerhin noch bei rund 40 Prozent des Streckennetzes in Deutschland der Fall ist.
    Bisher kaum Wasserstoff-Tankstellen
    Die Zugtechnik funktioniere verlässlich, versichern die Alstom-Manager. Allerdings fehlt hierzulande noch die Wasserstoff-Infrastruktur für den Betrieb - konkret: Tankstellen, die beispielsweise diesen Brennstoffzellenzug versorgen könnten. Wasserstoff sei in Deutschland aber reichlich vorhanden, zum einen durch die Industrieproduktion, zum anderen könne auch Windstrom in Wasserstoff umgewandelt und gespeichert werden, sagt Kathrin Schneider, Ministerin für Infrastruktur und Landesplanung in Brandenburg. Sie setzt auf eine künftige Nutzung von Wasserstoff, nicht nur beim Bahnbetrieb:
    "Man kann sie auch ausdehnen - auf Busse oder auch Müllfahrzeuge. Das alles wird derzeit diskutiert. Und das könnte natürlich in einem Mobilitätskonzept für einen abgegrenzten regionalen Bereich zum Tragen kommen. Konkret: Die Wasserstofftankstelle wäre dann nicht nur für den Zug, sondern auch für andere Fahrzeuge. Das ist genau das, was wir wollen."
    Doch wird der Ausbau einer Wasserstoff-Infrastruktur Millionen kosten, weshalb das Land auf Fördermittel auch des Bundes hofft.
    Lohnen sich die Mehrkosten?
    Über die Kosten des Brennstoffzellenzuges wollte Hersteller Alstom heute keine Auskunft geben. Detlef Bröcker vom Vorstand der Niederbarnimer Eisenbahn - hier wird überlegt, diese modernen Züge künftig einzusetzen - wird zumindest etwas konkreter:
    "Nach den Informationen, die ich habe, würde ich ungefähr von rund 1,5 Millionen Euro ausgehen, die dieses Fahrzeug mehr kostet als ein vergleichbares Diesel-Modell. Rechnen tut sich Nahverkehr ja nie, deswegen wird er bezuschusst. Für die Gesellschaft rechnet es sich aber sehr wohl, da bin ich mir ganz sicher. Und diese Mehrkosten gilt es nun irgendwie abzufangen."
    Langfristig rechne sich ein Brennstoffzellenzug auf jeden Fall, sagt Alstom - die übliche Betriebsdauer eines Nahverkehrszuges liege bei mindestens 25 Jahren. Nach rund einem Drittel dieser Betriebsdauer hätten sich höhere Anschaffungskosten dann amortisiert - so die Rechnung des Herstellers.