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Zugausfälle in Baden-Württemberg
Ein "Chaosmanager" soll für Ordnung sorgen

Tausende Pendler in Baden-Württemberg sind am Ende mit ihrer Geduld. Nie zuvor gab es so viele Zugausfälle. Jetzt kommt Schnaitmann - Gerhard Schnaitmann. Von Bahnkunden nur "Chaosmanager" genannt. Er soll regeln, was bisher offenbar nicht zu regeln war.

Von Uschi Götz |
    Der Sonderbeauftragte des Landes Baden-Württemberg für Qualität im regionalen Schienenverkehr, Gerhard Schnaitmann. Bei Bahnpendlern heißt er nur "Chaosmanager".
    Gerhard Schnaitmann, soll den Bahnverkehr in Baden-Württemberg wieder verlässlicher machen. (Deutschlandradio / Uschi Götz)
    "Seien sie gegrüßt. Hocken wir hinten rein, da ist es ruhiger!"
    Wir steigen in den Regionalexpress von Tübingen nach Stuttgart. Herr Schnaitmann kann alles, außer Hochdeutsch. "In das hintere Abteil, da ist es ruhiger", sagt er.
    Jetzt gleich nicht mehr, denn Gerhard Schnaitmann spricht so laut, dass Mitreisende nur zuhören können. Der Mann nimmt kein Blatt vor den Mund in Sachen Bahn. Das halbe Abteil nickt bald zustimmend:
    "Grube hatte eine phänomenale Art, sich Menschen zuzuwenden. Es ist dann hinterher nichts passiert, aber er hat seinem Gesprächspartner vermitteln können, er hört ihm zu."
    Der traut sich was. Der Zug setzt sich in Bewegung, gleich hinter Tübingen erklärt er, woran die Bahn in Wirklichkeit krankt:
    "Die Controllerle in ihren Anzügle, die da irgendwo rumspringen und alles besser wissen … es fehlt die Hinwendung zum Personal, das Verständnis für das Personal und auch das Engagement für die Sache."
    Das System Eisenbahn hat eine Rufschädigung erlitten
    Kein Lokführer wolle, dass sein Zug Verspätung hat, sagt Schnaitmann. An entscheidenden Stellen müssten Menschen sitzen, die fachlich anerkannt seien:
    "Am meisten hat mich betroffen, dass das System Eisenbahn durch die Zustände eine gigantische Rufschädigung erleidet."
    Vor allem in Hauptverkehrszeiten sind in den vergangenen Monaten auf einigen Zugstrecken in Baden-Württemberg mindestens zwei Züge komplett ausgefallen. Manche Züge kamen nie an, das Chaos wurde jeden Tag größer. In einer der wirtschaftsstärksten Regionen Europas eine Katastrophe. Das Verkehrsministerium reagierte mit Druck, die Bahn gelobte Besserung, aber es blieb bei Zugausfällen und Verspätungen. Bis zu 250.000 Euro pro Woche muss die Bahn für Ausfälle dem Land bezahlen. An einer Lösung sind beide Seiten interessiert.
    Krankheitsfälle, Baustellen und technische Probleme seien an der Misere Schuld, heißt es vonseiten der Bahn. An der Stelle kam Schnaitmann ins Geschehen.
    Wie in einer Vorlesung erklärt dieser gerade im Abteil den Unterschied zwischen internen Faktoren – in Klammer beeinflussbar – und externe Faktoren – in Klammer nicht beeinflussbar – Stichwort Personen im Gleis, Unwetter. Mitten im Satz bricht Schnaitmann ab, ein Zug rast vorbei:
    "Ich kann nur die internen Faktoren …. Sehen sie, das war jetzt der Zug von Urach, der muss rechtzeitig über das Gleis fahren, dass unserer in Metzingen einfahren kann. Wenn der vorbei ist, weiß ich schon, jetzt steht die Einfahrt Metzingen."
    Aus dem Ruhestand zurückgeholt
    Im Abteil schauen alle im Wechsel auf Herrn Schnaitmann und wieder nach draußen. Wer ist dieser Mann mit weißem Haar, legerem Jackett, Wollschal und Ledertasche, der entgegenkommende Züge erkennt?
    Schnaitmann ist Sonderbeauftragter des Landes für Qualität im regionalen Schienenverkehr. Chaosmanager heißt er bei Bahnpendler im Südwesten.
    Der grünen-nahe Schnaitmann war Lehrer, als ihn ein CDU-Verkehrsminister zur Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg holte. 20 Jahre lang, bis zum Beginn seiner Rente am 31. Dezember 2016, war er dort für Fahrpläne zuständig.
    Das Rentnerdasein von Gerhard Schnaitmann endete allerdings genau vier Wochen, nachdem es begonnen hatte. Dieses Mal war der grüne Verkehrsministers Winfried Hermann am Telefon:
    "Und hat mich gefragt, ob ich bereit wäre, als Sonderbeauftragter für Qualität für das Land einzuspringen, weil eine Situation entstanden ist, die für die Menschen, für die Nutzerinnen und Nutzer des SPNV und auch natürlich für das Ministerium so nicht mehr tragbar ist."
    Er denkt nur kurz nach und sagt ja. Jetzt ist er der erste Sonderbeauftragte des Landes und das ohne Personal und ohne Büro:
    "Ich bin nicht in Amt, sondern nur in Würden. Ich werde keine Amtsstube und kein Büro betreten, meine Tätigkeit als Sonderbeauftragter ist eine mobile."
    Ein kurzer Draht zur Bahn
    Die Deutsche Bahn hat jüngst den Wettbewerb um das Stuttgarter Nahverkehrsnetz gegen die Betreiber Go-Ahead und Abellio verloren. Das hat die Eisenbahner in der Seele getroffen, so Schnaitmann, dessen Liebe zur Eisenbahn durch den Großvater geweckt wurde. Dieser war bei der württembergischen Staatseisenbahn technischer Zugführer des Hofzugs der Königin von Württemberg. Zu seinem 65. Geburtstag erfüllte sich Schnaitmann zudem einen Traum: Er machte selbst auch den Lokführerschein.
    Ihm traut man zu, dass er auf Augenhöhe und mit Verständnis, wie er sagt, nun ein paar Strukturen, ein paar Ecken ausbügelt. Bei der Bahn bekommt er einen Tagesansprechpartner, "der Zugriff hat in die internen Strukturen der DB".
    Schon an diesem Morgen haben die kurzen Drähte gegriffen. Ein Zug von Konstanz nach Ulm war mit 30 Minuten Verspätung unterwegs:
    "Eine Weiterfahrt nach Stuttgart ist in diesem Fall nicht mehr sinnvoll und nicht mehr machbar."
    Normalerweise müssen Pendler und Reisende stundenlang auf den nächsten Zug warten. In diesem Fall kam ein Reservezug zum Einsatz – Schnaitmanns Idee. Künftig soll es mehrere Reservezüge geben, das will er mit dem zuständigen Regionalleiter und Werkstattleitern besprechen.
    Der Zug von Tübingen nach Stuttgart fährt pünktlich in den Bahnhof der Landeshauptstadt ein. Seinen Job sehe er als Feuerwehrrolle, in ein paar Wochen sei wieder Schluss, sagt der Mann mit dem richtigen Taktgefühl.