"Die wandern jedes Jahr. Meistens fliegen sie so Anfang, Mitte August los."
Andrea Flack erforscht am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell am Bodensee das Wanderverhalten von Weißstörchen.
"Die Jungstörche überwintern dann häufig entweder in Spanien oder Afrika. Kommen dann manchmal auch nicht unbedingt wieder gleich zurück, sondern bleiben noch ein paar Jahre dort, um mit zwei, drei Jahren dann wieder zurückzukommen, im Frühjahr, um bei uns zu brüten."
Mini-Sender zeichnen jeden Flügelschlag auf
Die jungen Störche wandern in Gruppen gen Süden. Meist sind auch ältere, erfahrene Tiere dabei. Doch wer die Richtung vorgibt, wie die Vögel während des Fluges interagieren und warum Störche derselben Gruppe letztlich an unterschiedlichen Orten überwintern, war bislang unklar. Diese Fragen konnte das Team um Andrea Flack jetzt mit Hilfe von GPS-Sendern beantworten. Die hatte es an 27 Jungstörchen aus der Bodensee-Region befestigt, die mit weiteren Störchen den Herbstzug antraten. Neben den Positionen ließen sich damit auch die Bewegungen einzelner Vögel nachvollziehen – bis auf einen Flügelschlag genau.
"Also wir haben praktisch die kleinen Interaktionen in der Gruppe auf das große Gesamtzugverhalten übertragen und das genau untersucht."
Die Ornithologen werteten das Verhalten in den ersten fünf Tagen des Vogelzugs aus – eine Zeit, in der die Storchengruppe etwa 1.000 Kilometer Richtung Süden zurücklegte. Anhand der Daten, wie die Tiere flogen und in der Luft aufeinander reagierten, konnten die Forscher dabei zwei unterschiedliche Vogel-Typen ausmachen: Folgestörche und ein paar wenige Anführer oder Leitstörche.
Anführer und Folgestörche
"So ein Leitstorch fliegt meist ein bisschen weiter vorne. Der ist der, der zuerst in die Thermiken fliegt, den optimalen Weg durch die Thermiken findet und sozusagen auch ein bisschen die Geschwindigkeit von dieser Gruppe vorgibt. Und so ein Folgestorch, der zieht dann meistens hinterher. Der nutzt diese Informationen von den Leitstörchen. Der kann die beobachten, um dann einen für sich guten Weg durch die Thermiken zu finden und profitiert sozusagen von der Information, die er von den Leitstörchen bekommt."
Allerdings sind die Leitstörche durch ihre Flugkünste schnell unterwegs. Um den Anschluss nicht zu verlieren, müssen die langsameren Folgestörche die warmen Aufwinde vorzeitig verlassen und damit in geringerer Höhe fliegen. Um mitzuhalten, wechseln sie dann vom Segeln zum Flügelschlagen – ein kräftezehrendes Verhalten für die großen Vögel. Die Analyse der Zugstrecken zeigte: Flugkünste und damit einhergehender Energieverbrauch beeinflussen auch, ob ein Tier 3.500 Kilometer nach Westafrika fliegt oder die Reise nach nur 900 Kilometern in Spanien beendet. Dabei ist das Verhalten beider Storch-Typen so charakteristisch, dass sich schon nach kurzer Zeit vorhersagen lässt, wo ein Vogel letztendlich landen wird.
Nach zehn Flugminuten ist klar, wohin die Reise geht
"Wir haben uns nur die ersten zehn Minuten, Viertelstunde von dem Flugverhalten angeschaut und konnten dann sagen: Ok, dieser Storch schlägt wenig mit den Flügeln. Das heißt, er wird wahrscheinlich ein Leitstorch sein und am Ende bis nach Afrika fliegen, während die anderen Störche, die viel mit den Flügeln schlagen, – schon in dieser kurze Zeit nur am Anfang des Zuges – nur bis nach Spanien fliegen."
Allerdings ergeht es den Folgestörchen in Spanien nicht schlechter: Dort herrschen auch im Winter moderate Temperaturen, und es gibt genug Nahrung, zum Beispiel auf Müllhalden. Die Mittelstrecken-Flieger haben inzwischen sogar eine etwas höhere Überlebensrate als ihre Artgenossen, die – vermutlich ihrer genetischen Veranlagung folgend – nach Afrika ziehen. Die Gründe dafür sind noch unklar.
In Zukunft hilft die ISS bei der Datenaufnahme
Für ihre Studie musste Andrea Flack die Störche übrigens noch mit dem Auto über spanische Feldwege verfolgen, um abends die Daten ihrer Sender mit einer mobilen Basisstation auszulesen.
"In Zukunft wird sicherlich das ICARUS-Projekt uns sehr viel bei unserer Forschung weiterhelfen."
ICARUS steht für International Cooperation for Animal Research Using Space. Im Rahmen dieses Forschungsprojekts wurde im vergangenen August eine Antenne an der Internationalen Raumstation installiert. Sie soll künftig die Daten von Tiersendern empfangen und zu einem Kontrollzentrum am Boden weiter leiten. Der wissenschaftliche Betrieb soll Anfang 2019 beginnen.