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Zuhause bei Konrad Adenauer
"Er war ein geliebter, aber sehr strenger Großvater"

Auch Jahrzehnte nach seinem Tod behauptet Konrad Adenauer in Meinungsumfragen einen Spitzenplatz nach den bedeutendsten Deutschen – vor Goethe und vor Luther. Zum 50. Todestag des Gründungskanzlers besuchen wir sein früheres Wohnhaus und sprechen mit seinem Enkel.

Von Moritz Küpper |
    Eine undatierte Postkarte zeigt das Wohnhaus Konrad Adenauers in Rhöndorf.
    Eine undatierte Postkarte zeigt das Wohnhaus Konrad Adenauers in Rhöndorf. (imago/Arkivi)
    Christa Sesterhenn geht einen kleinen, steilen Weg entlang:
    "Von hier hat Konrad Adenauer auch sein Haus erreicht. Er ließ sich hier von seinem Fahrer aus dem Wagen entlassen und ging dann den Weg hinter mir zu Fuß nach oben. Er hat gar keine andere Möglichkeit gehabt, es gibt gar keine Straße und keine Auffahrt zum Wohnhaus."
    Mit schöner Aussicht: das Wohnhaus in Rhöndorf, nahe Bonn.
    Mit schöner Aussicht: das Wohnhaus in Rhöndorf, nahe Bonn. (Deutschlandradio / Moritz Küpper)
    Seit Jahren führt Sesterhenn Besuchergruppen durch das Wohnhaus des ehemaligen Kanzlers in Rhöndorf, nahe Bonn. Hoch oben, am Hang und direkt am Waldrand gelegen, ist es die älteste der nunmehr fünf Politikergedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland. Die Familie Adenauer schenkte es einst der Bundesrepublik. Eine steile Treppe führt die letzten Meter hinauf.
    Alles ist noch so, wie Adenauer es verlassen hat
    Sesterhenn schließt die Haustür auf: Noch immer ist im Haus alles so, wie es Adenauer, der gebürtige Kölner einst, verlassen hat.
    "So fällt sein Blick beim Eintreten in dieses Haus auf einen Stich der Stadt Köln, hier oben, die Ansicht Kölns von 1648."
    Zwei Telefonapparate stehen im Wohnhaus Adenauers: Mit dem roten Knopf kam er direkt ins Kanzleramt.
    Zwei Telefonapparate stehen im Wohnhaus Adenauers: Mit dem roten Knopf kam er direkt ins Kanzleramt. (Deutschlandradio / Moritz Küpper)
    Um die Ecke stehen zwei Telefonapparate, einer ausgerüstet mit einem roten Knopf, mit dessen Hilfe Adenauer einst direkt das Kanzlerkamt erreichen konnte. Sesterhenn zeigt auf die Wand:
    "Hier hängt ein Bild, das ein Geschenk zum 90. Geburtstag darstellt, auf dem ein Rosenstrauch abgebildet ist und an den Ästen und Blüten jeweils die Fotografien der Familienmitglieder."
    Aus zwei Ehen, beide Frauen verstarben vor ihm, hat Adenauer insgesamt sieben Kinder und 24 Enkel-Kinder. Und obwohl das Haus nun ein Museum ist, kommt diese Großfamilie hier einmal im Jahr zusammen – immer am 2. Weihnachtstag:
    "Es wird also eine große Krippe aufgebaut mit über 100 Figuren."
    Berichtet Konrad Adenauer, der Enkel des Altkanzlers. Die ersten dreieinhalb Jahre seines Lebens hat er im Haus seines Großvaters gelebt. Organisiert nun das weihnachtliche Treffen:
    "Es wird dann aus der weihnachtlichen Schrift vorgelesen und ab und zu aus seinen Weihnachtsansprachen als Bundeskanzler. Und das dauert so ein paar Stunden und da sind in der Regel vier, manchmal sogar fünf Generationen vereinigt."
    "Er war so eine Art Ersatzvater"
    Er selbst, Jahrgang 1945, der später jahrzehntelang als Notar arbeitete, lebte einst auch dreieinhalb Jahre in diesem Haus in Rhöndorf:
    "Er war eben ein geliebter, aber sehr strenger Großvater und da mein Vater in der Zeit meistens nicht da war, war er so eine Art Ersatzvater. Und wir haben ihn Anfangs auch Vater Konrad genannt."
    Bei dem es auch Defizite gab:
    "Also, vorgelesen hat er uns nicht, er war ja auch damals sehr aktiv in der Politik schon."
    Fast alles ist noch so, wie Adenauer es verlassen hat.
    Fast alles ist noch so, wie Adenauer es verlassen hat. (Deutschlandradio / Moritz Küpper)
    Denn Adenauer wurde damals Bundeskanzler: 14 Jahre lang bestimmte er den Kurs der jungen Bundesrepublik:
    "Auf diesem Fundament bewegt sich der Staat heute auch noch: Es ist also eine Erfolgsgeschichte, sondergleichen für Deutschland. Sie müssen überlegen: Wir haben jetzt 72 Jahre lang Frieden. Unser Staat ist jetzt 68 Jahre alt. Das heißt, also eine solch lange Dauer hatten wir in unserem Staatswesen lang nicht mehr gehabt."
    Am Todestag selbst war der Enkel Konrad 22 Jahre alt, Student in Köln. Die Familie habe zwar gewusst, dass sich die Krankheit nicht mehr besser würde:
    "An einem Mittwochmittag, wir waren gerade beim Essen, kam die Dame aus Rhöndorf: Er sei soeben gestorben. Da haben wir das Essen abgebrochen, meine Eltern haben sofort Schwarz angezogen, sind nach Rhöndorf gefahren und mit ihren Geschwistern das Notwendige zu besprechen."
    Die wohl größte Trauerfeier in der Geschichte der Bundesrepublik
    Es folgte die wohl größte Trauerfeier in der Geschichte der Bundesrepublik: Adenauers Leichnam wurde im Palais Schaumburg in Bonn aufgebahrt, dann in den Kölner Dom zur Trauerfeier überführt…
    "Das Fernsehen und der Rundfunk haben ihr Programm angepasst."
    "Hier draußen, vor dem Südportal haben tausende von Menschen während des gesamten Pontifikalregiums stumm gestanden."
    Es war ein Weltereignis: US-Präsident Lyndon B. Johnson war gekommen, genauso wie Frankreichs Charles de Gaulle oder der britische Premiere Harold Wilson.
    "Und nun folgt dem Sarge die Familie des Verstorbenen. Hinter seinen Kindern stehen Enkelkinder."
    "Wir bekamen dann laufend Telegramme und Blumen und so weiter. Und es war ein reger Verkehr, der auch von der Trauer dann abhält erst etwas. Nein, das war schon ergreifend, aber auch befriedigend."
    Und wirkt bis heute nach: Straßen, Brücken, Schulen, Flughäfen, aber auch die CDU-Parteizentrale oder deren Stiftung sind nach Adenauer benannt:
    "Ja, ich denke mir, in Deutschland hat also nahezu jede Stadt von Bedeutung, auch kleinere, hat eine Adenauer-Straße, einen Adenauer-Platz. Schulen haben wir alleine im Kölner Bereich drei, die nach ihm heißen. Ich habe viele Schulen auch im Laufe meines Lebens schon besucht, zu Einweihungen zu Jubiläen."
    Rund 35.000 Besucher kommen im Jahr vorbei
    Es war und ist ein berühmter Name, der auch innerhalb der Familie weitergegeben wird. Auch der erste Sohn des Enkels, Jahrgang 1981, führt die Tradition fort:
    "Ja, unser Sohn heißt Konrad. Und wenn er mal einen Sohn bekommt, hoffen wir, dass er auch wieder Konrad heißen wird. Und das hoffen wir für bald."
    Er freue sich immer, wenn er zu Veranstaltung eingeladen werde, um dort zu sprechen – auch wenn er weiß:
    "Es geht also nicht um meine Person, ich bin da nur der Träger, sage ich mal. Aber: Es freut mich für meinen Großvater, dass er in der Zeit seit seinem Tode, also 50 Jahre jetzt, so lebendig geblieben ist."
    Wie eben auch an seinem Wohnhaus in Rhöndorf. Rund 35.000 Besucher kommen im Jahr vorbei, die dann von Sesterhenn oder ihren Kolleginnen durch das Haus geführt werden:
    "Hier können sie durchs Fenster in Adenauers Schlafzimmer hineinschauen. Es ist auch sein Sterbezimmer geworden. Hier starb er am 19. April 1967."
    Eben heute vor 50 Jahren.