Das Corona-Virus, der auch die Briten in Atem hält, hat einen positiven Effekt. Die Regierung musste ihren Interview-Boykott gegen die BBC beenden. Wochenlang gab kein Minister und kein Staatssekretär der morgendlichen Radiosendung der BBC ein Interview, um den angeblich zu liberalen Sender abzustrafen.
"Das war eine merkwürdige Entscheidung der Regierung, der "Today"-Sendung kein Interview zu geben", kritisierte Anthony Young von Labour im House of Lords. "Aber das Corona-Virus hat dann doch ein Einsehen erzwungen. Der Gesundheitsminister erschien ja dann endlich zum Interview."
Viele halten den Interview-Boykott für kleinlich oder eher sogar skandalös. Gerade im Oberhaus des britischen Parlaments hat die BBC viele Unterstützer. Detta O’Cathain zum Beispiel. Sie war u.a. Direktorin von "British Airways" und schätzt vor allem den Auslandsdienst der BBC. "Der BBC World Service ist eines der effektivsten Instrumente öffentlicher Diplomatie für unser Land. Er strahlt in Gegenden aus, die sonst niemand erreicht."
Rundfunkbeiträge vergleichsweise niedrig
Andere rechneten vor, dass die Rundfunkgebühr keineswegs unverhältnismäßig hoch sei: etwa 15 Euro pro Monat, drei Euro weniger als in Deutschland. Wer Netflix abonniere, bekomme nur Filme und zahle alleine dafür immerhin zehn Euro.
Es hagelte in der Debatte viel Kritik an der Regierung. Sie plane einen Rachefeldzug gegen die BBC und betrachte die Anstalt als ihren Todfeind. Die Konservativen meldeten sich nur sehr zaghaft zu Wort im Oberhaus. Das liegt nicht nur daran, dass sie im House of Lords nicht die Mehrheit haben. Manchem sind offensichtlich die gezielt gestreuten Gerüchte doch etwas zu viel, wonach Premierminister Boris Johnson die Axt an die BBC anlegen will, sprich: die Rundfunkgebühr ganz abschaffen will.
Das hörte sich bei der Staatssekretärin im Kultusministerium, Diana Barran, ganz anders an. Sie gab eher eine unerwartete Liebeserklärung der Regierung an die BBC ab. "Ich wiederhole, was der Premierminister kürzlich gesagt hat. Die BBC ist eine britische Institution, die wir wertschätzen und worauf wir sehr stolz sind."
Erneute Vorwürfe der Einseitigkeit
Nicht alle im House of Lords wollen den Liebesschwüren trauen. David Puttnam sitzt für Labour auf den roten Bänken. Er ist ein erfolgreicher britischer Filmproduzent, dessen Filme insgesamt zehn Oscars bekommen haben. U.a. für Killing Fields, der in Kambodscha spielte. "Hier steht ein Elefant im Raum. Die Staatssekretärin sagt, sie hätten die BBC lieb. Das kann nicht sein. Das passt überhaupt nicht dazu, was so aus Number 10 zu hören ist."
"Number 10", meint den Amtssitz von Boris Johnson, der im Wahlkampf sehr wohl mit Überlegungen gespielt hatte, die Rundfunkgebühren abzuschaffen. Jetzt gelten sie weiter bis 2027, wobei ab dem Jahr 2022 die Höhe ungewiss ist. Und darüber hinaus gab es keine Garantieerklärung durch die Staatssekretärin.
Peter Lilley, ein konservativer Abgeordneter im Oberhaus, war es dann, der die vielen Nettigkeiten zwischen BBC und House of Lords nicht mehr ertragen konnte. "Es ist merkwürdig, die BBC legt so viel Wert auf Diversität der Ethnien und der sexuellen Identität. Aber sie schert sich nicht um die Vielfalt der Meinungen. Niemand redet hier darüber, dass es bei der BBC nur eine Denkrichtung gibt, bei den Themen Einwanderung, Klimawandel und Europa. Andere Ansichten dürfen in der BBC nicht geäußert werden."
Ehemaliger BBC-Direktor zuversichtlich
Das Oberhaus aber steht hinter der BBC, von wenigen Ausnahmen abgesehen, wenn die Zukunft der Anstalt verhandelt wird. Mit John Birt sitzt außerdem ein ehemaliger BBC-Generaldirektor im House of Lords. Er setzt, ganz britisch, darauf, dass es nämlich im Endeffekt darauf ankommt, aus welcher Familie jemand kommt.
"Ich glaube nicht einen Moment lang, dass unser neuer Premierminister die BBC plattmachen will. Er ist der Spross einer gebildeten, liberalen und dem Gemeinwohl verpflichteten Familie. Er wird das 100-jährige Jubiläum der BBC nicht damit feiern, dass er sie zerschlägt."