Die schwarz-weißen Kühe im Stall von Focko Smit kauen ihr Futter. Der Landwirt bewirtschaftet einen Milchviehbetrieb im niedersächsischen Krummhörn in der Nähe von Emden. Die Tiere sind in einem sogenannten Boxenlaufstall untergebracht. In den offenen Stall dringen Licht und immer frische Luft.
"Weil man dadurch den Komfort für die Kühe deutlich erhöht. Nur eine Kuh, die sich wohlfühlt, ist auch gesund und kann Leistung bringen. Und letzten Endes für uns Landwirte dann das Einkommen."
Eine Kuh produziert 9.000 Liter Milch im Jahr
270 Kühe hält der konventionell wirtschaftende Landwirt. Zusätzlich baut er zusammen mit seiner Frau und vier Mitarbeitern auf 120 Hektar Futter für die Tiere an. Eine Kuh produziert etwa 9.000 Liter Milch im Jahr.
"Wir liefern unsere Milch an die DMK, Deutsches Milchkontor, das ist die größte Molkerei Deutschlands, die wird zu Käse verarbeitet."
Smit nennt seinen Betrieb einen modernen Familienbetrieb. Die Größe sei mittlerweile Standard in der Region um Emden. Derzeit machen ihm die sinkenden Milchpreise zu schaffen.
"Wir haben aktuell einen Auszahlungspreis von 33 Cent je Liter, das ist weniger geworden, das sind neun Cent weniger als im letzten Jahr."
Die schwache Nachfrage an Milchpulver aus China wirkt sich auf die Preise aus, der russische Importstopp verschärft die Lage. Dazu kommt, dass im kommenden Jahr die Milchquote fällt. Die Bauern dürfen dann zwar so viel erzeugen, wie sie wollen und können, aber schon jetzt produzieren sie mehr als verbraucht wird. Focko Smit hofft, dass sich der Markt in ein, zwei Jahren beruhigt und die Milchpreise wieder stabil werden. Viel mehr sorgt er sich um seine langfristige Zukunft: Die Ackerflächen werden nämlich knapp, auf denen er das Futter für seine Tiere anbauen kann.
"Dadurch, dass wir in direkter Flächenkonkurrenz stehen zur Energieproduktion, sprich, zu den Biogasanlagen, ist die Flächenverfügbarkeit, um die Futtermittel für die Kühe zu produzieren, meines Erachtens nach ein wesentlich größerer Bremsfaktor."
Nicht nur mit den Biogasbetreibern, sondern auch untereinander konkurrieren die Landwirte um immer knapper und teurer werdende Ackerflächen. In Niedersachsen ist der Preis, den ein Bauer für einen Hektar Ackerfläche an Pacht zahlen muss, zwischen 2010 und 2013 um 22 Prozent gestiegen. Bis zu 1.200 Euro werden inzwischen verlangt. Viele kleine Betriebe können da nicht mehr mithalten. Knapp die Hälfte der Höfe hat in den vergangenen 15 Jahren in Deutschland aufgegeben. Friedrich Ostendorff ist agrarpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Sein Hof liegt am Rand des Ruhrgebietes:
"Vor 46 Jahren waren wir dort zwölf Bauern. Heute sind wir zwei. Im Nachbardorf ist gar keiner mehr. Wir zwei bewirtschaften die Flächen der anderen mit. Das ist die Situation. Wir haben seit ´99 40 Prozent verloren. Wir haben 50 Prozent der Milchviehbetriebe verloren. Wir haben 70 Prozent der Schweinehaltungsbetriebe verloren."
Die Grünen wollen gegensteuern. Weniger Förderung aus der EU für industrielle Mastanlagen, mehr Geld für bäuerliche Betriebe. Auf ihrem Parteitag im November haben die Grünen die Agrarwende zu einem ihrer großen Themen erklärt.
"Der Donner, den wir erlebt haben, als es um den Veggie Day ging, der wird noch übertroffen, wenn wir es ernst nehmen, eine andere Agrarpolitik zu haben."
Gegen EU-Subventionspolitik
Die ehemalige Landwirtschaftsministerin Renate Künast appellierte an den Mut der Parteimitglieder:
"Weil, wenn wir das anpacken, worüber hier alle reden, dann heißt das, dass die Agrarindustrie ihre Privilegien verliert. Dann heißt das, dass diese EU -Subventionspolitik, die immer noch nicht an Ökologie und Sozialem andockt, endlich ein Ende findet."
Wie schwierig es ist, dieses Thema anzupacken, zeigt das Beispiel Niedersachsen. Dort ist Landwirtschaftsminister Christian Meyer von den Grünen Anfang 2013 mit dem Ziel einer sanften Agrarwende angetreten. Seitdem hagelt es Kritik – besondersvom Landvolk, dem niedersächsischen Bauernverband. In den vergangenen Monaten wurde der Ton noch einmal rauer. So ist zu lesen:
"Agrarpolitik zwingt Höfe zum Aufgeben" – "Die Grünen-Fraktion und Minister Meyer stellen die konventionell wirtschaftende Landwirtschaft bewusst in ein schlechtes Licht" - "Dem Minister fehlt es an Respekt".
Landvolk-Präsident Werner Hilse ärgert sich über die, wie er sagt, Symbolpolitik des grünen Ministers. Vor allem den Tierschutzplan lehnt er ab, mit dem Meyer das Vorhaben seines CDU-Vorgängers in die Tat umsetzt. Hilse wehrt sich gegen das angekündigte Verbot, die Ringelschwänze von Mastschweinen zu kürzen – eine Praxis, die viele Bauern anwenden, damit sich die Schweine im Stall nicht gegenseitig die Schwänze abbeißen. Von 2016 an soll dies der Vergangenheit angehören. Nach Ansicht Hilses wird damit ein Tierschutzproblem mit einem neuen Problem bekämpft.
"Es kann kein Leid mit einem noch größeren Leid bekämpft werden, sondern dann muss man ganz andere Wege gehen, nur, wir sind in einem Wirtschaftsleben, ich kann nicht einen landwirtschaftlichen Betrieb von heute auf morgen umkrempeln. Und wenn man eine reine Folgeabschätzung machen wollte, würde das bedeuten, dass viele Betriebe mit diesen Regelungen nicht leben könnten und aufhören zu produzieren. Wenn das das Ziel eines Ministers ist, dann soll er das auch so sagen."
Streit ausgelöst haben auch strengere Regeln für neue Ställe und die Gülle-Düngung der Felder.
"Da wird mit Pauschal-Argumenten argumentiert, dass die Landwirtschaft eine Überdüngung hat, das ist viel Unsinn, richtiger Unsinn, der da erzählt wird, und das versuchen wir auch klar zu machen."
Mit seiner ökologischen Politik verunsichert Minister Meyer konventionell wirtschaftende Landwirte.
"Es gibt natürlich zu Recht Sorgen, das liegt aber daran, weil die Gesellschaft eine andere Tierhaltung will, weil es Umweltfragen gibt, die eine andere Bewertung haben, die EU droht uns mit mehreren Vertragsverletzungsverfahren an wegen zum Beispiel Überdüngung, Nitratbelastung im Grundwasser, und das sind Probleme, die man nicht leugnen kann, sondern die man nur gemeinsam und partnerschaftlich angehen wollen, die man lösen muss, und wo man sich nicht in die Ecke stellen darf und sagt, Probleme sind nicht vorhanden."
Die Stimmung zwischen dem grünen Minister und dem Landvolk ist derzeit also sehr gereizt.
Die etwa 800.000 Milchkühe in Niedersachsen liefern rund sechs Millionen Tonnen Milch. Das entspricht ungefähr einem Fünftel an der gesamten Milchproduktion in Deutschland. Gab eine Kuh früher 6.000 Liter Milch im Jahr, wird sie heute so gezüchtet, dass sie fast10.000 Liter gibt. In der Schweinezucht wirft eine Sau inzwischen mehr Ferkel, als sie Zitzen hat. Galt früher ein Schweinestall mit 500 Tieren als groß, sind es heute im Schnitt 2.200, bei den Hühnern sogar 120.000. Die Erzeugung von Schweine- und Hühnerfleisch ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, beim Export sind die Zahlen vor allem für Schweinefleisch in die Höhe geschnellt.
Grüne Minister, wie Christian Meyer in Niedersachsen, stellen nun die Systemfrage. Sie wollen die Produktion von Nahrungsmitteln nicht dem Weltmarkt überlassen und fordern zum Beispiel ein EU-weites Regulierungssystem, wenn im kommenden Jahr die Milchquote ausläuft. Zudem will Meyer, wie er sagt, die bäuerlichen Betriebe vor Fehlentwicklungen schützen.
"Deswegen haben wir uns in Niedersachsen vorgenommen, nicht mehr die Strategie wachse oder weiche, also immer eine Aufstockung der Bestände, 100.000 Hühner, 200.000 Hühner, 300.000 Hühner, eine Million Hühner, sondern es muss darum gehen, dass auch kleine und mittlere Betriebe Existenzen sichern. Deswegen haben wir uns mit den roten und grünen Ministern dafür eingesetzt bei der EU-Agrarreform, dass man eine Umschichtung kriegt von Groß nach Klein."
Diese Umschichtung ist bislang ausgeblieben. Noch immer fließt ein großer Teil der Milliarden-Subventionen der EU als Direktzahlung an die Höfe. Nur ein geringer Teil des Geldes ist mit der jüngsten EU-Agrarreform an sogenannte Greening-Auflagen, also an mehr Umweltschutz, gekoppelt. Immerhin, so Meyer, bekämen kleine Betriebe in einer Größenordnung bis 100 Hektar nun etwas mehr Geld pro Hektar, damit sie gegenüber den großen Höfen weniger benachteiligt werden. Außerdem gibt es in Niedersachsen einen Bonus für junge Landwirte, die einen Hof übernehmen. Meyer zeigt sich zufrieden: Die niedersächsischen Bauern, zu 90 Prozent bäuerliche Betriebe, profitierten durchaus von staatlichen Subventionen. Seine Kritik am Landvolk:
"Es wäre gut, wenn der Berufsstand da mitgehen würde und nicht immer für Einheitsprämien und sich für die Großindustrie stark machen würde."
Diese Kritik lässt Landvolk-Präsident Hilse nicht gelten. Die Bauern fühlten von einem ideologisch handelnden Minister sich bevormundet und gegängelt von zu viel Bürokratie. Kürzlich machte das Landvolk in einer Presseerklärung noch einmal deutlich, wie wenig es von der ökologischen Politik des Ministers hält. „Bauern bekennen sich zur Marktorientierung", heißt es darin. Zur Marktentwicklung gehört jedoch auch die zunehmende Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln. Diesem Bedürfnis können die Landwirte aber noch nicht einmal zur Hälfte nachkommen. Für Hilse kein Problem. Bio sei nur ein Nischenmarkt. Er fordert Aufklärung von der Politik.
"Nur die Forderung nach einer stärkeren Produktion im Biobereich würde uns ja nicht helfen, wenn nicht der Absatz und der finanzielle Bereich das honorieren würde. Aber wenn das nicht der Fall ist und ich auch von der normalen Landwirtschaft leben kann, welchen Sinn würde das für einen Landwirt machen, dort umzusteigen? Er geht großes Risiko ein – die Politik muss das erkennen. Wenn ich den Fleischbereich gebrauchen darf: Es ist das, was im Bio-Bereich produziert wird, 0,6 Prozent unseres Fleisches. Das ist das Abbild unserer Gesellschaft. Unsere Gesellschaft hat doch das Gefühl, dass sie sich gesund ernährt."
Forderung: Klasse statt Masse
Ottmar Ilchmann ist Milchbauer und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft in Niedersachsen. Anders als das Landvolk unterstützt dieser Verband grundsätzlich die Agrarpolitik von Christian Meyer.
"Auch eine Weltmarktorientierung und der Wahn, in Deutschland zu Weltmarktpreisen produzieren zu können, ist für mich eine Ideologie. Die Produktion für den Weltmarkt ist in Europa seit 20 Jahren politisch vorgegeben, in meinen Augen aber nicht möglich für die Art von Landwirtschaft, wie wir sie haben. Und diese Weltmarktorientierung verursacht sehr viele Probleme. Weil sie die Kollegen dazu treibt, immer intensiver, unter Ausnutzung aller Ressourcen, zu produzieren, damit sie überhaupt noch über die Runden kommen."
Ilchmann fordert eine umwelt- und tiergerechte Erzeugung nach dem Motto: Klasse statt Masse, keine Überschussproduktion, die die Erzeugerpreise drückt. Die Politik müsse entsprechende Rahmenbedingungen schaffen. Aber nicht nur die allein:
"Das ist eine ganz große gesellschaftliche Aufgabe. Daran arbeiten wir ja auch gemeinsam, mit Verbündeten aus dem Umweltbereich, aus dem Tierschutzbereich, es ist ja so, dass viele Verbraucher schon ein Unbehagen verspüren an den Bedingungen, in denen heutzutage landwirtschaftliche Produkte erzeugt werden, aber an der Ladentheke, da kaufen sie dann doch wieder billig ein, da könnte man jetzt sagen, das sind alles Heuchler, glaube ich aber nicht, da müsste man jetzt ansetzen und den Leuten Handlungsmöglichkeiten an die Hand geben, wie sie mit ihrem Einkauf vernünftige bäuerliche Produktion unterstützen können."
Zum Beispiel mit einer besseren Lebensmittelkennzeichnung. So könnten Verbraucher erkennen, wie ihr Stück Fleisch erzeugt wurde.
In der Diskussion um eine Neuausrichtung der Agrarpolitik spielt der Tierschutz eine entscheidende Rolle. Bilder von Schweinen, die in engen Ställen auf Spaltenböden in ihrem eigenen Mist stehen, von getöteten Ferkeln und kranken Hühnern schrecken die Öffentlichkeit regelmäßig auf, ebenso Berichte über massenhaften Antibiotika-Einsatz. In diesem Herbst hat Bundesagrarminister Christian Schmidt eine "Tierwohlinitiative" gestartet:
Mein Ziel ist es, gerade auch die Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere noch besser an die Bedürfnisse der Tiere anzupassen.
Die Vorgaben sind ähnlich wie der niedersächsische Tierschutzplan. Langfristig sollen Schweineschwänze nicht mehr gekürzt, Schnäbel bei Hühnern nicht mehr abgeschnitten und männliche Küken nicht mehr sofort nach der Geburt getötet werden. Gesetzliche Vorgaben sind aber zunächst nicht vorgesehen:
"Ich habe mich dafür entschieden, dass ich das Ziel erreichen will durch den Weg einer verbindlichen Freiwilligkeit, ich halte das für eine moderne Maßnahme."
Im Stall von Milchbauer Focko Smit versucht ein neugeborenes Kalb, an das Euter seiner Mutter zu gelangen. Der Landwirt greift sich das Tier, es bekommt Ohrmarken, eine in jedes Ohr.
"Falls das Kalb mal eine Ohrmarke verliert, ist immer noch eine Marke drin, und es kann erkannt werden."
Focko Smit ist von seiner Art der Milchviehhaltung überzeugt – im vergangenen Jahr wurde sein Hof für nachhaltiges Wirtschaften ausgezeichnet. Zu seinen Kollegen im Geflügel- und Schweinbereich will er sich nicht äußern. Klar ist ihm aber, dass die Landwirtschaft insgesamt transparenter werden muss.
"Was wir als Landwirte da machen können und müssen, ist, dass wir uns der Bevölkerung öffnen, dass wir offen in den Dialog gehen und unsere Höfe zeigen und zeigen, wie wir produzieren, um Verständnis für unsere Situation und auch für unsere Produktionsweise und auch für das Güllefahren und alle diese Geschichten zu bekommen."
An diesem Vormittag hat Focko Smit Besuch von Johann Saathoff. Der SPD-Politiker ist stellvertretender agrarpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Auch die Sozialdemokraten beraten derzeit über eine grundsätzlich neue Agrarpolitik.
"Es ist nicht nur Tierschutz, es ist auch eine Frage der Entwicklung der ländlichen Räume, wie ist dort Daseinsvorsorge noch möglich, und das ist der Kern unserer Neuausrichtung, nämlich wie geht es eigentlich den Menschen im ländlichen Raum. Nicht nur den Landwirten, sondern allen Menschen im ländlichen Raum, und wie schaffen wir es eigentlich, Agrarpolitik dahingehend auszurichten, dass es diesen Menschen gut geht."
Noch gibt es in der Agrarpolitik der SPD aber mehr Fragen als Antworten. Die Sozialdemokraten wollen sich von der Agrarwende der Grünen absetzen:
"Ich würde es nicht Agrarwende nennen. Wir haben einen anderen Fokus. Die Landwirtschaftspolitik ist bei uns Teil einer Politik der Entwicklung ländlicher Räume."
Tierschutz soll dabei eine entscheidende Rolle spielen.
"Entweder es ist etwas freiwillig, oder es ist etwas verbindlich. Ich glaube, dass die SPD gut daran tut, in den nächsten Jahren etwas mehr an der Verbindlichkeit zu arbeiten."
Wie genau das aussehen soll, bleibt allerdings offen. Der Landwirt der Zukunft ist für Saathoff Nahrungsmittelproduzent, Energielieferant und Landschaftspfleger. Er wird den Anforderungen des globalen Marktes gerecht und handelt gleichzeitig regional. Am Beispiel des Milchbauern Focko Smit bedeutet das:
"Die Frage, wie kann man nicht nur Milch produzieren, sondern auch die Wertschöpfung daraus machen, das heißt, Käse daraus machen, diesen vermarkten, auf einer regionalen Basis. Auch ein bisschen eine De-Globalisierung. Das führt dazu, dass Nahrungsmittel im Wert steigen, aber sie werden trotzdem preiswert sein. Sie werden ihren Preis wert sein. Und dieses Bewusstsein bei den Verbrauchern muss in Politik umgewandelt werden."
Davon scheint die Politik aber noch weit entfernt. Folkhard Isermeyer ist Präsident des Thünen-Instituts, des Bundesinstitutes des Agrarministeriums. Die Wissenschaftler untersuchen unter anderem, wie sich die Agrarpolitik entwickelt und beraten die Bundesregierung. Die größten Herausforderungen für die Wissenschaftler liegen in der Nutztierhaltung. Folkhard Isermeyer:
"Was ich bei vielen Landwirten spüre, ist eine tief sitzende Verunsicherung über die Zukunft der Nutztierhaltung, deswegen halten sich viele Landwirte zurück bei Investitionen in die Nutztierhaltung."
Der Wissenschaftler kritisiert, dass es beim Tierschutz keine genauen Vorstellungen zur Umsetzung gibt.
"Wir merken, dass es nicht leicht ist, auf der Zielgeraden eines Tierschutzplanes jetzt auch tatsächlich die konkreten Maßnahmen umzusetzen. Das ist in der Schweinehaltung eine große Herausforderung, uns fehlen auf der Seite der Wissenschaft da oft noch die belastbaren Erfahrungen, um an die Praxis heranzutreten und den Verzicht auf das Schwanzkupieren bei Mastschweinen jetzt flächendecken umzusetzen."
Isermeyer plädiert für eine Umstrukturierung der EU-Förderpolitik. Die Politik müsse konkrete Ziele formulieren, wofür das Geld aus dem Agrarhaushalt ausgegeben werden soll. Solange dies nicht klar formuliert sei, verliere sich die Landwirtschaftspolitik im Ideologien-Streit.
Trotz fehlender Strategie und Ideologien-Streits: Milchbauer Ottmar Ilchmann kann der Debatte um die Zukunft der Landwirtschaft etwas Positives abgewinnen:
"Der Bauernverband hat von seinem Selbstverständnis her einen Alleinvertretungsanspruch für die Landwirtschaft. Diese Position macht ihm die AbL oder auch andere alternative Bauernvertretungen oder auch die Bio-Verbände ein wenig streitig. Agrarpolitik ist heute keine Sache mehr von Kungelrunden in Hinterzimmern, sondern Agrarpolitik ist Gesellschaftspolitik."
Produktion und Verbrauch hätten sich durch das System mit Discountern und Handelsketten entfremdet. Dadurch hätten es die Verbraucher schwer, Entscheidungen zu treffen.
"Häufig wissen die Leute noch nicht, wie sie eine gute Art von Landwirtschaft unterstützen können. Ähnlich wie bei der Energiewende. Wenn wir gewartet hätten, dass alle Verbraucher auf Ökostrom umstellen, das hätte Jahrzehnte gedauert. Wir haben jetzt den Atomausstieg auf politischem Wege. Vielleicht müsste es bei der Agrarwende auch so laufen, dass bestimmte Auswüchse der landwirtschaftlichen Produktion auf dem Gesetzeswege verboten werden. Ich glaube nicht, dass die Leute dann vor Aldi demonstrieren würden und rufen, gebt uns unsere billigen Hähnchenschnitzel zurück."