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Zukunft der Mobilität
Carsharing als Konkurrenz für Bus und Bahn

Das geteilte Auto soll Verkehr und Umwelt entlasten. Doch Fachleute kritisieren: Carsharing sorge für mehr Verkehr – denn es mache Bus und Bahn Konkurrenz. Wie nachhaltig ist das Autoteilen wirklich?

Von Philipp Banse |
    Car-Sharing-Fahrzeuge stehen am 29.02.2016 in Berlin am Straßenrand.
    Carsharing ist zum Teil billiger als der öffentliche Nahverkehr - und damit Konkurrent für Bus und Bahn. (picture-alliance / dpa / Bernd Von Jutrczenka)
    Der Berliner Ole Krüger hat vor einigen Jahren beschlossen: Ich kaufe mir kein neues Auto mehr.
    "Das Carsharing war der wichtigste Faktor. Ich hatte damals die Wahl, als mein altes Auto die Grätsche gemacht hat, mir ein neues zu kaufen, habe dann aber die ganzen Modelle gesehen, die es in Berlin gibt und mich dagegen entschieden und fahre seitdem drei Mal die Woche im Schnitt."
    Ole Krüger nutzt das so genannte freifließende Carsharing: Einfach per Smartphone ein Auto in der Nähe suchen, buchen, einsteigen, losfahren. Pro Minute kosten die Autos 20 bis 30 Cent, darin enthalten sind Kraftstoff und sogar Parkgebühren. Keine Anschaffungskosten, keine Versicherung, keine Reparaturen.
    "Es gibt schon Hinweise darauf, dass sieben bis zehn Prozent der Nutzer dieses freischwimmenden Carsharings ihr Auto dann abschaffen oder einen Autokauf verschieben oder sein lassen", sagt Sophia Becker, Verkehrsforscherin am Potsdamer Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung. Auch Martin Schmied vom Umweltbundesamt hat Carsharing untersucht:
    "Da sieht man, dass Carsharing bis zu 15 Prozent der Fahrleistung in den Städten reduzieren kann und auch fünf Prozent der Co2-Emissionen, das sind immerhin 3.500 Tonnen pro Tag."
    "Aber die andere Seites des freischwimmenden Carsharings ist trotzdem nur in Ballungsräumen funktioniert", ergänzt Verkehrsforscherin Becker. Auf dem Land würden sich die Autos extrem verteilen, lange ungenutzt herumstehen und nicht wirtschaftlich sein.
    Carsharing teils billiger als ÖPNV
    Auch in Ballungsräumen gibt es ein Problem – denn mehr Carsharing heißt nicht zwangsläufig weniger Autoverkehr – für Nutzer stellt sich die Frage: Carsharing oder Bus oder Bahn? "Sodass es schon auch die Gefahr gibt, dass das frei schwimmende Carsharing eine Konkurrenz zum öffentlichen Verkehr sein könnte."
    "Das war die größte Änderung. Seitdem ich DriveNow nutze, habe ich festgestellt, dass sich die Umweltkarte für mich nicht mehr lohnt, weil ich oftmals, wo ich früher mit der U-Bahn gefahren bin, das Carsharing nutze."
    Und zwar nicht nur, weil Autofahren bequemer ist als U-Bahn, sagt der Berliner Ole Krüger. Carsharing könne auch billiger sein als öffentlicher Nahverkehr.
    "Wir haben zum Beispiel auch festgestellt, dass wenn wir am Samstagnachmittag zu viert unterwegs sind in ein Restaurant, ins Stadion oder wo auch immer, sind wir mit dem DriveNow preiswerter als mit der BVG. Das ist irre, ist aber so."
    Hinzu kommt, dass ja nur eine Minderheit der Carsharingnutzer wirklich aufs eigene Auto verzichtet, sagt Tilman Santarius, Professor am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung der Technischen Universität Berlin und Autor des Buchs "Smarte grüne Welt".
    "Viele dieser zusätzlichen Carsharingnutzer, die in den letzten Jahren dazu gekommen sind, verzichten gar nicht mehr unbedingt auf das Auto, sondern nutzen diese Car2Gos jetzt zusätzlich zu ihrem privaten PKW, den sie vielleicht auch noch nutzen. Das heißt, hier wird eine Flexibilität ermöglicht, die vielleicht dazu führt, dass das Verkehrsaufkommen in den Städten steigt."
    Carsharing allein wird die Städte nicht retten
    Neben dem freifließenden Carsharing gibt es jedoch noch das stationäre Carsharing: Das Auto muss von einem bestimmten Parkplatz abgeholt und dort auch wieder abgestellt werden. Dieses Modell spreche eine Zielgruppe an, die ohnehin nicht sehr autoaffin ist, sagt Verkehrsforscherin Sophia Becker. Der Bundesverbands Carsharing hat 3.500 Kunden des stationären Carsharings befragt und festgestellt: 20 bis 60 Prozent von ihnen verkaufen ihr Auto oder verzichten auf einen Kauf. Dennoch wird Carsharing allein die Städte nicht retten, sagt Martin Schmied vom Umweltbundesamt. Von 1.000 Berlinern besitzen derzeit gut 300 ein Auto. In Frankfurt und München kommen auf 1.000 Einwohner sogar 400 und 450 Autos. Für eine nachhaltige Stadt der Zukunft dürften aber auf 1.000 Einwohner nur 150 Autos kommen, sagt Martin Schmied vom Umweltbundesamt. Weit mehr als die Hälfte der Autos müsse also raus aus den Städten:
    "Es kann nur funktionieren, wenn man die alternativen Angebote deutlich besser macht. Und A und O ist der öffentliche Verkehr. Der ist das Rückgrat der Stadtmobilität, das wird auch das Rückgrat bleiben – trotz womöglich autonom fahrender Carsharing-Autos."